Argumentativ vorgebaut hat dafür der Bundesverband Erneuerbare Energie. In seinem Auftrag hat das Institut für technische Gebäudeausrüstung (ITG Dresden) ein Gutachten zu Baukosten erstellt, die durch die Energieeinsparverordnung entstehen. Demnach war das Gebäudeenergierecht in den Jahren 2000 bis 2014 nur für sechs der insgesamt um 36 Prozent gestiegenen Baukosten verantwortlich. 2015 gab es dann noch einmal eine Novelle der EnEV. Neubauten müssen seitdem 25 weniger Primärenergie verbrauchen. Damit seien die Investitionen in energiebedingte Bauteile dann noch einmal um rund drei Prozent gestiegen, schreibt das ITG.
Das ist nicht Nichts, hat nach Aussagen des ITG aber zu keinem Rückgang der Bautätigkeit geführt. Entscheidender Engpassfaktor seien der Mangel an Bauland und dessen hohe Kosten gewesen. Wenn die Standards der EnEV weiterhin verschärft würden, ließe sich das mit geringen oder sogar ohne spürbare Mehrkosten realisieren.
Koalition will EnEV nicht weiter verschärfen
Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD bereits festgehalten, dass sie die EnEV nicht weiter verschärfen wollen. Der geplante Antrag von NRW geht aber noch darüber hinaus. Würde die gültige EnEV von 2016 ausgesetzt, würde man auf die davor geltende Fassung von 2009 zurückfallen, erklärte Christian Noll von der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff). Zwar gab es auch 2014 eine Neuauflage der EnEV, die aber keine wesentlichen Veränderungen bei den baulichen Anforderungen gebracht habe.
Zu dem Gutachten erklärt Noll: "Der Mythos von der Energieeffizienz als Wohnkostentreiber ist eindeutig widerlegt. Tatsächlich ist energieeffizientes Bauen immer günstiger geworden und hilft so, Verbraucher und Klima zu entlasten. Ein optimaler Wärmeschutz und eine wirtschaftliche und klimaeffiziente Heiztechnik müssen darum gleichrangige Ziele der Politik bleiben." Argumente fürs energiesparende Bauen hat die Deneff in einer Faktensammlung zusammengefasst.
"Neubauten müssen bereits jetzt klimaneutral sein"
Zum ITG-Gutachten erklärte Julia Verlinden, Sprecherin für Energiepolitik der Grünen im Bundestag: "Häuser, die heute gebaut werden, werden in der Regel noch weit über das Jahr 2050 hinaus genutzt. Deshalb müssen Neubauten bereits jetzt klimaneutral sein. Doch statt die Vorgaben für Neubauten weiterzuentwickeln und damit aktiven Verbraucherschutz zu betreiben, schreiben Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag Stillstand fest. Die große Koalition sitzt den Scheinargumenten der Immobilienlobby auf und blockiert so eine zukunftsweisende Bau- und Wohnungspolitik."
Zuletzt waren die Flüchtlingskrise 2015 und der steigende Bedarf an Wohnraum Grund für die Bau- und Wohnungswirtschaft gewesen, die Aussetzung der EnEV zu fordern. Bauministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte sich damals aber dagegen gewehrt.
Das Gutachten des ITG reiht sich ein in weitere Arbeiten zur Wirtschaftlichkeit von Energieeffizienzstandards. 2014 hatte eine Studie von Ecofys im Auftrag der Deneff berechnet, dass energieeffizientes Bauen nicht teurer sein muss. Dabei wurden aber alle Einsparungen durch geringere Heizkosten und günstige Kredite der KfW mit eingerechnet.
Wirtschaftlichkeit als Kriterium
Wirtschaftliche Vertretbarkeit ist ein Gebot des Energieeinspargesetzes und der daraus abgeleiteten EnEV. Darauf weist der BINE-Informationsdienst hin, der sich in einer Publikation von 2017 mit dem Thema befasst hat. Die Autoren informieren umfassend über die Rahmenbedingungen von Wirtschaftlichkeit, die unter anderem stark vom Zinssatz abhänge.
Eine Baukostensenkungskommission, die Hendricks 2013 einberufen hatte, kommt in ihrem Abschlussbericht zu dem Ergebnis, "dass sich die EnEV mit ihren gegenwärtigen Bilanzierungsparametern im Grenzbereich der Wirtschaftlichkeit aus betriebswirtschaftlicher Sicht befindet".
Das ITG nimmt eine andere Haltung dazu ein: Umweltschäden und die daraus entstehenden Kosten durch die Nutzung fossiler Energien seien in den ausgewerteten Wirtschaftlichkeitsanalysen nicht erfasst. "Aus volkswirtschaftlicher Sicht sind diese Kosten natürlich trotzdem zu bezahlen." Eine Einpreisung der Umweltschadenskosten würde die Wirtschaftlichkeit verbessern, so das Gutachten. Einen CO2-Preis, der das ermöglichen würde, hat der Koalitionsvertrag von Union und SPD aber faktisch ausgeschlossen. von Susanne Ehlerding