Europa hat sich im Jahr 2007 zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 rund 20 Prozent Energie gemessen am Primärenergieverbrauch einzusparen. Das ist auch ein zentraler Bestandteil der deutschen Energiewende - doch ohne weitere konkrete Maßnahmen wird dieses Ziel nicht zu erreichen sein, kritisierte der CDU-Abgeordnete Peter Liese, Berichterstatter des Umweltausschusses im Europäischen Parlament auf einer Fachtagung zur EU-Effizienzrichtlinie in Berlin über Effizienzmaßnahmen im Rahmen der Energiewende.
Energiekommissar Günther Oettinger hatte im Juni dieses Jahres einen Richtlinienvorschlag vorgelegt, der konkrete Maßnahmen im Bereich der Effizienz einführen soll. Der Vorschlag richtet sich an die Energieversorger und an die öffentliche Hand, dabei durch Vorgaben für die öffentliche Beschaffung und eine Sanierungsrate für öffentliche Gebäude. "Deutschland sollte sein erst im Juli beschlossenes Energiekonzept ernst nehmen und deshalb in Europa für eine ambitionierte Politik zu Energieeffizienz eintreten", so Liese weiter.
Dabei wurde im Juli beschlossen, dass auch Deutschland bis zum Jahr 2020 die 20 Prozent Energieeinsparung erreicht. Die Basis der Berechnung ist dabei der absolute Energieverbrauch von 2008. Doch es gibt bislang keine eindeutige Position der Bundesregierung, Umwelt- und Wirtschaftsministerium ziehen in dieser Frage nicht an einem Strang.
Das Wirtschaftsministerium attackiert den Richtlinienvorschlag von Kommissar Oettinger, der ein entsprechendes Ziel für Europa vorschlägt. Teile der Bundesregierung bremsten hier, so Liese, anstatt konstruktiv mitzuarbeiten. Dadurch werde das gerade beschlossene Energiekonzept weiter in Frage gestellt. "Dabei ist die Steigerung der Energieeffizienz der eindeutig kostengünstigste Anteil der Energiewende", ist Liese überzeugt.
Selbstverständlich sei parallel auch der Ausbau der Erneuerbaren Energien erforderlich. Mit einem eingesetzten Euro könne man aber durch Energieeffizienzmaßnahmen mindestens doppelt so viel erreichen wie durch den Ausbau der Erneuerbaren - manchmal sogar zehn Mal so viel, denn die Investitionen amortisierten sich in weniger als neun Jahren. Zudem könne Energieeffizienz den notwendigen Ausbau der Netze, den Bau von Reserve- und Speicherkraftwerken reduzieren. "Teile der deutschen Industrie haben das verstanden, andere sitzen aber in Bremserhäuschen", warnt Liese.
Problematisch sei, dass die Vorschläge dahin optimiert werden, dass mehr von Anreizen und weniger von Verpflichtung gesprochen wird. Das Kernstück des Kommissionsvorschlags, die so genannten Energieeinsparverpflichtungen in Artikel 6, bringen zwar eine Verpflichtung für die Energieversorger wie RWE und E.ON mit sich, für die meisten Unternehmen und für die Verbraucher brächten sie aber Anreiz.
Das System, das in acht europäischen Staaten funktioniert, bedeutet, dass Energieversorgern Zertifikate dafür erteilt werden, dass sie Energieeinsparungen generieren. Eines der großen Probleme der Förderung: Sie ist nicht kontinuierlich, es fehlt die Planungssicherheit. Das gilt im Bereich der Industrie als auch im Gebäudebereich. Nur ein paar KfW-Kredite zur Gebäudesanierung können keine Energieeffizienz-Wende bewirken.
Ein Fehler sei es, die Effizienzdiskussion isoliert zu sehen, so Holger Krawinkel, Leiter des Fachbereichs Bauen Energie Umwelt der Verbraucherzentrale Bundesverband. Vieles werde über Gutachter geklärt, anstatt integrierte Planung und Systeme voranzutreiben. Gerade im Wärmebereich könnten viel mehr Synergien zur Effizienzsteigerung genutzt werden, wie etwa verbesserte Speicher- und weiterführende Nutzungsmöglichkeiten von überschüssiger Wärme. Was fehlt, wäre eine politische Institution, die sich mit solchen fachlichen Fragen beschäftigt.
Auch die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff) wünscht sich deutliche Unterstützung durch die deutsche Bundesregierung. "Wir können es uns gar nicht leisten, als jetzt in Deutschland und Europa mit den Energiesparzielen ernst zu machen. Für ein Zurückweichen und weiter ausbleibendes, entschlossenes Handeln zahlen Wirtschaft und Verbraucher jahrzehntelang weiter die Zeche - in Form von unnötigen Kosten für immer weitere Netze und wesentlich teurere Energieimporte", so deren geschäftsführender Vorstand Christian Noll.
Ein knappes Jahr nach Verabschiedung des deutschen Energiekonzepts würden kaum politische Absichten zur Einsparung von Energie umgesetzt, bemängelt die Deneff. Eine vorstellbare Maßnahme könne etwa die Schaffung einer zuverlässigen, von öffentlichen Haushaltsmitteln unabhängigen Finanzierung für Effizienzmaßnahmen sein. In über 50 Staaten und Regionen weltweit existierten teilweise seit mehr als 20 Jahren Effizienz-Anreizsysteme. Noll kritisierte heftig, dass Politikvorschlägen für mehr Effizienz häufig eine "Bürgergängelung" unterstellt werde - so werde eher die Zurücknahme der Vorgaben gefordert anstatt konstruktive Verbesserungsvorschläge einzubringen.
Nach Berechnungen der Europäischen Kommission könnten durch direkte und indirekte Wirkungen der Steigerung der Energieeffizienz rund eine Million neue Jobs in Europa geschaffen werden - davon profitierten vor allem kleine und mittlere Unternehmen. Zudem verringere Energieeffizienz die Anhängigkeit von Energieimporten. Rund drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden jährlich für Öl- und Gasimporte ausgegeben. Man müsse den Gedanken der Systemkosten deutlich machen, so Liese abschließend. Ein sinnvolles Instrument zur Förderung der Energieeffizienzmaßnahmen wäre etwa die Befreiung von der Ökosteuer bei einem freiwilligen Energiemanagement der Unternehmen und Betriebe.
Diese Woche wird das Thema auch den Bundestag beschäftigen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat dazu einen umfangreichen Antrag vorgelegt.
von Nicole Allee