33 Milliarden Euro weniger Energiekosten seien im Jahr 2020 möglich, würden die von der Bundesregierung beschlossenen Energieeffizienzziele erreicht - mit dieser These startete der Dena-Energieeffizienzkongress vom 18. bis 19. September 2012 in Berlin. Dies entspräche 13 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs.
Die Potenziale seien längst nicht ausgeschöpft, sagte Stephan Kohler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur Dena. Wie diese auszuschöpfen wären, darüber wolle man dann in den verschiedenen Fachforen reflektieren. Die Realisierung hänge aber von der Investitionsbereitschaft der Verbraucher und der Festlegung klarer Rahmenbedingungen durch die Politik ab - doch genau diese gibt es eben nicht.
Es besteht Handlungsbedarf, darüber ist man sich einig. Derzeit verbrauchen Deutschlands Unternehmen, Haushalte, sowie öffentliche und private Einrichtungen rund 2.500 Terawattstunden Endenergie und zahlen dafür rund 260 Milliarden Euro, insbesondere für Verkehrsleistungen, Wärme und Stromnutzung. Die einzelnen Elemente des Energiesystems wie Erzeugung, Transport, Speicherung und Verteilung von Energie müssten besser aufeinander abgestimmt, die Energieeffizienz stärker und schneller gesteigert werden - denn sie sei die tragende Säule der Energiewende.
"Nur wenn wir es schaffen, unsere Energiewirtschaft energieeffizient zu organisieren, ist die Energiewende umwelt- und sozialverträglich überhaupt erreichbar", so Kohler weiter. Wären klare Rahmenbedingungen am Markt, würden auch private Haushalte und Unternehmen mehr investieren. Besonders viel Energie könne in Gebäuden und bei Fahrzeugen eingespart werden, so Kohler. Energetische Sanierung sei wirtschaftlich, auch wenn das in einigen Medien immer wieder in Zweifel gezogen werde.
Dass eine wirtschaftliche Gebäudesanierung mit großen Problemen verbunden ist, stellte Axel Kunze, Mitglied des Vorstands der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, anhand des Sanierungsvorhabens der gesamten Bundesliegenschaften vor. Bis zum Jahr 2020 sollen dabei 20 Prozent des aktuellen Energieverbrauchs eingespart werden - eine strategische Herausforderung, die eines komplexen Sanierungsfahrplans bedarf. "Man kann hier nicht mit Einzelmaßnahmen anfangen", sagte Kunze, "man muss die Themen in der Fläche ausrollen.
Doch auch hier fehlt Geld und teilweise Kompetenz - für dieses Vorhaben sei die Unterstützung durch die Bauindustrie notwendig. Bei einem Großteil des riesigen Gebäudebestands handelt es sich um militärische oder halbmilitärische Einrichtungen, die energetisch gesehen in einem oft sehr schlechten Zustand sind. Der strategische Plan ist es nun, sich von der Sanierung der schlechtesten zu den besseren Immobilien schrittweise vorzuarbeiten.
Im Zuge der energetischen Sanierung findet gleichzeitig die notwendige Instandsetzung der Gebäudesubstanz statt. Kunze appellierte an Wirtschaft und Industrie, sich als Partner einzubringen; man müsse sich auch auf die Bauverwaltungen der Länder stützen, da die Landesbauverwaltung die große Aufgabe nicht bewältigen könne; ja, das Ganze sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Ein Contracting wolle man aber nur dann eingehen, wenn es zwingend notwendig werde. Die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens müsse durch die Einsparung der Betriebskosten wieder eingespielt werden, denn Mieter sollen durch die Sanierung finanziell nicht belastet werden. Die genauen energetischen Ziele, Vorgaben und Standards werde man nicht festlegen, zu komplex sei das Vorhaben und die Ziele bis 2050 unklar - die Begrenzung der Maßnahme werde von den vorhandene Kapazitäten abhängig gemacht
Allerdings werde man einen Energiebedarfsausweis erstellen lassen und Energiemanager sollten anschließend ein Controlling übernehmen. Die Verantwortung der Maßnahmen liegt beim Bundesbauministerium, die Dena berät bei der praktischen Umsetzung.
Doch wäre eine Energieeinsparung nicht auch schon ohne Eingriff möglich, indem man die Nutzer der Liegenschaften dazu verpflichte, durch verantwortungsvolles Verhalten den Energieverbrauch zu reduzieren? - so die Frage aus dem Publikum. Etwas polemisch formuliert: Warum sollte der Steuerzahler das Öl für leere, gut beheizte Räume zahlen?
Im Immobiliensektor gelte die Energieeffizienz mittlerweile als Erfolgsfaktor zur Erschließung von Zukunftsmärkten, berichtete Christoph Wildgruber, Head of Sustainability der Allianz Real Estate. Damit verbunden habe der Wert der Nachhaltigkeit in der Immobilienindustrie einen immer höheren Stellenwert. Studien und Umfragen zu diesem Thema zeigten auf, dass ein geringer Energieverbrauch maßgeblich zur Attraktivität einer Immobilie beiträgt; grüne Gebäude werden schneller verkauft oder vermietet, es lassen sich höhere Preise und Mieten erzielen.
Immobilieninvestoren, die im europäischen Markt aktiv sind, müssten die Umweltperformance ihrer Gebäude zum integralen Bestandteil ihrer Managementstrategie machen. Wie aber lässt sich Nachhaltigkeit messen?
Die Allianz macht für ihre eigenen Gebäude keine konkreten Angaben in Zahlen. Das Green Rating erfolgt auf zwei Ebenen: zum einen, was kann das Gebäude leisten, also Haustechnik, Einstellung von Vorlauftemperatur., und zum anderen das Nutzerverhalten. Man könne dabei kein Gebäude mit dem anderen vergleichen, denn gerade bei der Sanierung müssten ganz individuelle Parameter zur Energieeinsparung gefunden werden, auf das jeweilige Gebäude zugeschnitten.
Wichtig sei es, Transparenz zu schaffen, dabei ehrliche Zielsetzungen und Angaben zu machen. Viele in der Presse dargestellte leuchtende Beispiele seien zweifelhaft, weil oft nicht wirtschaftlich, so Wildgruber. Die Zahlen zur Energieeinsparung seien häufig nicht ganz eindeutig dargestellt, um sich die Wirtschaftlichkeit der energetischen Sanierung schönzurechnen.
Das Beispiel Deutsche Bank Türme in Frankfurt könne er bald nicht mehr hören, so Wildgruber, "so viel Geld würden wir nicht investieren, das rechnet sich nicht und ist nicht wirtschaftlich." Die Allianz mache daher eine Nachhaltigkeitsperformance für den Investor sichtbar, noch bevor eine Zertifizierung angestrebt wird.
Die Mieter der energetisch sanierten Immobilie sollten in den Prozess mit einbezogen werden, denn nicht wenig hängt auch vom späteren Nutzerverhalten ab. Hier kam der Vorschlag, zum Beispiel einen Vertrag zwischen Vermieter und Mieter über Effizienzziele ab einer Mietbürofläche von 1.500 Quadratmetern als Selbstverpflichtung einzuführen, um die Mieter stärker einzubinden.
Dass Nachhaltigkeit in der Unternehmensentwicklung eine immer größere Rolle spielt, bestätigte auch Christoph Conrad, Senior Vice President der Siemens Building Automation. Entscheidend sei dabei aber nicht das sture Erreichen von vorgegebenen Effizienzzahlen, sondern ein ausgeglichenes Verhältnis von Ökologie, Ökonomie und sozialen Aspekten - das entscheide darüber, ob Kunden kommen und Mitarbeiter sich im Unternehmen wohl fühlen und somit die Ziele unterstützen: ein positives ökologisches Image am Markt sei heute wichtig, Investition in Nachhaltigkeit und Return of Investment seien eng verbunden.
Ein Teil dieser Aufgabe liege in einem kontinuierlichen Gebäudemanagement. Durch transparente Darstellung des Energieverbrauchs könne das Verhalten der Mitarbeiter sensibilisiert und so ein Mitmacheffekt zum Energiesparen erzielt werden.
Nicht Gesetze, sondern Anreize seien ein entscheidender Faktor für mehr Energieeffizienz, die reine Technik müsse man aus dem Qualitätsmanagement herausnehmen, ergänzte Daniel Rüfenacht, Vice President Corporate Sustainybility der SGS Group Management. Bürogebäude werden schließlich nicht gebaut, um energieeffizient zu sein, sondern dass die Nutzer sich darin wohlfühlen und dann auch eine gute Leistung erzielen.
Bei der Effizienz müsse man Aufwand und Nutzen ganzheitlicher abwägen und nicht nur auf die Einsparung fokussieren. Ein Ziel müsse es immer auch sein, die Arbeits- und Umweltbedingungen zu verbessern.
Als größtem Wohnungsunternehmen in Deutschland kommt auch dem Deutsche Annington Business Management (DAIG) eine entscheidende Rolle bei der energetischen Sanierung des Gebäudebestands in Deutschland zu. Auch hier hat man mit Wirtschaftlichkeitsproblemen zu kämpfen. Denn Modernisierungen seien nur erfolgreich, erläuterte Wolfgang Beck, Vorsitzender der Geschäftsführung, wenn die Bezahlbarkeit für die Mieter und Rentabilität für den Vermieter gleichermaßen berücksichtigt werden.
Die aktuellen Förderstrukturen berücksichtigen jedoch die Finanzkraft der Mieter kaum. Daher bestehe die Gefahr, dass schwächere Mieter und Regionen bei der Energiewende benachteiligt werden. Denn Mieter könnten sich häufig selbst solche Mieten nicht leisten, die für den Vermieter lediglich die Finanzierungskosten decken.
Beck nannte jedoch mögliche Hebel zur Erhöhung der Sanierungsquoten, die bislang nicht genutzt wurden. Ein Ansatz könnte eine Kostenreduktion durch günstigere Sanierungsstandards sein - für energetische Sanierungen sollte die Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent sinken; und die Kapitalverwendung müsste beim Bauen besser priorisiert werden.
Diese Maßnahmen könnten die Sanierung in Schwung bringen, und, so die kühne Rechnung, ein Energiestandard von 2-3 Prozent unter den gesetzlichen Vorgaben würde durch die sich dadurch einstellende Modernisierungsbeschleunigung die Kosten um 15 Prozent senken. Dadurch generierten sich wieder Mehreinnahmen für den Staat und die Mieter müssen sich nicht vor untragbaren Mieterhöhungen fürchten - es wäre also auch noch sozialverträglich.
"Die Kosten müssen runter", forderte Beck, die ewige Verteilerdiskussion bremse nur, dabei sei ein Weiterkommen dringend notwendig. In den nächsten zehn Jahren würde der Heizungstausch ein Riesenthema werden, denn in den Häusern aus den 50er- und 60er-Jahren werde dann der dritte Heizungstausch notwendig - das solle man als Chance begreifen und entsprechende Strategien jetzt entwickeln.
Wichtig sei es, so stimmte Beck mit den anderen Referenten überein, ganzheitliche Konzepte zu erstellen. Sollte sich die Sanierungsrate tatsächlich rapide erhöhen, hätte man allerdings mit einem eklatanten Mangel an qualifizierten Handwerkern zu kämpfen - auch hier müssten jetzt Maßnahmen ergriffen werden, um dieses Problem zu lösen. Die Handwerker hätten ja dann über Jahrzehnte zu tun, so Beck. Es wäre also kein Fehler, jetzt so viele wie möglich auszubilden.
Doch nicht nur der energetische Zustand des Wohnungsbaubestandes in Deutschland ist sanierungsbedürftig; die Energieversorgung der rund 185.000 öffentlichen Gebäude verursacht jährliche Kosten von über 4,1 Milliarden Euro, wie Prognos im Auftrag der dena ermitteln ließ. "Mindestens 300 Millionen Euro davon ließen sich mit konsequentem Einspar-Contracting (ESC) jedes Jahr sparen, bezogen auf den gesamten Gebäudesektor sogar 800 Millionen Euro", berichtete Ullrich Brickmann, Obmann des Arbeitskreises Einspar-Contracting des Verbandes für Wärmelieferung.
Beim Einspar-Contracting legen sich Energiedienstleister auf verbindliche Einsparziele fest, deren Einhaltung garantiert wird. Gebäude und deren technische Anlagen werden ganzheitlich analysiert, bewertet, ein nachhaltiges Modernisierungskonzept entwickelt, finanziert und umgesetzt. Die erforderlichen Investitionen und Dienstleistungen finanzieren sich dabei aus den vertraglich garantierten Einsparungen.
Im Gegensatz zur klassischen Bauleistung wird nicht die erforderliche Investition zum Vertragsgegenstand, sondern ein Garantieversprechen über die Höhe der Energiekosteneinsparung bei definierter Qualität. Somit werden die Einsparungen zu einer messbaren betriebswirtschaftlichen Größe.
Städte und Gemeinden, so Brickmann, könnten so trotz angespannter Haushaltslagen ihren Gebäudebestand energetisch sanieren - allein im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung wären nachweislich Einsparungen von 30 bis 40 Prozent der Jahresenergiekosten über vertraglich abgesicherte Zeitperioden von bis zu 15 Jahren möglich.
Im Forum herrschte schließlich Übereinstimmung, dass die Energiewende ganzheitlich optimiert werden müsse; jedes Vorhaben muss individuell betrachtet und untersucht werden, um die richtige und auch realisierbare Sanierungsstrategie zu finden. Wichtig sei eine ganzheitliche Betrachtung der Maßnahmen, die schon in die Vorplanung mit einbezogen werden muss. Dafür müsse aber noch auch noch massiv an den politischen Stellschrauben gedreht werden.
Apropos Energieeffizienz noch ein letztes Wort: Während viele großräumige Autos mit hohem Benzinverbrauch vorfuhren, fanden die wenigen Besucher, die mit dem energieeffizientesten Fortbewegungsmittel gekommen waren, verzweifelt nach Abstellmöglichkeiten für ihre Fahrräder. Es gab keine. Unter argwöhnischen Blicken wurden die Fahrräder schließlich an den Treppengeländern der Bar-Terrasse des Veranstaltungsortes Hotel Intercontinental abgestellt. von 117Nicole Allé