Seit Jahresbeginn 2009 sind Energieausweise Pflicht für Hausbesitzer. Bei Verkauf oder Vermietung müssen sie vorgelegt werden. Doch bei der Einführung holpert es: Mieterinnen und Mieter kennen ihre Rechte nicht und fragen nicht nach den für sie nützlichen Dokumenten. Ordnungsämter setzen die Pflicht gegenüber den Vermietern nicht durch. Etliche Ausweise enthalten falsche oder ungenügende Angaben.
Der Energieausweis ist zwar ein sinnvolles Dokument, um für Nutzer den Energieverbrauch einer Immobilie transparent zu machen und Verbesserungsmöglichkeiten aufzudecken. Bei der Durchführung hapert es aber.
Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Einer ist, dass es zwei verschiedene Ausweise gibt, den verbrauchsorientierten und den bedarfsorientierten. Diese Vielfalt sorgt für Verwirrung. Nur für den bedarfsorientierten Energieausweis ist eine Berechnung notwendig. Dabei werden die Größe des Gebäudes und sein Zustand berücksichtigt. Der verbrauchsorientierte Energieausweis orientiert sich an Verbrauchszahlen der Bewohner. Das hört sich transparent an, ist es aber in vielen Fällen nicht. Eine der Fallen: Der Verbrauch aller Wohnungen in einem Gebäude wird gemittelt. Standen also in einem Sechsfamilienhaus während der Heizperiode zwei Wohnungen leer, dann reduziert das den Energieverbrauch, der im Ausweis genannt werden muss. Es sagt aber nichts über den Verbrauch derjenigen aus, die dort wohnen.
Die verbrauchsorientierten Energieausweise kann man auch im Internet bestellen. Prüforganisationen fordern, diese Online-Energieausweise zu verbieten. "Im Vergleich zum Online-Energieausweis, den ein Immobilieneigentümer eigenhändig durch das Ausfüllen eines Formulars erstellen kann, ist die Ausstellung eines Energieausweises durch einen öffentlich bestellten und vereidigten sowie qualifizierten Sachverständigen glaubwürdiger", argumentiert etwa die Gesellschaft für technische Überwachung GTÜ. Diese Argumentation ist nicht ganz uneigennützig, denn die GTÜ bietet diese Ausweise an.
Einer allgemeinen Warnung vor Online-Anbietern mag sich die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, die diese Dokumente unter die Lupe genommen hat, jedenfalls nicht anschließen: "Wir sagen nicht generell, dass man sich bei Online-Energieausweisen in Acht nehmen muss. Diese Anbieter müssen aber eine Plausibilitätsprüfung machen, und die findet häufig nicht statt", argumentiert Achim Fischer.
Dass die Plausibilitätsprüfung oft fehlt, belegt ein Test der Verbraucherschützer: "Wir haben bei einem Test im Juni 2008 Ausweise bestellt. Bei den Verbrauchsangaben hatten wir Fehler wie Zahlendreher oder falsche Maßeinheiten eingebaut, die zu unglaubwürdigen Ergebnissen führten. Es gab nur in zwei von 23 Fällen eine Nachfrage", sagt Fischer weiter. Ein Anbieter eines Online-Ausweises habe nur die Brennstoffkosten und nicht den realen Verbrauch abgefragt. Eine Berechnung des Verbrauchs Pi mal Daumen sei aber nicht zulässig, moniert Fischer.
Auf Sorgfalt bei der Ausstellung sollten Mietinteressenten und Vermieter achten. Diese sei nicht immer gegeben, so Fischers Eindruck: "Uns sind keine weiteren Untersuchungen zur Qualität von Energieausweisen bekannt, aber man kann davon ausgehen, dass etliche Ausweise nicht korrekt sind." Zu einem korrekt ausgestellten Ausweis gehört auch eine Modernisierungsempfehlung. Die gibt Mietern und Vermietern Hinweise darauf, wie der energetische Zustand einer Wohnung oder Immobilie verbesert werden kann. Die Energieeinsparverordnung EnEV 2009 nimmt an diesem Punkt auch die Eigentümer in die Pflicht: Sie müssen korrekte Daten vorlegen. Wer Zweifel an der Korrektheit eines Ausweises hat, kann über ein Tool den Energiekennwert grob abschätzen und auf Richtigkeit prüfen.
Ein weiteres Handicap: Mit der Einführung der neuen Energieeinsparverordnung EnEV 2009 haben sich die Bewertungsgrundlagen für Energieausweise geändert. Das begrüßen Experten zwar, weil strengere Kriterien angelegt werden. Gleichzeitig erschwert es aber die Vergleichbarkeit mit alten Ausweisen.
Viele Mieter, so die Erfahrungen der Immobilienverbände, wollen zudem bei der Neuvermietung gar keinen Ausweis sehen. Die Verbände deuten dies als Desinteresse. Fischer hat dagegen eine andere Vermutung: "Viele Mietinteressenten trauen sich bei einer Besichtigung einer Wohnung nicht, nach dem Energieausweis zu fragen." Mit der neuen EU-Gebäuderichtlinie werden die Rechte der potentiellen Mieter an diesem Punkt gestärkt: Sie sollen den Energieausweis nicht nur sehen, sondern auch eine Kopie einfordern können.
Doch nicht nur falsch ausgestellte Energieausweise und fehlende Nachfrage sind ein Problem. Fischer sieht auch Defizite bei der Durchsetzung geltenden Rechts. Verstöße würden zu wenig geahndet, so seine Erfahrung: "Wenn überhaupt, reagieren die Behörden auf die Ordnungswidrigkeit nur mit einem Anschreiben. Bevor also ein Bußgeld verhängt wird, wird auf den Verstoß hingewiesen. Dies mag in der Einführungsphase richtig gewesen sein. Wenn der Energieausweis aber kein Papiertiger bleiben soll, sollten Verstöße zukünftig wirkungsvoller geahndet werden. Wenn man falsch parkt, gibt es ja auch sofort ein Knöllchen, ohne Hinweis." Und die Behörden wüssten teilweise noch nicht einmal, dass sie zuständig seien. Um das herauszufinden, haben die Verbraucherschützer in Nordrhein-Westfalen eine Umfrage gestartet, die zu erschreckenden Ergebnissen geführt hat: "Von 22 befragten Bauaufsichtsbehörden in Nordrhein-Westfalen hat mehr als die Hälfte gesagt, sie seien gar nicht zuständig", sagt Fischer. pgl