Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

3D-Druck und additive Verfahren werden für das Bauwesen interessant

Gedruckte Prototypen weisen am Bau Weg in die Zukunft

Professor Moritz Mungenast druckt Fassadenelement. © TU München

Betonpumpen türmen Material schichtweise zu Wänden. Aus den Gelenkarmen von Schweißrobotern entsteht eine Brücke aus Stahl: Immer mehr Forscher und Firmen entwickeln additive Verfahren, um Bauwerke zu errichten. Bis diese hierzulande anwendungsreif sind, dürfte aber noch ein Jahrzehnt vergehen.

„Firma druckt Betonhaus innerhalb von 24 Stunden“, „Erste Familie bezieht Haus aus dem 3D-Drucker“, Schlagzeilen wie diese liest man häufiger in jüngster Zeit. Einerseits zeigen sie, dass neuartige Fertigungsmethoden ins Bauwesen einziehen. Andererseits vermitteln sie aber einen übertriebenen Eindruck, die Revolution im Bauwesen stehe unmittelbar bevor. Zwar hat das Start-Up-Unternehmen Apis Core tatsächlich mit einem Roboterarm, der Beton druckt, innerhalb eines Tages ein schickes Häuschen in der Nähe von Moskau gebaut. Und auch das 95-Quadratmeter-Haus in Nantes des YHNOVA-Projekts ist bezogen. Bislang handelt es sich aber bei allen Projekten um Prototypen und Einzelmodelle, die von aufstrebenden Unternehmen und Forschern vor allem via Internet bekannt gemacht werden.

„Diese Technologie ist im Bauwesen völlig neu. Wenn man Materialentwicklungen anschaut wie den ultra-hochfesten Beton oder das Schweißen mit Stahl, dann rechnen wir mit Entwicklungszyklen von 15 bis 20 Jahren“, sagt Ulrich Knaack, Professor für Fassadentechnik an der Technischen Universität (TU) Darmstadt. „Zudem müssen Bauprodukte genehmigt werden, was ein Prozess von fünf bis zehn Jahren ist.“ Es dürften also noch einige Jahre vergehen, bis ähnliche Häuser in Deutschland entstehen. Nichtsdestotrotz forschen auch Knaack und sein Team an additiven Verfahren. Sie drucken Fassaden-Freiformknoten und individuell gestaltete Ziegelsteine. Zwar schätzt Knaack, dass 80 Prozent der aktuellen 3D-Druck-Projekte im Bauwesen mit Beton arbeiten. „Prinzipiell vorstellbar“ sei es zum Beispiel aber auch, Holz zu drucken. Dazu laufen bereits Versuche, meist aber mit Holzmehl und Kleber, sodass das Endprodukt zwar nach Holz riecht und aussieht, aber zu 60 Prozent aus Kunststoff besteht. „Wir stellen uns vor, die Holzfasern zur Verklebung bringen“, so Knaack. Aber hier stehe man am Anfang der Forschung.

Beton ist Schwerpunkt beim 3-D-Druck

Und auch beim Beton ist eines der Hauptprobleme ungelöst: Die Stabilität und Standsicherheit. Die erreicht man im klassischen Schalungsbau, indem man Stahl verbaut. Die bisherigen Prototypen-Bauer, wie das chinesische Unternehmen WinSun, versuchen, die Betonstabilität durch Beimischung etwa von Glas- oder Kohlefasern zu erhöhen. Zudem drucken sie eine Innen- und eine Außenwand, die durch eine wabenartige Betonstruktur verbunden werden. Das hat den Vorteil, dass man die Zwischenräume zur Isolierung nutzen kann.

Für YHNOVA hatte die Universität Nantes das Verfahren BatiPrint 3D entwickelt: Ein Roboter spritzte quasi eine Schalung, zwei Wände aus schnell härtendem Schaum. Der Zwischenraum wurde mit Beton ausgefüllt. Den Schaum verwendet man dann als Isolierschicht. An der TU München arbeiten Forscherinnen und Forscher am Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion an weiteren additiven Beton-Verfahren: Extrudieren mit beigemischtem Holz als leichtem Werkstoff, etwa. Oder einer Steinschüttung, auf die man selektiv Zementkleber aufbringt, sodass ein dreidimensionale Objekt aus gröberen Steinen entsteht. Außerdem experimentiert das Team um Klaudius Henke damit, auf ein Sand-Zementgemisch selektiv Wasser aufzusprühen, sodass es nur dort aushärtet und man das übrige Material am Ende entfernen kann.

Futuristische Fassaden mit klimatisierenden Eigenschaften

Kunststoff eignet sich zwar wegen mangelnder Festigkeit und vor allem wegen des Brandschutzes nicht dafür, ganze Gebäude zu drucken. Aber unter anderem für Fassaden gibt es bereits innovative Ideen. So hat das Team um Moritz Mungenast, Professor für Entwerfen und Gebäudehülle an der TU München, ein 3D-gedrucktes, hochkomplexes, aber organisch geformtes Fassadenelement aus Polycarbonat entwickelt. Es soll anpassungsfähig im Sommer vor der Sonne schützen, im Winter Licht einlassen, durchsichtig sein, aber schalldämmend wirken, gleichzeitig dämmen und frische Luft durchlassen über kleine Kanäle im Material, in denen die Luft vorgewärmt wird. Seit März 2018 ist der Prototyp mit dem Namen „Fluid Morphologie“ nach Mungenasts Angaben an der Solarstation der TU München montiert. Dort soll sich zeigen, wie sich die Fassade verhält, wenn sie Wind und Wetter ausgesetzt ist. Die ersten Ergebnisse nennt Mungenast „positiv“, detailliert werden diese derzeit in einer Doktorarbeit ausgewertet.

Am Institut für Tragwerksentwurf der TU Braunschweig wurde mit dem Digital Building Fabrication Laboratory sogar ein einzigartiges Labor eingerichtet. Darin kombinieren die Forscher den Betondruck mit subtraktiven Verfahren wie sägen und fräsen – an einem Roboterarm, der in alle Richtungen arbeiten kann nicht nur von unten nach oben aufbauend. Diese Technik wollen sie nun mit einem Industrie-Schweißgerät verbinden. Damit könnte in einigen Jahren womöglich sogar eine Stahl-Bewehrung robotisch in den gedruckten Beton eingebracht werden. Zum Drucken von Stählen laufen auch anderswo Pilotprojekte. „Beim Lasersintern hat sich viel getan, da sind inzwischen Bauteile von ein, zwei Metern Größe möglich“, berichtet Knaack. „Aber die Festigkeiten sind nach wie vor für uns im Bauwesen schwierig. Und wir müssen immer auch das Langzeitverhalten bedenken. Zudem haben wir für diese Technik noch keine Prüfverfahren im Bauwesen.“

Roboter schweißen eine Brücke

Das derzeit spektakulärste und am weitesten fortgeschrittene Projekt mit Stahl heißt MX3D und arbeitet nicht mit Lasersintern, sondern indem ein robotergesteuerter Schweißapparat ein Volumen erzeugt. Konkret ist das eine kunstvoll gestaltete Edelstahlbrücke, die das Konsortium im kommenden Jahr über einem Kanal in Amsterdam anbringen will. Das Bauwerk ist bereits fertiggestellt, muss nun aber ebenfalls noch Belastungstests überstehen. „Für uns im Bauwesen ist das sehr spannend“, sagt Knaack zu MX3D. „Ich denke, dazu werden wir in Kürze sehr viele Lösungen sehen. Schweißen kennen wir im Bauwesen und haben Normen. Die Brücke hat eine hohe gestalterische Qualität, eigentlich ist es ein Kunstprojekt. Irre, dass sie das in der riesigen Dimension hinbekommen haben, das ist wirklich beeindruckend.“ Nun müsse man aber abwarten wie die Funktions- und Belastungstests ausgehen.

Dass andere Länder beim 3D-Druck im Bauwesen weiter erscheinen, liegt daran, dass die Vorschriften nicht überall so streng sind wie hierzulande. Zudem wird nicht überall ein Standard erwartet wie in Deutschland. So plant die Non-Profit-Organisation New Story zusammen mit dem Start-Up ICON aus Austin (Texas), einfache, eingeschossige Häuser in Entwicklungsländern zu drucken. Die Firma wählte dazu ebenfalls ein Beton-Extrudierverfahren. Den ersten Prototyp bauten sie Anfang 2018 mit einem Roboter auf einer Art Portalkran. Der druckt die Wände ebenfalls mit einer Wabenstruktur zwischen Innen- und Außenwand, die Betonwürste bleiben sichtbar. Darauf setzt man ein einfaches Holzdach. Den armen Menschen in El Salvador wird das wie Luxus vorkommen, dort soll die erste derartige Siedlung entstehen. Auf der anderen Seite der Welt treiben die reichen Golf-Emirate die Entwicklung voran. Dubai gab 2016 die Strategie heraus, bis im Jahr 2030 bei jedem vierten Gebäude 3D-Drucktechnik einsetzen zu wollen. Dass gleichzeitig präsentierte Büro der Zukunft (Office of the Future) entstand aus vorgedruckten Betonteilen.

„Die Deutschen sind im Bauwesen sehr vorsichtig, bei uns fallen Häuser selten um“, sagt der Wissenschaftler Knaack. „Diese Qualität bedeutet, dass man eine hohe technische Sicherheit haben möchte, was zur Konsequenz hat, dass wir sehr viele Regeln haben. Die machen unsere Umsetzungsprozesse bei den Prototypen und den regelmäßigen Anwendungen langsamer.“ Wie andere Revolutionen in der Geschichte wird die im Bauwesen also wohl kaum in Deutschland beginnen. Daniel Völpel / pgl 

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