Im Forschungsprojekt "Next Evolution in Sustainable Building Technologies" (NEST) wurde die recycelbare Dreizimmerwohnung jetzt feierlich eröffnet. Fortan wird sie zwei Studierenden ein Zuhause bieten. Gleichzeitig soll sie als belebtes Labor dazu dienen, den Wandel der Bauindustrie in Richtung Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Die Erbauer bezeichnen sie als Einheit für "Urban Mining & Recycling" (Umar).
"Das nach wie vor anhaltende Wachstum der Weltbevölkerung sowie zur Neige gehende Ressourcen erfordern dringend ein Umdenken im Bauwesen. Wir müssen künftig mit sehr viel weniger Materialien für sehr viel mehr Menschen bauen", sagt Werner Sobek, Leiter des Instituts für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren der Universität Stuttgart und Gründer der gleichnamigen Unternehmensgruppe. Er hat das Konzept mit Dirk Hebel und Felix Heisel vom Fachgebiet Nachhaltiges Bauen am KIT Karlsruhe entwickelt.
In der Wohneinheit werden unter anderem neuartige Dämmplatten aus Pilzmyzel, innovative Recyclingsteine, wiederverwertete Isolationsmaterialien sowie geleaste Teppichböden verwendet. Das Tragwerk und große Teile der Fassade bestehen aus unbehandeltem Holz. "Hier liegt die Innovation in den Verbindungen", erklärt Felix Heisel. "Sämtliche Verbindungen können einfach rückgängig gemacht werden, weil die Materialien beispielsweise nicht verklebt, sondern gesteckt, verschränkt oder verschraubt sind."
Das eingesetzte Holz wird zudem so verwendet, dass eine sonst übliche chemische Behandlung nicht nötig ist und damit die sortenreine Wiederverwertung oder eine rein biologische Kompostierung möglich wird. Zusätzlich zum Holz besteht die Einfassung der Fassade aus wiederverwendeten Kupferplatten, die zuvor das Dach eines Hotels in Österreich deckten, bzw. aus Platten, die aus eingeschmolzenem, wiederverwertetem Kupfer gefertigt wurden.
Die komplette Einheit wurde im Werk vorfabriziert und innerhalb eines Tages ins Forschungsgebäude auf dem Empa-Campus in Dübendorf eingebaut. In Kürze werden zwei Studierende in die Dreizimmerwohnung einziehen und sich mit den Forschern regelmäßig über ihre Alltagserfahrungen austauschen. "Mit der Umsetzung und der Demonstration des konsequenten Kreislaufkonzepts in einem realen und bewohnten Bauprojekt, erhoffen wir uns natürlich, das wir ein Umdenken im Bauwesen anstoßen können", sagt Enrico Marchesi, Innovation Manager im NEST. "In Zukunft sollen Gebäude nicht nur Wohn- und Arbeitsraum bieten, sondern gleichzeitig auch als Materiallager für die nächste Generation dienen."
Im Bau- und Energiebereich sei es schwierig, neue Technologien und Produkte schnell auf den Markt zu bringen, teilt die Empa mit. Es gebe oft eine große Lücke zwischen Technologien, die im Labor funktionieren, und dem Markt, der zuverlässige, ausgereifte Produkte verlangt. NEST beschleunige den Innovationsprozess, indem es eine Plattform biete, auf der Neues unter realen Bedingungen validiert, verbessert und demonstriert werden kann.
Das modulare Forschungs- und Innovationsgebäude von Empa und der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung Eawag besteht aus einem zentralen Rückgrat – dem "Backbone" – und drei offenen Plattformen, auf denen einzelne Forschungs- und Innovationsmodule nach einem "Plug-&-Play"-Prinzip installiert werden. In diesen Units wird gearbeitet und gewohnt – und gleichzeitig sind sie belebte Versuchslabors. Zuletzt hatte die Empa ein solares Fitnessstudio installiert.
Im NEST arbeiten nationale und internationale Forscherteams aus Universitäten und Fachhochschulen, Architekturbüros und innovative Firmen aus der Baubranche zusammen. Quelle: Empa / sue