Konzepte der Raumplaner sind spannend auch für andere Städte

IBA Hamburg zeigt ab 23. März ihre Ergebnisse

Der Neubau der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt hat künftig einen Primärenergiebedarf von 70 kWh/m²a. © IBA Hamburg

„Vision 2030“ eines Bereichs östlich der S-Bahn-Station; fast alle Dachflächen haben PV-Module © IBA Hamburg

Einsparpotential und Kosten der energetischen Sanierung der Gebäudehüllen für verschiedene Stadtraumtypen © IBA Hamburg

Für die IBA Hamburg wurde 7 Jahre gewerkelt, am 23. März 2013 ist offizieller Startschuss für die Präsentation der Ergebnisse.

Bei der IBA, der "Internationalen Bauausstellung", wird ein Teil einer deutschen Stadt zum Experimentierfeld für in- und ausländische Planer - und im Idealfall zum Zukunftsmodell auch für andere Städte. Ein Leitthema der IBA Hamburg ist - neben zwei weiteren - "Stadt im Klimawandel". Ab dem 23. März zeigt die Stadtverwaltung Hamburg sieben Monate lang, was sie in den vergangenen sieben Jahren hat erforschen, planen und bauen lassen.

Für diese erste IBA in Hamburg wurde als hauptsächlicher Planungsraum ein Bereich zwischen dem Zentrum der Hansestadt und dem südlichen Vorort Harburg ausgewählt, der auf Flussinseln der Elbe liegt. Den größten Teil davon nimmt die Elbinsel Wilhelmsburg ein.

Zusammen mit der nördlich anschließenden, viel kleineren Veddel und dem kleinen Harburger Binnenhafen im Süden wohnen hier auf einem Areal von etwa 5 mal 7 km rund 57.000 Menschen. Die IBA-Planer rechnen damit, dass es im Jahr 2050 noch einmal gut 20 Prozent mehr sein werden.

Ein Leitthema der IBA Hamburg ist "Stadt im Klimawandel". 19 Projekte sollen Schritte Richtung CO2-neutraler Energieversorgung zeigen. Sieht man sich diese im Einzelnen an, wird schnell klar, dass es nicht exotisch-futuristische technische Wunderwerke sind, die schon jetzt zu 300 Anmeldungen für Fachführungen ab März geführt haben.

Zwei der Bauten haben mit einer Höhe von je rund 40 Metern nicht nur die Funktion, sondern auch das Ausmaß eines Leuchtturms: Ein oberirdischer Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg wird mit einem 2.000­-m³-Wärmespeicher und dem vollen Solar- und Biomasseenergie-Programm, das die Industrie heutzutage bietet, zum Energiebunker hochgerüstet. Ab 2015 soll aus dem Betonklotz ein Stadtgebiet von 120 Hektar mit Wärme und Strom versorgt werden.

Zum "Energieberg" wird ein Mülldeponiehügel, indem nicht nur dessen Deponiegas zu Wärme gemacht, sondern unter anderem auch PV und Windräder darauf installiert werden. Alles Dinge, die man woanders so ähnlich auch schon gesehen hat.

Interessant für andere Städte dürfte deshalb eher sein, dass in Hamburg eine großflächige, energetisch und finanziell durchgerechnete Kombination aus einer Sanierung von Wohngebäuden, der Gewinnung erneuerbarer Energie und der Einrichtung von Wärmenetzen konzipiert wurde. Nicht Ingenieurskunst von der Forschungsfront ist das Bemerkenswerte an der IBA Hamburg, sondern die Planungsmethodik. Die planerische Handschrift ist weniger die des Architekten, es ist die der Raumplaner und Städtebauer.

Um den Gebäudebestand auf einer Fläche von rund 1.190 Hektar mit überschaubarem Aufwand erfassbar zu machen – und weil in Hamburg die Energie-Daten nicht für alle Gebäude vorliegen – hat man in Anlehnung an Dagmar Everdings Methode der "<link fileadmin user_upload bauen_und_sanieren daemmung_fenster_fassade staedte einsparpotential_iba_hamburg.pdf _blank und>Stadtraumtypen" die Bebauung nach der Baujahrepoche des dominierenden Gebäudetyps eingeteilt.

Das Verfahren beruht auf weitgehend einheitlichen wärmetechnischen Eigenschaften aller Bauten eines bestimmten Zeitabschnitts. Für diese Stadtraumtypen wurden die mittlere Geschossflächenzahl, der heutige Wärme- und Strombedarf, das Potenzial zu seiner Verringerung, die dafür nötigen Investitionen und vermiedenen Energiekosten sowie CO2-Emissionen abgeschätzt. Nicht berücksichtigt wurden die (sehr uneinheitlichen) Gewerbe- und Zweckbauten sowie die in Gebäuden und Anlagen steckende "graue Energie". Letztere spielte aber bei der Planung einzelner IBA-Gebäude ein Rolle – zum Beispiel gibt es Projekte mit Holz als Baustoff.

Die Planer haben vier Szenarien durchgerechnet, die sich unter anderem durch die jährliche Gebäudesanierungsrate (3 oder 5 Prozent) und eine mehr oder weniger starke Nutzung von Tiefengeothermie unterscheiden – sowie darin, ob das Kohlekraftwerk Moorburg in Betrieb geht, dessen Fernwärme die IBA-Pläne "stören" würde.

In allen Szenarien gleich ist die Annahme von jährlichen Energiepreissteigerungen um 6 Prozent. Der übers Jahr gerechnete Selbstversorgungsgrad des IBA-Gebiets im Jahr 2050 soll in den beiden von den Planern bevorzugten Nicht-Moorburg-Varianten für Wärme 85 Prozent erreichen. Für Strom seien es 125 beziehungsweise 224 Prozent. Die CO2-Emissionen seien gegenüber 2007 jeweils um 95 Prozent verringert.

Die Modellrechnungen sind in einem über 200 Seiten starken "Energieatlas" beschrieben. Nicht veröffentlicht sind jedoch die Daten des zugrundeliegenden Mengengerüsts, so dass man den Rechengang im Einzelnen nicht nachvollziehen kann.

Nicht nur den theoretischen Ansatz des Planens bei der IBA, sondern auch eine Besonderheit des Sanierungsablaufs werden sich die nach Hamburg pilgernden Fachleute wohl genau ansehen: die "integrierte Planung". Bei diesem bisher nur für öffentliche Gebäude üblichen Verfahren wursteln nicht Handwerker einzeln vor sich hin, sondern feste Teams arbeiten ein durchdachtes Gesamtkonzept ab.

Die IBA-Macher haben dieses Strickmuster, das mittelfristig viel Geld einsparen soll, auf die Sanierung von Wohnhäusern in Wilhelmsburg Mitte übertragen – nach eigenen Angaben mit gutem Erfolg. "Insgesamt wird die IBA Hamburg 2013 insgesamt 1.733 Wohnungen im Bau oder fertiggestellt haben, davon 516 Modernisierungen", sagt Karsten Wessel von der IBA Hamburg GmbH, die von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt für die Bauausstellung gegründet wurde.

Das Gesamtbudget beziffert Wessel mit 90 Millionen Euro. "Zusätzlich hat die IBA Hamburg rund 30 Millionen Euro an weiteren Haushalts- und Programmmitteln der EU, des Bundes und der Freien und Hansestadt akquiriert. Das von der IBA angestoßene private Investitionsvolumen beträgt mehr als 700 Millionen Euro; dazu wurden auch zahlreiche öffentliche Investitionen von insgesamt rund 300 Millionen Euro ausgelöst."

Bei so viel Geldzufluss liegt die Frage nahe, wie sich das Ganze auf die Miete in den sanierten Gebäuden auswirkt. Karsten Wessel verweist auf eine Berechnung der Wohnungsbaugesellschaft SAGA für deren Sanierungsobjekt "Weltquartier". Vor der Sanierung 2009 sei dort die durchschnittliche monatliche Warmmiete 8,29 Euro gewesen, beim Wiedereinzug der Mieter 2010 8,42 Euro. Nur 13 Cent mehr also, denn 53 Cent mehr bei der Nettokaltmiete seien durch 40 Cent weniger Heizkosten fast ausgeglichen worden.

Für das gesamte Modellgebiet hat die IBA im Oktober 2012 ein "Strukturmonitoring" vorgelegt. Mieten in neu gebauten Häusern seien zwar höher als die im Bestand, die in den vorhandenen, sanierten Gebäuden aber bisher ziemlich stabil. Die Argumentation: Das Wohnungsangebot werde durch Neubau gezielt "nach oben" erweitert, "damit nicht alle in die jetzt (...) erschwinglichen Gegenden drängen und sie schick und teuer machen."

Linke Gegner der IBA behaupten das Gegenteil. Mietsteigerungen und Verdrängungsprozesse seien im nördlichen Reiherstiegviertel Realität, so ein anonymer Anti-IBA-Blog. Mietpreissteigerungen seien im Reiherstiegviertel Realität. Sie bezeichnen die Bürgerbeteiligung beim Planungprozess als manipulative Farce. Die Betreiber nahmen das Angebot, gegenüber EnBauSa.de ihre Position darzustellen, jedoch ebenso wenig wahr wie die in anderer Weise teils IBA-skeptische Hamburger FDP. von Alexander Morhart / 117pgl

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