Projekt präsentiert erfolgreiche Praxisbeispiele auf E-World

Effin zeigt wie sich Gebäudesanierung rechnet

Steffen Frischat (links) und Nicole Röttmer zeigen auf, wie sich Barrieren bei der Gebäudesanierung überwinden lassen. © Sponholz

Wie sich Barrieren bei der energetischen Gebäudesanierung minimieren lassen hat das Projekt Effin gezeigt, Projekte wurden auf der E-World vorgestellt.

Die Energiewendeziele der Bundesregierung sind ambitioniert: Der Wärmebedarf des Gebäudebestandes soll bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent sinken, der Primärenergiebedarf bis 2050 um 80 Prozent. Und die Voraussetzungen dafür seien eigentlich gut, meint Nicole Röttmer von der "The Co-Firm", einer Strategieberatung im Bereich Energie und CO2. Es gebe Finanzierungsmöglichkeiten, genügend Anbieter am Energieeffizienzmarkt, integrierende Dienstleister, Contracting-Modelle und auch die richtige Technologie. Und doch: "Wenn es solch einen bombastischen Markt gibt da draußen", so Röttmer mit Blick auf ein zusätzliches Marktpotenzial von rund 66 Milliarden Euro pro Jahr, "warum wird der nicht so adressiert? Warum kommen wir nicht weiter? Woran hängt es eigentlich?"

Erste Antworten auf diese Fragen, wo die Barrieren sein könnten, brachte ein zweijähriger Dialogprozess des Finanzforums Energieeffizienz in Gebäuden (effin) mit Unternehmen der Finanz- und Immobilienwirtschaft und der Effizienzbranche. Und auch schon konkrete Ergebnisse: Unter dem Motto "Durchstarten mit energetischer Gebäudesanierung" präsentierte effin zwei Projekte bei der Energiefachmesse E-world 2015 in Essen.

Sanierung ohne Mehrkosten für Mieter

Dass es möglich ist, Wohngebäude ohne Mehrkosten für die Mieter energetisch zu sanieren, zeigt etwa das Gemeinschaftsprojekt des Energieversorgers Entega mit seinem Schwesterunternehmen, der Bauverein AG Darmstadt. Der Ausgangspunkt - und Glücksfall auf der Suche nach einem Modellprojekt - war die Tatsache, dass der Bauverein knapp 80 Liegenschaften von der Stadt gekauft hatte, die zum Teil unter Denkmalschutz standen und einen spürbaren Sanierungsstau besaßen. "Die waren sozusagen aus dem Leben gegriffen", sagte Entega-Geschäftsführer Steffen Frischat.

Doch wie lässt sich eine Sanierung von solch einem Portfolio wirtschaftlich, technisch und rechtlich bewerten? Dazu erarbeiteten Entega und Bauverein gemeinsam einen dreistufigen Prozess: Angefangen von einer Analyse und Strukturierung des Portfolios über die Entwicklung eines einfachen Tools für die Bewertung der Wirtschaftlichkeit bis hin zu einer Wirtschaftlichkeitsbewertung und Entwicklung eines langfristigen Sanierungsfahrplans. Und das Ergebnis fiel positiv aus: Ungefähr zwei Drittel der Liegenschaften könnte man wirtschaftlich gemäß EnEV 2014 sanieren. Ginge man auf das anspruchsvollere Niveau des Effizienzhausstandards KfW 55, könnte man immer noch 50 Prozent erreichen.

Warmmiete sollte Bezugsgröße werden

Dafür dass tatsächlich hohe Teile des Portfolios wirtschaftlich sanierbar seien müsse man die die Einsparung an den Wärmebezugskosten auf die Kaltmiete umlegen können, betonte Frischat. Da müsse auch die Stadt zustimmen, denn die Bauverein AG ist ein Tochterunternehmen der Stadt. Man sei dabei, die Erfahrungen auf den gesamten Bestand auszuweiten - "da reden wir dann über 1000 Liegenschaften", so Frischat weiter. Doch unabhängig davon, was diese Untersuchung ergibt, konnte er bereits eine erste Bilanz ziehen: "Wir haben Demut gelernt."

Denn aus Sicht des Energieversorgers sage man ganz schnell, was aus technischer Sicht alles möglich sei. "Doch da kommen noch ganz andere Sachen dazu - zum Beispiel Finanzierungsfragen, mietrechtliche Fragen, Fragen der Akzeptanz der Mieter und deren Gedanken und Sorgen - das sind Themen, die müssen Sie als Wohnungsbauunternehmen sehr sehr aktiv managen." Und auch als Energieversorger denke man in diesem Bereich um: "Wir müssen lernen, in solchen Kooperationen mit den Wohnungswirtschaftsunternehmen zu arbeiten, wir müssen uns besser auskennen, was man verrechnen kann und was in welchen Zeiträumen möglich ist - und wir müssen lernen, die Sprache der Wohnungswirtschaft zu sprechen."

Dass man durch eine neue Zusammenarbeit nicht nur miteinander lernen, sondern auch voneinander profitieren kann, stellten die LBS Westdeutsche Landesbausparkasse und das Kölner Energieberatungsunternehmen "energetrium AG" in ihrem Projekt der effin fest. Beide haben sich zwar eine "ganzheitliche Kundenberatung" auf die Fahnen geschrieben, doch dazu fehlte jeder Seite etwas: "Wir haben eine Lücke bei uns im Bereich energetische Modernisierung festgestellt - und das in einem solchen Mega-Thema, das kann nicht sein, dachten wir uns", sagte Carsten Lessmann von der LBS. Und energetrium-Geschäftsführer Ferenc Ellermann erläuterte: "Wir wollen dem Hauseigentümer eine Lösung geben, bei der er von Anfang bis Ende begleitet und vor allem die Sicherheit an Umsetzungsmaßnahmen gewährleistet wird. Unsere Lücke ist auf der anderen Seite: Wir haben nicht den Kundenzugang wie die LBS, die schon Vertrauen genießt."

Wie beide Partner ihre Stärken kombinieren können, entwickelten sie in einem vierstufigen Projekt: Dazu zählt, den Markt neu zu segmentieren, Kundenprofile zu erstellen - nicht nach Alter und Geschlecht, sondern nach Bau-Altersklassen in den Bezirken vor Ort - Möglichkeiten zu finden, mit potenziellen Kunden in Kontakt zu treten und einen Leitfaden für gemeinsame Gespräche zu erarbeiten. Und auch hier wird der Aspekt Vertrauen besonders groß geschrieben: "Wir rechnen nichts schön. Wir zeigen dem Kunden konkret auf, was sich rechnet oder nicht", so Ferenc Ellermann.

"Effizienz wird sexy"

Im Endeffekt komme jedoch immer etwas Sinnvolles dabei heraus. "Denn jedes Haus lebt. Und entweder, es rechnet sich, jetzt umfassend Maßnahmen durchzuführen - oder aber, man rät dem Kunden dazu, dass die Sanierung in Schritten passieren sollte. Und zeigt ihm dann einen klassischen Sanierungsfahrplan auf." Das Fazit für Nicole Röttmer war nach der Vorstellung dieser beiden effin-Projekte jedenfalls eindeutig: "Energieeffizienz bietet Geschäftschancen, auch für Finanzierer." Denn: "Energieeffizienz wird bankable, Energieffizienz wird sexy, Energieeffizienzpotenziale werden transparent."

Die Initiative effin - getragen unter anderem von der Umweltorganisation WWF Deutschland und der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. - sei nicht nur angetreten, um markttaugliche Lösungen zu entwickeln, "sondern um in das große Meer der Energieeffizienz ein kleines Schiffchen zu setzen und zu hoffen, dass neben uns noch mehr Schiffchen entstehen." Deshalb sind alle Ergebnisse, Leitfäden und Open-Source-Tools der beiden Projekte, die bei der Energiefachmesse E-world in Essen vorgestellt wurden, aber auch weitere Praxisprojekte und Datenbanken unter www.effin.info nachzulesen.

"Wir möchten, dass die Dinge, die wir in den letzten zwei Jahren gelernt haben, auch anderen, die innovative Projekte planen, zugute kommen", bilanzierte Röttmer. "Wir wollen, dass die Leute bei uns abschreiben, Ideen übernehmen und weiter in den Markt bringen." Und nicht zuletzt damit wohl auch einen kleinen Beitrag leisten auf dem Weg, die großen Ziele der Energiewende zu erreichen. von Katja Sponholz / pgl

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