Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

Dänische Forscher haben Sanierungshemmnisse untersucht

Nachbarn überzeugen mehr als Fachleute

Die Anthropologin Mia Kruse vom Alexander Institut. © Morhart

Ist Informationsmangel wirklich der wichtigste Grund dafür, dass trotz energetischer Defizite viele Häuser nicht saniert werden? Erkenntnisse aus Dänemark lassen daran zweifeln.

Eine kleine Expertengruppe des baden-württembergischen Umweltministeriums ist einer Einladung der dänischen Energieagentur gefolgt und hat eine dreitägige Delegationsreise nach Kopenhagen unternommen. EnBauSa hatte die Gelegenheit, als einziges Medium aus Deutschland daran teilzunehmen.

Unterwegs berichtet Lone Feifer von der ursprünglich dänischen Velux-Gruppe vom "Healthy Homes Barometer 2016", für das 2015 rund 14.000 Personen in 14 europäischen Ländern zu Wohn- und Gesundheitsfragen befragt wurden. Laut den repräsentativen Ergebnissen hat jeder vierte Deutsche in seiner Wohnung meistens oder immer eine zu niedrige Raumtemperatur. Das sind sieben Prozentpunkte mehr als im Durchschnitt der 14 untersuchten Länder. Auch wenn als Grund häufig Geldmangel und deshalb sparsames Heizen genannt wurde, scheint auch die Heizungstechnik nicht selten Mängel zu haben: 31 Prozent der Befragten in Deutschland gaben an, dass sie ihre Innenraumtemperatur in den Wintermonaten zu oft nachregulieren müssten, um eine angenehme Temperatur zu halten.

35 Prozent fragen sich, "ob ihr Zuhause zu viel Energie verbraucht", so die Formulierung im Fragebogen. Unter den Bewohnern von Gebäuden mit einem Baujahr vor 1900 steigt dieser Wert auf 63 Prozent. Dennoch betrachten nur 32 Prozent der Bewohner auch solcher Altbauten ihr Gebäude als renovierungsbedürftig.

Wir betrachten unser Haus als Teil von uns selbst

Diesen Widerspruch erklärte die Anthropologin Mia Kruse damit, dass der Mensch im Laufe der Jahre das Haus, in dem er wohnt, gewissermaßen als erweiterten Teil von sich selbst betrachtet: Das eine oder andere Fenster klemmt; die Wände lassen viel Wärme durch; aber im Großen und Ganzen sei doch alles gut so, wie es ist. Kritik von außen werde als ein Stück weit auch als Kritik an der eigenen Person empfunden und als solche abgewehrt.

Solchen und ähnlichen psychologischen Hemmnissen versuchen Kruse und ihre Kolleginnen am Alexandra Instituttet im dänischen Aarhus unter anderem mit Fallstudien auf die Spur zu kommen. "Entscheidungen werden oft nicht nach Vernunftkriterien getroffen, besonders wenn es um Wohnen und das Familienleben geht", sagte sie bei ihrem Vortrag in Kopenhagen.

Den richtigen Zeitpunkt abpassen

Die Bedeutung von Sachkenntnissen über energetische Sanierung sieht Kruse eher überschätzt. Solche Kenntnisse seien wichtig, würden aber überschattet von anderen Faktoren: "Die meisten Menschen sind sich sehr wohl bewusst, was man zur Verbesserung des Innenraumklimas und zur Energieeinsparung tun könnte. Sie finden nur nicht die Zeit, sich damit näher zu beschäftigen!" Dementsprechend sei die größte Herausforderung nicht, den Hausbesitzern neues Wissen zu vermitteln, "sondern ihnen einen Freiraum zu schaffen, über dieses Wissen nachzudenken." Es sei wichtig, den richtigen Zeitpunkt und eine geeignete Lebenssituation der Leute abzupassen, um ihnen das Handeln leicht zu machen.

Kruse illustrierte das an zwei gegensätzlichen Beispielen eines Projekts, bei dem die Bewohner einer Siedlung eine kostenlose Energieberatung bekamen. Eine junge Familie habe sich als Umweltschützer gesehen und auch ihre Energiekosten senken wollen. Sie sei zunächst sehr enthusiastisch und vom ökonomischen wie ökologischen Nutzen einer Sanierung überzeugt gewesen – habe sich aber am Ende doch entschieden, nichts zu tun: Die Maßnahme hätte ein zu große Belastung bedeutet, zumal der Zugang zum zu dämmenden Dach sich direkt neben dem Kinderzimmer befunden hätte.

Anders verlief es bei einer weiteren Person, mit der die Forscher in der begleitenden Untersuchung gesprochen hatten. Sie entschied sich, das Dach dämmen zu lassen. "Der Grund war, dass sie den Dachboden sowieso in Ordnung bringen wollte. Sie sagte, sie hätte das ohnehin gemacht und bekomme es auf diese Weise ein bisschen billiger."

Nicht frustiert sein, wenn viele nicht aktiv werden

Was Kruse sagte, mündete schließlich nicht in ein Patentrezept, mit dem auch hartnäckige Sanierungsmuffel zum Aktivwerden verführt werden können. Ihre Ausführungen waren eher geeignet, unrealistische Erwartungen an Informationskampagnen oder -aktionen herunterzuschrauben.

Sogar wenn 90 Prozent der Bewohner sich entschieden, nichts zu tun, sei das Informieren nicht wertlos. Sie hätten dann das Wissen und würden möglicherweise später, wenn es ihnen besser passe, sich daran erinnern. "Information ist also richtig; man darf nur nicht frustiert sein, wenn viele erst einmal nicht aktiv werden", sagte Kruse.

Etwas Positives wusste sie aber dennoch zu berichten, nämlich dass eine einmal angestoßene Aktion zum Selbstläufer werden kann. Von früheren Studien zum Beispiel über die Anschaffung einer Solaranlage wisse man, dass Vorbilder eine starke Wirkung hätten: "Der Rat eines Nachbarn oder die direkte Anschauung wird als viel zuverlässiger und vertrauenswürdiger angesehen als das, was mir ein Fachmann sagt." von Alexander Morhart

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