Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

Sofortprogramm für den Gebäudesektor

Schaffen wir das Klimaschutzziel 2030?

Am 13. Juli wurde das Sofortprogramm für den Gebäudesektor vorgestellt. Foto: Marco2811/stock.adobe.com

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sowie das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) haben am 13. Juli ein Sofortprogramm für den Gebäudesektor vorgelegt. Dieses soll dazu beitragen, die Klimaschutzziele zu erreichen.

Um was geht es?

Der Gebäude- sowie der Verkehrssektor hinken mit ihren Klimaschutzzielen hinterher: Bis 2030 soll Deutschland den Treibhausgasausstoß um 65 Prozent gegenüber 1990 verringern. Das Sofortprogramm sei notwendig geworden, weil die Emissionen des Gebäudesektors im Jahr 2021 die zulässige Jahresemissionsmenge um zwei Millionen Tonnen CO2-Äquivalente überschritten hatten (115 Mt. CO2-Äq. statt 113 Mt. CO2-Äq.), hieß es von den beiden Ministerien. Die Überschreitung stellte das Umweltbundesamt am 15. März 2022 fest. Der unabhängige Expertenrat für Klimafragen bestätigte die Zahlen am 13. April 2022. Nach § 8 Bundes-Klimaschutzgesetz sind daher BMWK und BMWSB verpflichtet, ein Sofortprogramm vorzulegen, das die Einhaltung der Jahresemissionsmengen in den folgenden Jahren sicherstellt.

Das Gebäude-Sofortprogramm der beiden Ministerien wird im Anschluss an den Expertenrat für Klimafragen zur Stellungnahme weitergeleitet. Anschließend berät die Bundesregierung über die zu ergreifenden 11 Maßnahmen und beschließt diese schnellstmöglich. Da aktuell innerhalb der Bundesregierung ein umfassendes Klimaschutz-Sofortprogramm abgestimmt wird, ist geplant, die im Programm enthaltenden Maßnahmenvorschläge in das Gesamtprogramm zu integrieren.

Das Sofortprogramm finden Sie hier zur Ansicht und zum kostenfreien Download.

Wie sieht die Branche das Sofortprogramm?

Jürgen Leppig, Bundesvorsitzende des Energieberaterverbands GIH, ist das Sofortprogramm nicht konkret genug: „Die Ministerien haben grundsätzlich erkannt, wo der Hase im Pfeffer liegt – und listen auch alle Punkte auf, an denen angesetzt werden muss, wenn die zulässigen Jahresemissionsmengen im Gebäudebereich künftig eingehalten werden sollen. Allerdings fehlt jegliche Konkretion: Klare Pläne oder gar Maßnahmen, auf die Gebäudebesitzer wie Energieberater schon lange warten, sucht man darin vergebens.“

Auch Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes (ZDB), sind die Maßnahmen zu vage. Allein die Tatsache, dass am 1. Januar 2024 keine Gasheizungen mehr eingebaut werden dürfen, sei zu kurz gedacht: „Die Umstellung von Heizungssystemen auf erneuerbare Energien muss Hand in Hand mit der energetischen Optimierung der Gebäudehülle gehen. Denn die Energieleistung von rein regenerativen Energien ist für ungedämmte Gebäude zu niedrig. Daher muss die weitere Ausgestaltung des Sofortprogramms auch die Gebäudehülle mit einbeziehen.“ Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) begrüßt dagegen die geplante Wärmepumpen-Qualifizierungsoffensive. Wichtige und grundlegende Fragen seien allerdings noch zu klären: Wie beispielsweise die Verfügbarkeit von Wärmepumpen, die beschleunigte Bewilligung von Förderbescheiden und das Sichern von ausreichend grünem Strom umzusetzen sei.

Wurde an alles gedacht?

Pakleppa weist auf die rund 21. Millionen Nicht-Wohngebäude hin, die ebenfalls Energie für Heizung oder Klimatisierung verbrauchen. Daher sollte die Dämmung von Industrieanlagen – wie schlecht gedämmte Rohrleitungen, Armaturen und dergleichen mit in den Fokus genommen werden. „Bis zu 10 Prozent der Bauteile in Industrieanlagen sind häufig ungedämmt oder beschädigt. Hier schlummert ein riesiges ungenutztes Einsparpotential, was dem jährlichen Energieverbrauch von ca. 3,5 Millionen Haushalten entspricht. Um das zu nutzen, sind gezielte finanzielle Anreize notwendig,“ erklärt Pakleppa.

Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer der BAUINDUSTRIE, setzt weiter vorne an: Er fordert, dass das Bauen „konsequent transformiert“ werden muss. Industrielle Produktionsmethoden sollten durch Digitalisierung und serielles Sanieren verbessert werden. Auch ein flexibles öffentlichen Vergaberechts, eine Zusammenführung von Planung und Bau sowie Optimierung des Zulassungswesens könne nur durch mehr Innovation ermöglicht werden.

Der dritte Maßnahmenpunkt des Sofortprogramms sieht eine Weiterführung des Förderprogramms von Pilotprojekten der Seriellen Sanierung (Bundesförderung Serielle Sanierung) vor. Der ZDB sieht serielle Sanierungen jedoch nicht als Allheilmittel von Emissionsminderungen: „16 Mio. Einfamilienhäuser in Deutschland lassen sich generell nicht seriell, sondern nur individuell sanieren“.

Gebäudehülle wurde außer Acht gelassen

Deutliche Kritik spricht der Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle (BuVEG) aus: „Modernisierungen an der Gebäudehülle wie Dämmung, Fenster und Co. finden kaum Berücksichtigung, obwohl sie den Verbrauch eines jeden Gebäudes schlagartig und signifikant senken. Die Gebäudehülle außer Acht zu lassen, ist ein strategischer Fehler in Hinblick auf Verbrauchreduzierung und Klimaschutz“, sagt Jan Peter Hinrichs, Geschäftsführer des BuVEG. Ohne eine modernisierte Gebäudehülle könnten Wärmepumpen gar nicht erst ihre volle Wirkung entfalten, Hinrichs weiter.

Im Programm fehlten zudem zukunftsorientierte Maßnahmen, die den baulichen sommerlichen Wärmeschutz stärken und den Energiebedarf für Kühlung mindern, ergänzt Thomas Drinkuth, Leiter der Repräsentanz Transparente Gebäudehülle. „Automatisierter Sonnenschutz spart im Sommer und im Winter wertvolle Energie und verringert die Anfälligkeit für Hitzewellen. Hierfür müssten besondere Programme geschaffen werden.“

Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs bleiben ebenfalls vage

Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF) vermisst klare Leitplanken für Investitionen: „Die Maßnahmen im Paket sind richtig, aber bei Zeitplan, konkreter Umsetzung und zur Verfügung stehenden Budgets muss schnell nachgeliefert werden – und die ganze Ampel muss mitziehen“, betont Henning Ellermann, Mitglied der Geschäftsleitung der DENEFF. Zwar werde in dem Papier die dringende Notwendigkeit von mehr Planungssicherheit für eine massive Senkung des Energieverbrauchs durch Steigerung der Sanierungsrate und -tiefe beschworen, die tatsächlichen Maßnahmen blieben aber noch im Ungefähren. Dabei warteten alle Marktteilnehmer auf klare Ansagen zur mittelfristigen Förderausstattung, zu nationalen Mindesteffizienzstandards für die energetisch schlechtesten Bestandsgebäude und zu auch kurzfristig wirksamen Gaseinsparmaßnahmen durch Betriebsoptimierung. „Jeder weitere Monat der Unsicherheit koste unnötig Zeit und Geld und verzögere Umsetzung und Kapazitätsaufbau.“

Gerade angesichts der Folgen von Inflation und Energiekrise sowie steigenden Zinsen und Preisen brauchten Bauherren und Hauseigentümer jetzt Vertrauen, so der ZDB. Klimaschutz sei eine Gemeinschaftsaufgabe, die im Gebäudebereich nur im Gleichschritt von Politik, Eigentümern, Investoren, Mietern und der Bauindustrie gelingen kann, ergänzt die BAUINDUSTRIE. „Zur Ganzheitlichkeit gehört es, Gebäude lebenszyklusumfassend im System zu sehen. Nur echte Technologieoffenheit kann ganzheitliche Lösungen vorantreiben. Einzellösungen wie zum Beispiel Wärmepumpen in nicht ausreichend wärmegedämmten Gebäuden können sonst leicht zu teuren Energiefressern werden. Flankiert werden sollte der Ansatz zur Technologieoffenheit durch die angekündigte BEG-Förderkulisse, die Anreize zur Reduzierung von CO2 setzt und Planungssicherheit für Investoren geben muss“, sagt Tom-Oliver Müller abschließend.

Quellen: BMWK / GIH / ZDB / ZIA / BAUINDUSTRIE / BuVEG / Repräsentanz Transparente Gebäudehülle / DENEFF / Delia Roscher

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