Hemmnisse fallen, Rechtssicherheit für die Branche, deutlich mehr Handlungsspielräume: Die Mitteilungen der Verbände innerhalb der Energiebranche vermitteln hinsichtlich des Urteils Aufbruchstimmung.
Das Urteil, das der EuGH Ende März gefällt hat, sei wegweisend für die Weiterentwicklung der Fördersystematik, hieß es beispielsweise von Seiten des Bundesverbandes Erneuerbare Energien kurz nach der Urteilsverkündung. „Obwohl ein unmittelbarer positiver Schub für die Erneuerbaren Energien durch das Urteil in Deutschland nicht zu erwarten ist, ist der Rahmen für den nationalen Gesetzgeber jetzt wieder breiter“, sagte Simone Peter, Präsidentin Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). Welche Möglichkeiten im Bereich der Erneuerbaren Energien nun genutzt werden, liegt also erst einmal in den Händen der Bundesregierung und des Europäischen Parlaments. „Für Anlagenbetreiber hat das Urteil keine direkten Auswirkungen. Die Rechte und Pflichten der Anlagenbetreiber richten sich allein nach den jeweils einschlägigen Gesetzen, insbesondere dem EEG,“ heißt es in dem Hintergrundpapier „Das EEG 2012 ist keine Beihilfe – was genau bedeutet das EuGH-Urteil?“ das die Stiftung Umweltenergierecht veröffentlicht hat.
Der Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung sieht besonders die „volkswirtschaftlich schädliche Behinderung“ der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) mit dem Urteil aufgehoben. So wurde bislang umweltfreundliche Stromerzeugung aus Eigenanlagen mit der EEG-Umlage belegt, wenn auch meist mit dem reduzierten Satz von 40 Prozent. „Mieterstrom aus Kraft-Wärme-Kopplung dagegen kostet 100 Prozent Umlage, was nicht gerade förderlich für eine klimafreundliche Quartiersversorgung ist“, erklärt Heinz Ullrich Brosziewski, Vizepräsident des Bundesverbands.
Aus Sicht des Verbandes hat die Regierung nun die Möglichkeit, im EEG und im Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz alle Restriktionen ersatzlos zu streichen, die bislang mit dem Beihilferecht begründet wurden. „Die EEG-Umlage auf Eigenstromerzeugung gehört ersatzlos gestrichen, die Objektversorgung aus KWK-Anlagen sollte ebenfalls von der Umlage befreit werden“, sagt Brosziewski. „Dann könnte die KWK sofort einen erheblichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten.“
Diese Technologie sieht Brosziewski als Partner für Photovoltaik und Windenergie, da die Kraft-Wärme-Kopplung dann eingesetzt wird, wenn der Strom aus diesen Quellen nicht ausreicht. Eine Studie, die der Bundesverband KWK vergangenes Jahr vorgestellt hat, unterstreicht die Zukunftsfähigkeit: „In Überschusszeiten kann mit Strom aus Erneuerbaren zum einen Wärme mittels der Power-to-Heat-Komponenten der KWK-Systeme bereitgestellt werden, zum anderen können die Stromüberschüsse mit Power-to-Gas-Technologien genutzt werden, um Brennstoff für die zuvor mit Erdgas betriebenen KWK-Anlagen regenerativ zu erzeugen“, hieß es bei der Präsentation. Nun also bietet das Urteil die Möglichkeit, dass KWK zur Versorgungssicherheit eingesetzt werde, zumal laut Bundesverband die Anlagen innerhalb von Monaten bis maximal zwei Jahren Vorlauf geplant und gebaut werden könnten.
Auswirkungen des Urteils stehen zur Diskussion
Für viele sei die Aussage des Urteils unerwartet gewesen, stellen Markus Kahles und Jana Nysten von der Stiftung Umweltenergierecht in ihrem Aufsatz „Alles auf Anfang? - Die fehlende Beihilfeeigenschaft des EEG“ in der jüngst erschienenen Ausgabe der Zeitschrift für das gesamte Recht der Energiewirtschaft (EnWZ) fest. Sie sehen das Urteil als notwendige Klarstellung an.
„Insgesamt kann der Beihilfecharakter von Finanzierungsmechanismen, die dem Umlagemechanismus des EEG 2012 ähneln und somit ohne Haushaltsbezug zwischen privaten Marktteilnehmern getragen werden, nunmehr zumindest stark bezweifelt werden.“ Diskutiert werde nun, inwieweit sich das Urteil auf das EEG 2017 und das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz auswirken wird.
„Das Urteil zeigt neue Spielräume für die nationalen Gesetzgeber auf. Diese gilt es zu prüfen und aufgrund des erforderlichen Zubaus großer Kapazitäten erneuerbarer Energien zu nutzen. In diesem Zusammenhang ist zu klären, ob im aktuell gültigen EEG Änderungen erforderlich sind, um konform zum EUGH-Urteil zu sein“, sagt auch Simone Peter vom BEE. Sie fordert, dass in der Zwischenzeit verabschiedete EU-Richtlinien und Verordnungen dahingehend überprüft werden, welche Spielräume sie noch zulassen würden.
Eine erste Einschätzung dazu hat die Stiftung Umweltrecht in dem Hintergrundpapier gegeben. In diesem halten die Autoren fest, dass das Urteil auch auf andere Gesetze übertragbar ist, die dem Finanzierungsmechanismus entsprechen, beispielsweise auch auf das EEG 2014 und das EEG 2017. Das EuGH geht in seinem Urteil konkret darauf ein, unter welchen Voraussetzungen keine Beihilfe besteht. "Diese Kriterien können an sich vom konkreten Fall des EEG 2012 abstrahiert und auf andere Sachverhalte übertragen werden." Generell komme es aber auf eine Gesamtbetrachtung an, ergänzen die Autoren.
Ausschreibungen bleiben bestehen
Zu einem der Diskussionspunkte zählen nach dem Urteil die Ausschreibungen. Hier hänge es von der Auslegung und Umsetzung der Vorgaben der Neufassung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (EE-RL) ab. Diese schreibt für Elektrizität aus erneuerbaren Quellen vor, dass sie auf offene, transparente, wettbewerbsfördernde, nichtdiskriminierende und kosteneffiziente Weise gefördert werde. „Die neue EE-RL eröffnet somit theoretisch auch Möglichkeiten für eine Ermittlung der Förderhöhe ohne Ausschreibungen“ solange die genannten Kriterien erfüllt werden, schreiben die Autoren. Hinsichtlich der Marktprämie werde es keine Änderungen geben, da hier die EE-RL greife, mit Ausnahme bei Kleinanlagen und Demonstrationsvorhaben. Dahingegen könnte das Verbot der Förderung bei negativen Preisen gestrichen werden, ebenso die Regelung zur Kumulierung von Investitionsbeihilfen mit Zahlungen nach dem EEG.
Laut Stiftung muss geprüft werden, ob sich das Urteil auch auf das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz übertragen lasse, da die KWK-Umlage der EEG-Umlage ähnlich gestaltet sei. Übertragbar wäre das Urteil auch auf die Netzentgeltbefreiung, die die Kommission ebenfalls als Beihilfe eingestuft hat, mit ähnlicher Argumentation wie beim EEG 2012. Daher sieht es die Stiftung für möglich an, dass Unternehmen, die gegen den Beschluss Klage eingereicht haben, von dem Urteil profitieren könnten. „Allerdings wird auch hier eine Gesamtbetrachtung aller Umstände notwendig sein“, heißt es im Hintergrundpapier.
Wie die Bundesregierung die neu gewonnenen Handlungsspielräume nutzt, wird sich also erst mit der Zeit zeigen. Die Politiker jedenfalls können nun nicht mehr mit dem Beihilferecht argumentieren, wenn es um Reformen geht, somit könnte „der rechtfertigende Verweis auf die vermeintliche oder tatsächliche beihilferechtliche Zwänge im Falle unbeliebter Gesetzesänderungen entfallen“, heißt es im Fazit des Aufsatzes von Kahles und Nysten. Von Anne Leipold