Verband drängt auf den Austausch ineffizienter Heizungen

BDH legt Zukunftsmemorandum vor

Michael Jung, Wolfgang Lemb (Vorstand der IG Metall), Andreas Lücke (Hauptgeschäftsführer des BDH) (v. l.) stellen das Memorandum vor. © Morhart

Die neue Regierung soll mit mehr und vereinfachter Förderung eine Wärmewende in zwei Stufen vorantreiben und so die Beschäftigung in der Heizungsindustrie sichern. Ungefähr so ließe sich ein vom Heizungsindustrieverband BDH und der IG Metall in Berlin vorgestelltes "Zukunftsmemorandum" zusammenfassen.

"Ein einzigartiges Dokument" nannte Andreas Lücke das Memorandum. Lücke ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie (BDH). Er stellte bei einem Pressegespräch das dreieinhalbseitige Papier zusammen mit zwei Vorstandsmitgliedern der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall), Michael Jung und Wolfgang Lemb, im Berliner Büro der Gewerkschaft vor. "Sie werden es nicht glauben: Schon seit zehn Jahren arbeiten wir eng zusammen", sagte Lücke. Bei den Interessen gebe es Schnittmengen. Lücke vertrat zugleich den nicht erschienenen BDH-Präsidenten Manfred Greis. Breiten Raum nahmen auch Lückes Ausführungen zu Nachfragen der anwesenden Journalisten ein, die sich auf ein wenige Tage zuvor erschienenes Kurzgutachten für den Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) über das Einsparpotenzial neuer Brennwertkessel bezogen.

Zweistufige Strategie für eine Wärmewende

Die zweistufige Strategie von Heizungsindustrie und Gewerkschaft umfasst vereinfacht gesagt eine kurz- bis mittelfristige Stufe bis zum Jahr 2030 und eine zweite, langfristige Stufe ab etwa 2040. Kurzfristig drängt man im Papier auf den Austausch ineffizienter Heizungsanlagen als "das am schnellsten wirksame Mittel". Eine grundlegende Gebäudesanierung dagegen "würde häufig an wirtschaftliche Grenzen der Besitzer und auch der Mieter stoßen."

An dieser Stelle brachte Andreas Lücke wie gewohnt den Brennwertkessel ins Spiel. Freilich: Nicht nur Brennwerttechnik, auch eine Wärmepumpe könne eingesetzt werden, oder auch ein hybrides System aus Brennwerttechnik und Solarthermie, "was natürlich noch besser ist." Aber Tatsache sei: "In vielen Fällen liegt das Budget des Einzelnen bei etwa 10.000 Euro." Bei einer Wärmepumpe im nicht gedämmten Bestand "reden wir von Investitionen von über 100.000 Euro pro Einfamilienhaus. Das ist nicht zu stemmen."

Ab sofort ausschließlich Wärmepumpen einzubauen, wie zum Beispiel in der Agora-Studie "Wärmemarkt 2030" empfohlen, sei "illusorisch". Lücke: "Wir haben nichts dagegen, wenn die Wärmepumpe an Bedeutung gewinnt. Wir sind die Wärmepumpenindustrie. Aber in den nächsten zehn Jahren, bis 2030, sollen ja auch Ziele erreicht werden." Im Memorandum werden als Alternative für schwach gedämmte Bestandsbauten "Brennstoffzellenheizgeräte und andere Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen" genannt.

Förderangebote sollen stark vereinfacht werden

Nirgends genannt werden in dem Papier Erdgas-Brennwertkessel, aber die sind für die erste Stufe hauptsächlich gemeint, wenn kurzfristig "modernere hocheffiziente Systeme" bei "Technologie- und Energieträgerneutralität" gefördert werden sollen. Konkret sollen die heutigen Förderprogramme (Marktanreizprogramm MAP, Programme der staatlichen Förderbank KfW) erhalten bleiben, jedoch "stark vereinfacht werden." Als zusätzliche Variante – unter Ausschluss einer Doppelförderung – soll ein Eigentümer, der für eine höhere Energieeffizienz in die Gebäudehülle oder -technik seiner selbst genutzten Wohnung investiert, 30 Prozent dieser Investition über drei Jahre hinweg von seiner Einkommensteuer abziehen dürfen. Das Memorandum verweist hier direkt auf ein entsprechendes Positionspapier vom Oktober 2017, hinter dem unter anderem die Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz (Geea) steht.

Erneuter Austausch der Anlagen in der zweiten Stufe

Etwa um das Jahr 2040 herum soll die Politik dann in der zweiten Stufe "weiteren Schub machen", wie es BDH-Hauptgeschäftsführer Lücke ausdrückte. Denn gemäß dem Memorandum ist  "ein erneuter Austausch der Anlagen nach weiteren etwa zwanzig Jahren erforderlich. Bis dahin wird häufig eine grundlegende Gebäudesanierung erfolgt sein, so dass die Voraussetzungen für den nächsten Technologiesprung gegeben sind."

Für einen solchen Sprung werden in dem Papier diverse Beispiele aufgezählt – von dezentraler Kraft-Wärme-Kopplung als virtuelles Kraftwerk unter Nutzung von mit Photovoltaikstrom erzeugtem "Gas" – gemeint ist wohl Methan – über die Gaswärmepumpe bis hin zum regenerativ erzeugten flüssigen Brennstoff. "Wir, aber auch die Bundesregierung, gehen davon aus, dass diese gasförmigen und flüssigen Brennstoffe am Wärmemarkt zur Verfügung stehen werden." Lücke griff damit eine der Lieblingsideen beim BDH auf, nach der man im Idealfall sogar so manche Brennwertheizung einfach weiterbetreiben könnte: "Dann ist Brennwerttechnik nicht eine fossile Heizung, sondern ist eine Heizung, die genauso wie eine Wärmepumpe auch Erneuerbare einkoppelt."

Etliches ist bereits im Koalitionsvertrag gelandet

Obwohl das Papier "Zukunftsmemorandum" getauft worden sei, sei etliches von dem, was darin stehe,  tatsächlich bereits im Koalitionsvertrag gelandet, freute sich Andreas Lücke. "Das hat einfach damit tun, dass wir mit Abgeordneten des Deutschen Bundestags, die im Energie- und Klimaschutzbereich unterwegs sind, eine intensive Beziehung pflegen." Ähnlich selbstbewusst äußerte sich IG-Metall-Vorstand Michael Jung. Einige Themen habe man, teilweise sogar wortgleich, noch am Tag der Deutschen Wärmekonferenz in Arbeitsgruppen zum Koalitionsvertrag "kanalisieren" können. "Jetzt müssen wir halt kucken, dass wir in den verschiedenen Ministerien noch ein bisschen Nachdruck verleihen und in die Tiefe gehen."

Nötig ist das nach den Worten seines Vorstandskollegen Wolfgang Lemb zum Beispiel bei der Frage der Energieeffizienz. Die "ist meiner Einschätzung nach, aus IG-Metall-Sicht, im Koalitionsvertrag etwas unterbelichtet, um das freundlich auszudrücken." Mehr als nur ein bisschen Nachdruck braucht es möglicherweise, was die Forderung nach einer Erhöhung der sogenannten energetischen Sanierungsrate der Gebäudehülle im Memorandum angeht. Denn im Umwelt- wie im Wirtschaftsministerium hat man vor kurzem nicht nur das Ziel einer Verdopplung der Rate als unrealistisch verworfen, sondern sich überhaupt vom Begriff der "Sanierungsrate" verabschiedet, weil diese nicht vernünftig definiert werden könne.

"Peripherie verbessern ohne Kesselaustausch ist absurd"

Ausführlich widmete sich Andreas Lücke der Frage, wieviel Energie und damit CO2-Ausstoß mit dem Austauschen eines Brennwertkessels eingespart werden könne. Ein aktuelles Kurzgutachten für den BEE hatte das gewichtete Mittel dieser Maßnahme auf nur etwa zehn Prozent geschätzt. Lücke sagte, das gutachtende Beratungsunternehmen Econsult habe "so falsch gar nicht gerechnet", dass, wenn die Peripherie mit betrachtet werde, "diese Einsparungen zweistellig sind, und zwar in der Regel bei 19 bis 25 Prozent."

Die Aussage von Gutachter Klaus Lambrecht, dass die Einsparungen durch die Optimierung der Peripherie auch unabhängig vom Kesseltausch gehoben werden können, bezeichnete Lücke jedoch als "absurd" und "unseriös". "Bleibt der Kessel drin, wird an der Peripherie nicht gearbeitet. Das ist ganz klar die Markterkenntnis." Der Kesseltausch führe zu zwei Dingen: Erstens werde an der Peripherie gearbeitet, was dann auch zusätzliche Einsparpotenziale erschließe, und zweitens steige dadurch erheblich die Chance, dass erneuerbare Energien eingekoppelt würden. "Das passiert nämlich nicht ohne Kesseltausch."

Zu dem Problem, dass viele Handwerker den hydraulischen Abgleich fachlich gar nicht beherrschen oder aus diversen weiteren Gründen nicht vornehmen, sagte Lücke, die Voraussetzungen seien in den letzten Jahren deutlich besser geworden. "De facto schulen wir als Hersteller, also ich meine jetzt die Mitgliedsunternehmen des BDH, jedes Jahr über 100.000 Handwerker. In diesen Schulungen ist generell und grundsätzlich der hydraulische Abgleich mit angelegt." Es gebe mittlerweile auch einen halbautomatischen hydraulischen Abgleich. Michael Jung pflichtete ihm bei: "Ich besuche ja auch die Firmen, die Heizungstechnik herstellen, und ich sehe überall, wie die Handwerker geschult werden. Das ist schon massiv."

Eine Frage wird bei den umfangreichen Forderungen nach Förderungen im Memorandum allerdings nicht behandelt, nämlich was diese die Steuerzahler kosten würden. Beispielsweise wird ein sogenanntes "Transformations-Kurzarbeitergeld zur Gestaltung des Strukturwandels" verlangt. Auf Nachfrage sagte Wolfgang Lemb: "Da gibt's ein paar Schätzungen, aber die gehen sehr weit auseinander, das würde ich nicht als Basis für eine Kostenschätzung nehmen." von Alexander Morhart

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