Eine höhere Sanierungsquote als 1,6 Prozent ergibt nicht viel Sinn

Beim energetischen Sanieren zählt Klasse mehr als Masse

Burkhard Schulze Darup (rechts) fordert gründliche Sanierung. © A. Morhart

Sanierungs-Altmeister Burkhard Schulze Darup hat diejenigen bestätigt, die den Ruf nach einer hohen Sanierungsquote schon lange mit einer Portion Skepsis vernehmen. Die Quote ist schwer bestimmbar, noch schwerer zu steigern – und letztlich sei die Sanierungstiefe entscheidend.

Schulze Darup, 64, promovierter Architekt mit über 30 Jahren Erfahrung in der energetischen Sanierung, sprach in Berlin auf Einladung der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Schon beim Bestimmen der aktuellen Sanierungsquote, also welcher Anteil der Gebäude pro Jahr umfangreich energetisch saniert wird, kämen verschiedene Institute zu unterschiedlichen Ergebnissen. Meist würden Werte zwischen 0,8 und 1,1 Prozent herum genannt; er selbst vermutet eher eine höhere Quote von etwa 1,2 Prozent, wenn man Teilsanierungen gewichtet anrechnet.

Sanierungsquote von mehr als 1,6 Prozent nicht sinnvoll

Schulze Darup: „Sehr viel mehr als eine Sanierungsquote von 1,6 Prozent werden wir kaum erzielen können.“ Mehr sei auch gar nicht sinnvoll: „Eigentlich ist es nicht nachhaltig, alle 30 Jahre zu sanieren oder öfter, sondern eigentlich sollte es erst fällig sein, wenn eine Wand, ein Fenster 60 Jahre alt ist.“

Sogar ein Steigern auf die 1,6 Prozent wäre eine Kraftanstrengung. Schulze Darup berichtete, er habe in Neumarkt in der Oberpfalz, „einer extrem reichen Kommune“, ein Förderprogramm aufgesetzt. „Die haben gesagt, wir wollen nochmal richtig einen drauflegen, nämlich zur vorhandenen Förderung das Doppelte drauf. Und trotzdem ist die Sanierungsquote nicht deutlich gestiegen. Es ist einfach so, dass da eine verständliche Trägheit da ist.“ Damit bezog sich der Architekt zum Beispiel auf Hausbesitzer jenseits der 60, die in einer Sanierung für sich persönlich keinen Sinn mehr sähen.

Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, dass das oft gehörte Schlagwort „Verdopplung der Sanierungsquote“ nicht etwa fachlichen Überlegungen entstammt. Vielmehr – die Quelle für diesen Hintergrund ist nicht Burkhard Schulze Darup, sondern jemand aus dem Bundesumweltministerium, der nicht genannt werden will – war diese Idee ein Schnellschuss aus dem politischen Bereich, wo man unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe von Fukushima kurzfristig einige Maßnahmen präsentieren wollte.

KfW-55-Standard bringt den Sprung

Mit einer schematischen Abschätzung des Heizenergiebedarfs bis zum Jahr 2050 zeigte der Architekt die Wirkung lediglich einer höheren Sanierungsquote einerseits und einer zusätzlich größeren Sanierungstiefe andererseits gegenüber einem „Weiter-so-Szenario“. Würde man weiterhin bei einer Sanierungsquote von etwa 1,2 Prozent bleiben, so würde sich der Heizenergiebedarf bis 2050 um 32 Prozent verringern. Eine Sanierungsquote von 1,6 Prozent brächte 38,9 Prozent Verringerung des Heizenergiebedarfs. Den entscheidenden Sprung auf 49,8 Prozent Verringerung könnte man erreichen, wenn man ab dem Jahr 2021 mit der 1,6-Prozent-Quote auf mindestens den KfW-55-Standard sanieren und Neubauten nur noch mit KfW-40-Plus-Standard zulassen würde.

Schulze Darup zog angesichts dieser Zahlen den Schluss, „dass wir, wenn wir sanieren, eine sehr große Sanierungstiefe machen müssen.“ Die sanierten Bauteile sollten ja 60 Jahre lang nicht mehr angefasst werden müssen. Nach seiner Darstellung wären die Kosten für einen in diesem Sinne angemessenen Standard durchaus vertretbar: „Zwischen dem, wie es üblicherweise saniert wird und dem, was wir eigentlich erreichen müssten, liegen so 100 Euro pro Quadratmeter.“

Genauer gesagt: Die Mehrkosten pro Quadratmeter gegenüber einem normalen EnEV-Standard, wenn man im Neubau Passivhausstandard oder im Sanierungsbereich KfW 55 erreichen will, lägen bei eben diesen 100 Euro – „wenn man es kann.“ Noch nicht alle Planer könnten es. „Es gibt welche, die sagen: unmöglich, das kostet 300, 400 Euro. Die müssen üben.“

PV plus kleine Wärmepumpe in Kombination

Aber auch für ein bereits komplett gedämmtes Haus mit Lüftung und Wärmerückgewinnung hat Schulze Darup Ideen. Sein derzeitiges „Lieblingsprojekt“ bestehe aus einer Photovoltaikanlage plus einer kleinen Wärmepumpe, die „nur ein Viertel, ein Fünftel der Leistung hat, die das Gebäude braucht; aber die läuft das ganze Jahr durch.“ Im Sommer erledige sie die Warmwasserbereitung. So könne die Anlage 40 bis 60 Prozent der Wärme bereitstellen – „und das möglichst weitestgehend über PV.“ So könne man „mit einer wirklich sehr einfachen technischen Sache 30, 40, 50, 60 Prozent“ einsparen.

Barbara Metz der Deutschen Umwelthilfe sprach sich für „verpflichtende individuelle Sanierungsfahrpläne bei Neukauf und Vermietung von Bestandsgebäuden“ aus. Von den Kosten – Metz nannte für ein Einfamilienhaus maximal 800 Euro, für größere Gebäude maximal 1300 Euro – übernehme das BAFA gegenwärtig 60 Prozent der Kosten. Diese staatliche Förderung solle „noch stärker“ werden; eine Zahl nannte Metz nicht, nannte aber beispielhaft vier niedriginvestive Sanierungsmaßnahmen, die Teil eines Sanierungsfahrplans sein können: die Dämmung der obersten Geschossdecke; eine Einblasdämmung bei zweischaligem Mauerwerk; den hydraulischen Abgleich und einen Austausch der Heizungspumpe.

Für die vier Maßnahmen nannte sie Amortisationszeiten von zweieinhalb bis neun Jahren – die Förderung eingerechnet und bei gleich bleibenden Brennstoffpreisen. Bei begehbaren Geschossdecken könnten es auch bis zu 15 Jahre sein. von Alexander Morhart

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