Eine Innendämmung ist immer dann das Mittel der Wahl, wenn die Dämmung der Fassade von außen nicht möglich ist. Das gilt zum Beispiel bei historischen Gebäuden mit denkmalgeschützten Fassaden oder wenn in einem Mehrfamilienhaus nur ein einzelner Eigentümer aktiv werden will. Auch, wenn das Gebäude auf der Baugrenze steht und daher keine Außendämmung möglich ist, bietet sich die Innendämmung an.
Aber eine Innendämmung stellt besondere Anforderungen an die Planenden und Ausführenden und ist mit erheblichen Risiken verbunden, werden diese nicht erfüllt. Denn bei Fehlern besteht die Gefahr, dass über Konvektion feuchtwarme Raumluft in die Konstruktion eindringt und die Feuchtigkeit hinter der Dämmebene kondensiert, was zu gravierenden Schäden an der Bausubstanz führen kann. Das europäische Forschungsprojekt RIBuild hat sich daher zum Ziel gesetzt, vollständige und umfassende Richtlinien für ausführende Fachunternehmen zu schaffen, auf deren Basis feuchtesichere Innendämmsysteme in Bestandsgebäude eingebaut werden können. Die Endversion dieser Richtlinien soll Ende 2019 verfügbar sein.
„Eigentlich gibt es schon eine Zusammenfassung der wichtigsten Verarbeitungsregeln“, sagt dazu Jürgen Gänßmantel, Innendämmexperte und Vorsitzender des Fachverbands Innendämmung (FVID). Gemeint ist das vom FVID herausgegebene Praxis-Handbuch Innendämmung, das die verschiedenen Innendämmsysteme im Detail erläutert und deren Vor- und Nachteile sowie Eignung für die verschiedenen Anwendungsbereiche aufzeigt. Dennoch begrüßt Gänßmantel das Engagement der europäischen Forschungseinrichtungen. „Je mehr Transparenz zur Innendämmung geschaffen wird, desto größer ist die Chance, dass Verarbeitern und Bauherren die Angst vor diesem komplexen Thema genommen wird“, sagt er.
Innendämmung schöpft Marktpotenzial nicht aus
Zwar habe das Thema Innendämmung an Bedeutung zugenommen, es werde auch zunehmend als echte energetische Maßnahme betrachtet. Das Marktpotenzial das der FVID vor Jahren identifiziert habe, werde aber nach wie vor bei weitem nicht ausgeschöpft, so Gänßmantel weiter. Als Grund nennt er unter anderen die aktuelle wirtschaftliche Situation: Die Zinsen sind niedrig, Öl und Gas billig, folglich bestehen kaum Anreize, energetisch zu sanieren.
Wie groß genau der Markt für Innendämmsysteme heute ist, lässt sich kaum sagen, denn es mangelt an Transparenz. „Hersteller wie Xella, deren Produkt Multipor sowohl für die Innen- als auch für die Außendämmung genutzt werden kann, wissen nicht, wofür es am Ende tatsächlich angewandt wird.“ Gleiches gelte für Mineralwolldämmstoffe, erläutert der Experte, der dennoch einen deutlichen Trend ausmacht: Innendämmsysteme mit natürlichen Dämmstoffen legen zu. Als Beispiele nennt Gänßmantel Systeme mit Lehm, Schafwolle oder Hanf.
Seit Anfang dieses Jahres ist beispielsweise das System TONISinnen auf dem Markt, das laut Hersteller zu 99 Prozent aus ökologischen Substanzen besteht. Hauptbestandteil sind Holzfaserdämmplatten mit einer bereits fertig aufgebrachten Schicht Lehmputz. „Wir haben ein schlankes System gesucht, das in 90 Prozent der Fälle anwendbar und sehr gutmütig in Bezug auf Fehler ist“, berichtet Michael Glingener, Geschäftsführer des Herstellers Tonis Gebäudedämmung UG aus Sundern im Sauerland. Sowohl die Holzfaserdämmplatte als auch der Lehmputz seien in der Lage, sehr viel Feuchtigkeit aufzunehmen und auch wieder abzugeben. Da Lehmputz aber sehr lange Trocknungszeiten habe, habe man sich für eine fertig beschichtete Platte entschieden. Grundsätzlich können Bauherren das System selbst einbauen, müssen dann aber zuerst eine Schulung absolvieren. „Innendämmung darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen, ohne Schulung geht bei uns kein Produkt raus“, betont Glingener, der mit TONISinnen vor allem auf die klassischen Ausbaugewerke abzielt. Bei Selbstverarbeitung koste das Produkt etwa 50 Euro pro Quadratmeter, fertig verarbeitet seien es rund 125 Euro pro Quadratmeter.
Neben dem Trend zu natürlichen Dämmstoffen beobachtet der FVID-Vorsitzende Gäßmantel aktuell drei weitere Entwicklungen, auf die die Hersteller reagieren:
1. Die horrenden Preise für Wohnraum in vielen deutschen Großstädten sorgen dafür, dass deutlich weniger Platz für die Innendämmung zur Verfügung steht. Denn jeder Quadratmeter, der für die Innendämmung genutzt wird, ist mit sehr hohen Kaufpreiseinbußen verbunden. Das ruft dünne, sehr leistungsfähige Systeme auf den Plan. Ein Beispiel ist Calostat von Evonik.
2. Plastische Dämmstoffe, beispielsweise Aerogel-Dämmputze, waren bislang sehr teuer. Sie sind jedoch vergleichsweise einfach zu verarbeiten. Nun bieten immer mehr Hersteller Dämmputze an, die zwar nicht ganz so leistungsfähig, aber deutlich preisgünstiger sind.
3. Bei der Umnutzung von Immobilien, etwa von landwirtschaftlichen Gebäuden in Wohnraum treten besondere Probleme aufgrund von Feuchtigkeits- oder Salzeinträgen auf. Erste Hersteller haben das erkannt und bieten entsprechende Produkte an. Ein Beispiel hierfür ist Multipor Exsal Therm von Xella. von Silke Thole