Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

Udo Dietrich stellt behaglichkeitsorientierte Entwurfsmethode vor

Vorfahrt für Komfort bei der Fassadenplanung

Udo Dietrich und Paula Callaú Poduje fordern Komfortorientierung bei der Gebäudeplanung. © A. Morhart

Bei der 11. Internationalen Konferenz zur Gebäudehülle der Zukunft forderte Udo Dietrich einen Fokus auf den Nutzerkomfort beim Gebäudeplanungsprozess.

Während die Spezialisten der Gebäudeautomation sich immer tiefer in technische Details hineinfressen, trat Udo Dietrich von der HafenCity Universität Hamburg bei der 11. Internationalen Konferenz zur Gebäudehülle der Zukunft in Bern einen Schritt zurück. Dietrich hat sich Gedanken darüber gemacht, wie man ganz grundsätzlich ein Haus entwerfen sollte. Sein Vortragstitel "Building design process: design oriented or comfort oriented?" stellte sich dabei schnell als rhetorische Frage heraus - spätestens, als er zustimmend den US-Architekten Louis Sullivan zitierte: "the form follows the function".

Gebäude sollten laut Dietrich einen Abstand von mindestens 25 Meter zur nächsten Fassade einhalten, damit sich die Nutzer nicht zu sehr durch neugierige Blicke gestört fühlen. Daraus ergibt sich eine maximale Gebäudehöhe von 15 Metern, entsprechend 5 Geschossen. Denn das Tageslicht sollte bis zu einem Winkel von 30° in die Räume fallen. So sei gewährleistet, dass bei einer Raumhöhe von 2,70 Metern und einer Tiefe des Zimmers von nicht mehr als 6,75 Metern ein Bereich bis zu 5,40 Metern Tiefe ausreichend mit natürlichem Licht beschienen werde. Die verbleibenden 1,35 Meter könnten als Wegefläche, für Möbel oder Ähnliches genutzt werden, so dass für diesen Teil des Raumes künstliche Beleuchtung akzeptabel sei.

Damit diese Rechnung aufgeht, sei ein Fensteranteil von mindestens 50 Prozent erforderlich - es sei denn, in der Region ist der Himmel an höchstens sechs Monaten im Jahr zu 70 Prozent der Zeit bedeckt. Dann reiche auch ein Fensteranteil von 35 Prozent.

Sonnenschutz und Belüftung

Für den Sonnenschutz genügen nach Dietrich in äquatornahen Regionen fest eingebaute Verschattungseinrichtungen. Dabei seien an West- und Ostfassaden vertikale Vorrichtungen sinnvoll, an der Süd- beziehungsweise Nordfassade dagegen horizontale. In den gemäßigten Breiten oder noch weiter polwärts würden feste Verschattungen zu wenig vom Tageslicht hereinlassen, so dass veränderbare Installationen entlang der Fenster (wie Rollläden) sinnvoll seien.

Großes Augenmerk richteten Udo Dietrich und Paula Callaú Poduje, die einen Teil des Vortrags übernahm, auf die natürliche Belüftung eines Gebäudes. Beide gehören zur Studiengruppe REAP der Uni Hamburg, was für "Resource Efficiency in Architecture and Planning" steht.

Um ein Zimmer ohne Durchzug, also nur von einer Fassade her, zu lüften, dürfe die Tiefe höchstens das 2,5fache der Höhe betragen - ein Verhältnis, das mit dem für das Tageslicht nötigen zusammenfällt, so dass auch hier bei 2,70 Metern Höhe die Tiefe des Zimmers 6,75 Meter nicht übersteigen sollte. Geringer sei dagegen die Mindestfläche der Fenster zur ausreichenden Belüftung: Der Fassadenanteil von 10 Prozent liegt weit unter dem bereits für die Belichtung geforderten. Bei Durchzug dürfe das Haus 13,50 Meter tief sein, denn hier vergrößere sich der Faktor auf das fünffache der Höhe.

Durchzug empfehle sich jedoch in jedem Fall, wenn eine natürliche Kühlung während der Nacht ausreichend sein solle. Belüftung nur von einer Fassade her sei dann nicht ausreichend.

Einen Faktor 5 der Raumhöhe nannte Dietrich auch für die Entfernung zwischen der Fassade und einem Luftabzugsschacht (auch Treppenhaus oder Atrium). Die maximale Gebäudetiefe erhöht sich damit auf 27 Meter plus Tiefe des Schachts, wenn sich der Schacht in der Mitte des Gebäudes befindet. Als weitere Faustregeln für den Schacht nannte Dietrich eine Höhe von mindestens 4 Metern und eine Grundfläche von 0,8 Prozent der zu belüftenden Grundfläche der Zimmer.

Fassade von innen nach außen planen

Bei Beachtung all dieser Regeln ergeben sich nach Dietrich nicht nur die Proportionen des Gebäudes, sondern auch eine Aufteilung der Fassade von der Innenseite her, die sich dann an der Außenseite einfach wiederholt. Die von ihm gezeigten Abbildungen solcher Fassaden erinnerten an Schulbauten im Deutschland der 1960er Jahre, und auch die so zustandegekommenen Beispielfassaden, die er präsentierte, weichen davon hauptsächlich durch die farbliche Gestaltung ab.

Sieht man sich weiterhin Beispiele des Wohnungsbaus von Bruno Taut in den 1920er Jahren an, wird vollends klar, dass Udo Dietrich mit seinen Überlegungen das Rad nicht neu erfunden hat. In der Diskussion wurde jedoch stattdessen ein anderer Punkt angesprochen: die natürliche Belüftung.

Teilnehmer kritisierten, dass Dietrich die Entscheidung für eine natürliche Belüftung gleich am Anfang des Entwurfsprozesses vorsehe. Es gebe durchaus Fälle, bei denen diese nicht ausreiche und eine mechanische Belüftung nötig sei, die wetterunabhängig und konstant funktioniere - was sich erst im Verlauf des Entwerfens herausstellen könne. Udo Dietrich antwortete, seine Ausführungen hätten sich vor allem auf ein gemäßigtes Klima wie in Deutschland und der Schweiz bezogen. Dort sei die natürliche Belüftung ausreichend, und es sei richtig, sie als Standard vorzusehen. Von Alexander Morhart

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