Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

Minimalistische Holzhäuschen zum Selberbauen ab 10.000 Euro

Tiny Houses – "Guerillawohnen" auf der Mittelinsel

Für den Architekten Van Bo Le-Mentzel sind Tiny Houses mehr als ein Wohnkonzept. © A. Morhart

Mobile Holzhäuschen zum Selberbauen ("Tiny Houses") mit typisch etwa neun bis 16 Quadratmeter Wohnfläche propagiert der charismatische Architekt Van Bo Le-Mentzel. EnBauSa.de hat ihn bei einer Ausstellung in Berlin interviewt – auch zum Thema Energiebedarf. 

Die Idee für "Tiny Houses" -  die "winzigen Häuser" - stammt aus den USA. Im Juni gab es in Deutschland erstmals eine eigene Messe zum Thema. Einer der Aktivisten der Tiny-House-Bewegung ist seit vielen Jahren Van Bo Le-Mentzel. Er rührt kräftig die Werbetrommel für solche auf einen 3,5-Tonnen-Anhänger montierten Holz-Mikrohäuser.

Der Aktivist und Architekt sieht in solchen Häuschen die Lösung für Wohn- und andere Probleme. Er selbst lebt in einem und organisiert Seminare fürs Selberbauen ("in zehn Tagen"). Je nach Ausstattung könnten, sagt Le-Mentzel, rund 10.000 Euro für einen solchen von Tischlern geleiteten Workshop und das Material ausreichen.

Mit einem Augenzwinkern sagt Le-Mentzel zu den Zuhörern, die er ausnahmslos duzt: "Es kommen immer noch Sachen dazu: eine kleine Fußmatte, ein Rohr, eine Türklinke, ein zusätzliches Schloss. Die Deichsel geht kaputt. Und dann ist man schnell bei 50.000 Euro. Deswegen lieber gleich von vornherein 50.000 einkalkulieren, dann habt Ihr nicht so einen Schock." Es gibt auch fertige Tiny Houses, die ein großes Hamburger Handelsunternehmen ab 40.000 Euro anbietet, für einen Fincube des Designers Werner Aisslinger ist das fünffache fällig.

Ist das viel oder wenig? Mit herkömmlichen, fest installierten Fertighäusern ist das Konzept schwer vergleichbar; den Vergleich mit einem Bauwagen oder Campingbus lehnt wiederum der Architekt ab. Nach seiner Vorstellung soll man nicht einfach asketisch darin wohnen, sondern in der unteren Hausebene "einen gesellschaftlichen Auftrag ausüben", einen "Gemeinwohldienst" – er nennt Ärzte und Journalisten als Beispiele.

Ein Haus- und ein Gesellschaftskonzept

Le-Mentzel sagt: "Unsere Häuser sind so gemacht, dass zwei Personen sie parallel nutzen können: unten irgendwas Öffentliches, und oben ist es privat. Oben kann eine Person sich ausruhen. Deswegen haben unsere Tiny Häuser immer zwei Eingänge."

Je länger man ihm zuhört, desto klarer wird, dass es ihm nicht nur um ein minimalistisches Hauskonzept, sondern um ein utopisches Gesellschaftskonzept geht, und dass sich beides gegenseitig bedingen würde, um längerfristig und in größerem Maßstab zu funktionieren – was sein Anspruch ist. Denn ein Häuschen nach Le-Mentzels Vorstellung verträgt sich nicht mit der Bebauungsplanung, dem Meldewesen – kurz: dem herkömmlichen staatlichen Konzept eines Gebäudes in Deutschland und dem damit verbundenen geltenden Recht.

Einige Zuhörer fragen, wo man ein Tiny House hinstellen könne. Der Architekt: "Wenn Ihr ein Grundstück habt, habt Ihr eine Zufahrt. Da könnt Ihr auch ein Tiny House parken." Später traut sich jemand zu fragen, ob man da auch wohnen dürfe. Le-Mentzel spricht von einer "Grauzone". Bei Licht betrachtet ist es aber einfach so, dass hier ein Fahrzeug zum Auch-Wohn-Gebäude zweckentfremdet wird – was nur so lange gutgeht, wie gilt: "Wo kein Kläger, da kein Richter."

Das ist auch Van Bo Le-Mentzel bewusst. Sein Ausweg auf die Frage, ob man so zum Beispiel in einem Vorgarten wohnen dürfe: "Nein. Aber mach's einfach. Und sei nett zu Deinen Nachbarn, denn – wer will Dich verpfeifen. Lade die Nachbarn ein, sag: Wir kochen zusammen. Wenn Du das machst, wird er nicht die Polizei rufen." Und Le-Mentzel geht noch einen Schritt weiter. Später zeigt er auf die große Grünfläche zwischen den Richtungsfahrbahnen und sagt: "Bringt Eure Tiny Häuser hier auf den Mittelstreifen, und ich kümmere mich darum, dass Ihr da stehen könnt."

Man könnte Le-Mentzel, der ein großes schwedisches Möbelhaus als Sponsor und die Kulturstiftung des Bundes als Förderer mit sechsstelligen Beträgen für seine Ideen gewonnen hat, fast zutrauen, dass er so etwas schafft – jedenfalls in Berlin. Die Definition des Erfüllens eines "gesellschaftlichen Auftrags" als Voraussetzung für die Zuteilung von Niederlassungsberechtigungen ("türkiser Parkausweis") wäre er gleichfalls bereit zu übernehmen; auch das Zuteilen selbst.

Für andere, eher haustechnische Fragen hat der Architekt ebenfalls unkonventionelle Lösungen parat. Denn der Zehn-Zentimeter-Wandaufbau dämmt und speichert kaum Wärme. Von innen nach außen: eine Innenverkleidung aus einem Zentimeter Fichtenholz; eine Kunststoff-Folie als Dampfbremse; sechs Zentimeter Dämmung (meist Holzwolle); eine weitere Kunststoff-Folie als Windbremse; ein Zentimeter Zwischenraum; eine Aussenverkleidung aus einem Zentimeter Lärchenholz. "Wir haben auch schon welche mit Hanfwolle gedämmt. Es gibt auch Seegras. Gerade entwickeln wir ein Projekt mit Textilabfällen."

"In fünf Minuten ist es hier minus zehn Grad"

Die energetischen Eigenschaften im strengen Winter beschreibt Le-Mentzel im Musterhäuschen unverblümt so: "In fünf Minuten ist es hier minus zehn Grad." Man müsse also Tag und Nacht durchheizen. "Wir haben hier einen kleinen Heizlüfter oder Radiator, das reicht aus. Wir haben auch Häuser mit Gasheizung. Das ist aber gefährlich. Man muss die Tür auf lassen, die Heizung verbrennt den Sauerstoff."

Auf der Internetseite des Projekts ist außerdem die Rede von einem Holzofen, offenbar auch dieser ohne kontrollierte Be- und Entlüftung: "In kalten Wintern muss man mit Brennholz im Wert von 100 Euro/Monat rechnen. Der Feinstaub ist allerdings nicht zu unterschätzen (unbedingt Fenster leicht geöffnet lassen)."

Mehr Dämmung wäre nicht nur wegen einer solchen Dauerlüftung, sondern auch angesichts der beengten Platzverhältnisse (typische Innenmaße 2,20 Meter Breite, vier Meter Länge, 3,20 Meter Höhe, zwei über eine Leiter verbundene Ebenen) und des ungünstigen Außenfläche-Volumen-Verhältnisses wenig sinnvoll. Aber Le-Mentzel hat für so etwas wie das Passivhauskonzept ohnehin nur Spott übrig: "Die Wände dick und ganz viel Technik rein; und dann stellt man einen Hund rein. Dann heizt sich das Haus von alleine auf. Das sind so Phantasien von technoiden Leuten. Ich bin der Meinung: Wenn's friert, muss man heizen - oder man geht ins Museum."

Welcher Energiebedarf erfahrungsgemäß entsteht, kann der Architekt nicht beziffern. Allerdings lässt sich leicht ausrechnen, dass ein durchlaufender 2000-Watt-Heizlüfter bei zum Beispiel 200 Heiztagen und täglich 12 Stunden Anwesenheit 4800 Kilowattstunden Strom ziehen würde. Dabei ist ein regulärer Netzanschluss bei Le-Mentzel gar nicht vorgesehen – nicht fürs Heizen und auch sonst nicht.

Er setzt auf einen kleinen Akku, eine "Powerbank": "In der Stadt kommt Ihr immer an eine Steckdose ran, um zum Beispiel eine Powerbank aufzuladen. Ihr müsst eine Steckdose finden oder Freunde finden, die eine Steckdose haben. An die könnt Ihr Lampen anschließen, dann habt Ihr Licht. Was auch geht, sind kleinere Kühlschränke. Was nicht gehen würde, das wäre ein Laptop oder ein Wasserboiler. Da müsst Ihr auch Eure Freunde fragen." Ähnlich soll die Trinkwasserbeschaffung vor sich gehen: "Entweder es gibt einen Brunnen in der Nähe, oder Ihr geht zum Beispiel zu Starbucks." Auch an die Kanalisation ist ein Tiny House nicht angeschlossen. Die Notdurft landet in einem Eimer und später zum Beispiel "an Tankstellen oder in Dixie-Klos" oder auf einem "Komposthaufen" - so steht es jedenfalls auf der Internetseite. Von Alexander Morhart 

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