Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

Hohe Sanierungskosten schrecken Projektpartner nicht ab

Weltweit erstes Passivhaus-Hochhaus eingeweiht

Auf Passivhausstandard saniert: Das Hochhaus Bugginger Straße 50 in Freiburg. © ISE

In Freiburg wurde ein sechzehnstöckiges Hochhaus aus den 60er Jahren auf Passivhausniveau saniert. Die Kosten sind hoch. Dennoch hat das Projekt Modellcharakter.

Die Zertifizierung durch das Passivhausinstitut ist noch im Gange, aber Florian Kagerer vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg ist sich sicher, dass der Wärmebedarf des sanierten Hochhauses im Freiburger Stadtteil Weingarten nicht mehr als 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr betragen wird. "Rechnerisch liegen wir bei 14,6 kWh/m²a", sagt er. Damit ist das sechzehnstöckige Gebäude aus den 60er Jahren das weltweit erste Passivhaus-Hochhaus. Eineinhalb Jahre hat die Sanierung gedauert und unter dem Strich etwa 1.500 Euro pro Quadratmeter gekostet. Damit liegen die Kosten deutlich höher als bei einer Standardsanierung üblich.

Bei einer Standardsanierung liegen die Kosten bei rund 600 bis 800 Euro pro Quadratmeter. "Allerdings ist in einem solchen Standardfall keine Neuorganisation der Grundrisse enthalten", macht Kagerer deutlich, dass die enorm hohen Kosten nicht allein auf die Sanierung nach Passivhausstandard zurückzuführen sind. Denn in Freiburg wurden die Grundrisse massiv verändert. Fanden sich vor der Sanierung in jedem Geschoss sechs Wohnungen, sind es nun neun. "Es läßt sich nur sehr schwer ermitteln, welcher Anteil der Kosten tatsächlich auf die energetische Sanierung entfällt und welcher den wohnungswirtschaftlichen Entscheidungen zuzurechnen ist", sagt Kagerer, der das Sanierungsprojekt beim Fraunhofer ISE geleitet hat. Dies nicht zuletzt auch deswegen, weil wohnungswirtschaftliche und energetische Aspekte sich zum Teil gegenseitig bedingt haben.

Als Beispiel nennt der Fraunhofer-Forscher die Balkone. "Das Gebäude war ein typisches 60er-Jahre-Hochhaus mit durchgehenden Balkonkonstruktionen auf der gesamten Länge der Fassade, immerhin etwa 20 Meter", berichtet er. Als Böden der Balkone waren die Betondecken des Gebäudes durchgezogen – eine gigantische Wärmebrücke, die es unbedingt zu beseitigen galt. Dazu gab es zwei Möglichkeiten: Das Abtrennen der Balkone oder die Integration der alten Balkonflächen in den Wohnraum. Die erste Variante wäre nicht nur sehr teuer geworden, sondern war auch technisch umstritten. Also wurden die Balkonflächen in die Wohnungen einbezogen wodurch die ohnehin schon recht großzügigen Wohnflächen noch größer wurden. Dies bedingte dann die Entscheidung, die Grundrisse grundlegend zu verändern und die Wohnungsgrößen zu reduzieren.

Durch die Integration der Balkone in den Wohnraum ist das Gebäude kompakter und die Wärmeverluste im Verhältnis zur Nutzfläche sind geringer. Allerdings machten die dadurch bedingten höheren Raumtiefen Untersuchungen zur Tageslichtversorgung notwendig. Zusammen mit Berechnungen des Energiebedarfs und des sommerlichen Wärmeschutzes wurden für die Planer Vorgaben zur optimalen Zonierung der Grundrisse und Gestaltung der Fassade erarbeitet, um einen möglichst hohen Komfort bei geringem Energiebedarf zu gewährleisten. Die großen, sturzfreien Fensterflächen lassen das Tageslicht tief in die Räume eindringen.

Gedämmt wurde das Hochhaus mit einem Wärmedämmverbundsystem auf der Basis von Mineralfasern. Wo konstruktiv nicht genug Raum war, um Mineralwolle einzusetzen, kam Aerogeldämmung zum Einsatz. "Entscheidend für das Aerogel war die Tatsache, das es anders als Vakuumisolationspaneele unproblematisch zu verarbeiten ist", erläutert Kagerer. Verwendet wurden die Aerogel-Fasermatten Spaceloft, die in Deutschland von Innodämm vertrieben werden. "Mit den Aerogelmatten konnten Wärmebrückeneffekte an besonders kritischen Stellen minimiert werden." Zu diesen Stellen zählen etwa die Bereiche um die Rollladenkästen. Die Rollläden waren nötig, um im Sommer den nötigen Wärmeschutz zu gewährleisten.

Für die kontrollierte Wohnungslüftung sorgen im sanierten Gebäude zwei zentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung, die in einem zusätzlichen Geschoss im Dach untergebracht sind. Hier finden sich Kagerer zufolge auch sämtliche horizontalen Leitungen, die Wohnungen werden dann jeweils über zwei vertikale Schächte versorgt. "In den Wohnungen selbst gibt es kein weiteres Verteilsystem", so der Projektleiter. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dieses System sei besonders kostengünstig. Dem ist jedoch nicht so, denn die vertikale Erschließung machte in dem Bestandsgebäude, dessen Wände komplett in Beton gefertigt wurden, unzählige kostspielige Kernbohrungen nötig. Außerdem waren besondere Schallschutzmaßnahmen nötig, um eine Schallübertragung von einer Wohnung in die nächste zu vermeiden. "Vor jeden Frischluftauslass ist ein Schalldämpfer vorgeschaltet", berichtet Kagerer.

Auf Passivhaus-zertifizierte Produkte, etwa Fenster, haben die Projektverantwortlichen keinen Wert gelegt. "Das hätte das Projekt noch einmal deutlich verteuert", sagt Kagerer. Wichtig sei es allein gewesen, das Ziel Passivhausstandard zu erreichen, also den Wärmebedarf auf 15 kWh/m²a zu reduzieren. Vor der Sanierung betrug der Heizwärmebedarf dem ISE zufolge etwa 100 kWh/m²a. Nicht nur der Wärmebedarf ist heute deutlich niedriger als vor der Sanierung. Mit Hilfe der Fraunhofer-Forscher wurde der gesamte Primärenergiebedarf für Beheizung, Trinkwassererwärmung, Lüftung, Beleuchtung und Haushaltsstrom um 40 Prozent gesenkt. Auf dem Dach des Hauses ist eine Fotovoltaikanlage mit einer Leistung von 24 kW installiert.

Nach der offiziellen Einweihung am 21. April setzen die Fraunhofer-Forscher ihre wissenschaftliche Arbeit fort. Sie erfassen und analysieren über zwei Jahre den Energieverbrauch des Gebäudes im realen Betrieb. Die Ergebnisse haben, wie das gesamte Projekt, Modellcharakter und sollen zukünftig in vergleichbare energetische Sanierungsvorhaben einfließen.

Das Passivhaus-Hochhaus Bugginger Straße 50 ist das erste von vier Hochhäusern im Freiburger Stadtteil Weingarten, die bis 2020 energetisch modernisiert werden sollen. Gemeinsam haben sich die Freiburger Stadtbau GmbH, der Energieversorger badenova WÄRMEPLUS und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme zum Ziel gesetzt, den Primärenergiebedarf des Stadtteils bis zum Jahr 2020 um 50 Prozent zu reduzieren. Das Areal, in dem rund 5.800 Menschen wohnen, umfasst eine Fläche von etwa 30 Hektar. Im Sanierungsgebiet sind vier Gebäudetypen mit rund 1.300 Wohnungen vorhanden: 16-geschossige Hochhäuser, acht- und viergeschossige Mehrfamilienhäuser sowie einige Nichtwohngebäude. Die Sanierung des ersten Hochhauses auf Passivhausniveau wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie BMWi im Rahmen des Schwerpunkts "Energieeffiziente Stadt" gefördert. 

Von unserer Redakteurin Silke Thole

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