BIM ist weit mehr als ein digitales Gebäudemodell, machte Professor Michael Korn von der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft gleich zu Beginn deutlich. Neben neuen Prozessen wie einem BIM-Abwicklungsplan und Informationslieferplänen, Richtlinien wie der VDI-Richtline 2552 und dem BIM-Stufenplan, Techniken wie Augmented Reality und dem Datenaustauschformat IFC gehörten dazu vor allem auch die Menschen, so der Wissenschaftler. Neben Objekt- und Fachplanern brauche es zunehmend BIM-Manager und BIM-Koordinatoren mit dem entsprechenden Fachwissen.
Daher bietet das Institut für Wissenschaftliche Weiterbildung der Hochschule Karlsruhe ab Oktober 2017 in Kooperation mit dem Softwareanbieter Allplan und dem Bauunternehmen Vollack eine Weiterbildung in 10 Seminartagen zum BIM-Professional an. Zulassungsvoraussetzung ist ein Bachelor-Abschluss.
BIM steht erst am Anfang
Einig waren sich die Referenten darin, dass die Baubranche erst am Anfang eines langen Weges steht. Eines Weges allerdings, der gegangen werden muss – zu groß sind die Vorteile, die man sonst ungenutzt lassen würde. Beispielsweise verbessert BIM die Zusammenarbeit der Projektbeteiligten und die Effektivität der Planung. "Regelmäßige Jour-fix-Termine wurden abgesagt. Es fanden nur noch Termine statt, wenn sie wirklich nötig waren", berichtete Thomas Kirmayr vom Fraunhofer Institut für Bauphysik über die Erfahrungen bei zwei BIM-Referenzprojekten im Rahmen des Förderprojekts BIMiD (BIM-Referenzobjekt in Deutschland). Ein weiterer wichtiger Vorteil liegt in der schnellen Bewertung der Kosten, die durch Planänderungen entstehen.
Und schließlich lassen sich durch BIM Konflikte zwischen Fachplanern und Planungsfehler vermeiden. Laut BauInfoConsult sind 2015 schätzungsweise 14,5 Milliarden Euro Kosten durch Fehler am Bau entstanden. "Durch die disziplinübergreifende Zusammenführung aller relevanten Daten in einem digitalen Modell können wir Fehler in der Entwurfsphase mit der Maus erkennen und beheben. Das ist deutlich billiger als später mit dem Presslufthammer", machte Heinz-Michael Ruhland von Allplan den Mehrwert von BIM deutlich. Freilich stehen den Kosteneinsparungen in der Ausführungs- und Betriebsphase erhöhte Kosten in der Planungsphase gegenüber, gilt es doch, entsprechende Planungstools zu implementieren und Bauteilinformationen anzulegen.
Voraussetzung für ein disziplinübergeifendes Modell ist, dass die verschiedenen Planungstools der Fachplaner eine gemeinsame Sprache sprechen. Am ehesten ist das gewährleistet, wenn alle Werkzeuge aus einem Softwarehaus kommen. Doch zum einen deckt derzeit kaum ein Softwareanbieter die gesamte Palette der Planungsdisziplinen von der Strukturplanung über die Statik bis zur technischen Gebäudeausrüstung ab. Zum anderen ist es einem Planer nicht zuzumuten und auch nicht effektiv, für jedes Projekt je nach Vorgaben des Generalunternehmers eine neues Tool anzuschaffen. Ziel ist daher der sogenannte Open-BIM-Ansatz, der es jeder Disziplin erlaubt, mit der Software ihrer Wahl zu arbeiten. Die Kommunikation erfolgt im Idealfall über das gemeinsame Datenaustauschformat IFC. Die Industry Foundation Classes sind ein offener Dateistandard zur Beschreibung von Gebäudemodellen.
IFC-Dateien sind oft fehlerhaft
Dass die Arbeit mit diesen Dateien in der Praxis alles andere als rund läuft, machte Lutz Friederichs deutlich. Der Ingenieur hat sich auf die energetische Bewertung von Gebäuden spezialisiert. Er bietet neben den klassichen EnEV- und EEWärmeG-Nachweisen auch die Erstellung von 3D-Gebäudemodellen, Lüftungskonzepten und Sanierungsfahrplänen sowie thermische Raum-/Gebäudesimulationen als Nachweis zum sommerlichen Wärmeschutz und zur Energiebedarfsberechnung an. "In der Regel strotzen die IFC-Dateien, die ich angeliefert bekomme, nur so vor Fehlern. Vor der Weiterverarbeitung in der EnEV-Software müssen sie daher unbedingt geprüft werden", berichtete er aus seiner Praxis. Nicht wenige Kollegen würden sich dann dafür entscheiden, doch selbst ein komplett neues Modell zu zeichnen.
Oft seien die übergebenen Dateien unvollständig, "Stützen beispielsweise gibt es in der EnEV nicht, sie werden in der Software einfach ausgeblendet", so Friederichs. In der Folge kann die Software die Räume nicht abbilden, die für die Bildung von Bilanzzonen in Nichtwohngebäuden wichtig sind. Wenn die Datenübergabe funktioniert, bedeutet BIM Friederichs zufolge jedoch auch für den Energieberater eine deutliche Arbeitserleichterung und bietet auch Mehrwerte. So sind ohne großen Aufwand Simulationen der sich einstellenden Raumtemperaturen oder die Berechnung von Heiz- und Kühllasten möglich. "Wir müssen die Schnittstellen besser in den Griff bekommen und klären, wie modelliert werden muss, damit mit den Daten gerechnet werden kann", appelliert Friederichs. Er ist sich sicher, dass die Gebäudemodellierung eine berufliche Spezialisierung erfordern wird.
Fraunhofer-Mann Kirmayr blickte über die heutigen Anwendungsprobleme hinaus bereits in die Zukunft: Es gelte, die Methoden aus anderen Industrien auf das Bauen zu übertragen, um Prozesse zu beschleunigen. Ziel könnte etwa ein digitaler Zwilling des Gebäudes sein, bei dem Änderungen am Modell automatisch Änderungsprozesse über alle Disziplinen hinweg anstoßen. Als nächsten Schritt sieht Kirmayr jedoch erst einmal die Einbindung virtueller Techniken in die Planungsprozesse. "Nur die Planung allein beschleunigen reicht nicht, denn dabei bleibt der Bauherr außen vor. Was nützt es, wenn wir schneller planen, der Bauherr aber erst entscheidet, wenn der Bau so weit fortgeschritten ist, dass die Folgen seiner Entscheidung für ihn nachvollziehbar sind", so der Wissenschaftler. Wird das Bauwerk dagegen virtuell erlebbar, wird der Bauherr in die Lage versetzt, frühzeitig Entscheidungen zu treffen. von Silke Thole