Basis-, Öko- und Hightechvariante verglichen

Architekt bilanziert Scheunenausbau

Der Architekt Günther Ludewig. © Alexander Morhart

Am Beispiel einer ehemaligen LPG-Scheune hat der Architekt Günther Ludewig den Umbau zu Wohnungen durchgerechnet – mit einem überraschenden Teilergebnis. Ludewig stellte die Resultate bei einer Tagung in der Fachhochschule Potsdam vor.

Drei Versionen – "Basis", "Öko" und "Hightech" – für das ansonsten gleiche Raumprogramm hat Ludewig entworfen. Der Auftrag kam von einem privaten Investor. Er will ein ausgedientes Landwirtschaftsgebäude im kleinen Dorf Linum im Nordwesten Brandenburgs so ausbauen, dass er am Ende drei anspruchsvolle Wohneinheiten verkaufen kann.

Innerhalb des Scheunengebäudes soll in der Art von Reihenhäusern jede Wohnung über mehrere Etagen gehen. Wie man es von dem Tübinger Planungspionier Dieter Schempp kennt, ist einer Wohneinheit jeweils ein unbeheizter Wintergarten zugeordnet, der die drei Einheiten zugleich trennt. Dieses Glashaus ist im Winter unbeheizt und im Sommer durch ein konvektives Kühlystem temperiert. Man kann sich hier aufhalten; es sollen aber auch Lebensmittel darin wachsen.

Günther Ludewig, der in Berlin-Spandau das vierköpfige Büro Sol-id-ar betreibt, ist unter anderem in der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie aktiv und vom ökologischen Bauen überzeugt. Die Mühe eines systematischen Nachhaltigkeitsvergleichs der drei Versionen hat er nach seinen Worten auf sich genommen, "um den Bauherrn davon abzubringen, dass er mit Polystyroldämmung die Scheune ausbaut".

Das scheint ihm gelungen, auch wenn die Bauarbeiten noch nicht begonnen haben.

Als Ludewig vor vier Jahren mit dem Projekt anfing, brauchte er für die Bewertung ein System und die Daten, um es zu füttern. Da gab es schon das Bewertungssystem nachhaltiges Bauen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung, aber nur für Büros und Verwaltungsbauten, nicht für Wohnhäuser. Und schon gar nicht für die Altbausanierung – was bis heute so ist. Doch dem promovierten Ingenieur war nichts zu schwör; er griff zu einem Trick: "Wir haben Neubausysteme für unseren Altbau zweckentfremdet."

Das war möglich, weil die Struktur eines solchen Bewertungssystems immer ähnlich ist: Kriterien werden definiert und gewichtet. Es machte die Sache einfacher, dass für den Versionenvergleich die ursprüngliche Scheune jeweils dieselbe war; ebenso die Wohnräume. Auch der Standort war schon klar, und die Qualität des Planungsprozesses konnte als gleich unterstellt werden. Solchermaßen eingedampft blieben zwei Fragen übrig: die nach der ökologischen und ökonomischen Qualität.

Drei Versionen für ein Raumprogramm

Die Basisversion beinhaltet konventionelle Baustoffe, die Ludewig gar nicht verwenden wollte, zum Beispiel Polystyrolwärmedämmung, Kunststofffenster und künstliche Mineralfaser im Dach. Es gibt keine Lüftungsanlage, sondern nur die herkömmliche Fensterlüftung.

Bei der Ökoversion sieht der Architekt eine außen vorgehängte Holzfaserdämmung vor, die zwischen Stegträgern den Dämmstoff eingeblasen bekommt; der Fußboden wäre mit rezykliertem Glasgranulat gedämmt und die Innenwände mit Lehmbaustoffen versehen. Außerdem würden Holzfenster eingebaut sowie eine dezentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung.

Drittens gibt es die Hightech-Variante: Hier wäre die Außenwand mit sehr dünnen Vakuum-Dämmpaneelen versehen; es würden Passivhausfenster eingebaut – auch ein Holzprodukt, aber mit einem Dämmstoffkern innen – und ebenfalls eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, diesmal aber zentral angelegt.

Mit diesen drei Konzepten samt den zugehörigen Materialstärken kommt man zu einem Mengengerüst. Damit kann man bei Wecobis einsteigen, einer Unterseite von www.nachhaltigesbauen.de, wo ständig aktualisierte und unabhängig geprüfte Produktdeklarationen (EPD) für die Baustoffe abrufbar sind.

Ergebnisse der Ökobilanz mit einer Überraschung

Etliche Wochen und viele Dateneingaben in ein Kalkulationsprogramm später lagen die Einzelergebnisse vor. Was Günther Ludewig nicht verwundert: "Dass über die 50 Jahre Betrachtungszeitraum das Treibhauspotenzial bei der Ökovariante sehr, sehr viel kleiner ist". Nämlich weniger als die Hälfte von dem der Basisversion und sogar nur ein Drittel dessen, was bei der Hightechversion an Treibgasen verursacht würde.

Bei der Basisversion liegt der Ausstoß in den ersten Jahren am höchsten, wird jedoch nach rund zehn Jahren von der Hightechversion eingeholt. Das liegt laut Ludewig an Maßnahmen der Renovierung und Modernisierung, die im Laufe der Zeit das Treibhauspotenzial nach oben trieben. Die technischen Anlagen müssten stärker gewartet werden; die Vakuumdämmung halte keine 50 Jahre und sei über den Zeitraum auszuwechseln.

Erwartungsgemäß ist auch der Ressourcenverbrauch: Die nachwachsenden Baustoffe der Ökoversion schneiden klar am günstigsten ab und benötigen an begrenzt vorhandenen Materialien deutlich weniger als die Hälfte der beiden anderen Versionen. Beim Ozonabbaupotenzial liegen alle Versionen gleich. Der Einfluss auf die bodennahe Ozonbildung dagegen ist durch den Betrieb der technischen Anlagen bei der Hightechvariante am größten. Die Ökovariante schneidet wieder am besten ab.

Die Überraschung kam für Ludewig beim Thema Entsorgung. Zwar sehe die Ökovariante da immer noch am besten aus, aber es sei doch ein sehr großer Anteil der Stoffe nicht regenerierbar. Denn nur die Dämmung ist ein tatsächlich vollständig rückführbarer Baustoff. Holzfenster dagegen müsse man entsorgen: Diese fallen letztendlich doch als Müll an. Sie thermisch zu verwerten sei zwar technisch möglich, aber "die müssen ja erst mal von den ganzen Lackschichten getrennt werden". Bloß bei den Sonderabfällen sei es dann doch wieder ein deutlicherer Unterschied.

Basisversion ist am billigsten

So viel zur ökologischen Qualität. Bei der ökonomischen hielt sich Ludewig kurz: Die Lebenszykluskosten über 30 Jahre sind bei Hightech am höchsten, "weil da die Investitionskosten und die Wartungskosten für die Anlage höher sind".

Auch die Ökoversion rechne sich gegenüber der Basisversion nicht. "Basis" kostet den Bauherrn am wenigsten, und sogar hier "hat sich die Dämmung von Wand, Dach und Boden monetär erst nach 20 bis 30 Jahren amortisiert, weil die Energie einfach zu billig ist". Der Klimaschutz werde nicht eingepreist. Die Zahlen sprach Ludewig gar nicht aus, aber auf seiner Vortragsfolie konnte man sie ablesen: Gesamtkosten von gut 450.000 Euro für die Basisversion, von fast 600.000 Euro für die Ökoversion und von nahezu 700.000 Euro für Hightech.

Man müsse aber die Raumqualitäten berücksichtigen und die Gesundheitskosten dagegenrechnen, die man nicht aufwenden müsse, "weil man sich vielleicht wirklich wohler fühlt in dem Gebäude". Das habe seinen Wert, "aber das können wir ökonomisch nicht darstellen".

Den Zeitaufwand für die Bewertung schätzt Ludewig auf vier Arbeitswochen für eine Person. Einen Teil davon hat eine Studentin der FH Potsdam als Diplomarbeit erledigt. In den Leistungsphasen der Architekten lässt sich das nicht unterbringen: "Der Planer muss es aus Eigeninitiative machen." Eine gewisse Erleichterung bringt inzwischen das Werkzeug "electronic Lifecycle Assessment" (eLCA), das das modernste sei, was kostenfrei im Netz zur Verfügung stehe – freilich bisher als Betaversion.

Einer der anwesenden FH-Professoren äußerte die Hoffnung, man werde den Arbeitsaufwand irgendwann deutlich reduzieren können, indem man ihn zum Teil in die Bauwerksdatenmodellierung (BIM) integriert. Von Alexander Morhart

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