Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

Weiterentwicklung des Blauen Engels für WDVS geplant

Forschung zu WDVS ohne Biozide startet

Umweltbundesamt und Fraunhofer-Institut für Bauphysik wollen die Einsatzmöglichkeiten von WDVS ohne Biozide untersuchen.

In einer vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebenen Untersuchung beschäftigt sich das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP aktuell mit dem Einsatz von Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS). Die Forscher evaluieren dabei die Einsatzmöglichkeiten biozidfreier Komponenten und Beschichtungen.

Mit Hilfe einer webbasierten Umfrage, die sich an Bauherren und Besitzer von privatem Wohneigentum richtet, soll unter anderem die Akzeptanz von WDVS ermittelt werden. Darüber hinaus sollen die gewonnenen Daten auch bei der Weiterentwicklung des seit 2009 existierenden Umweltzeichens "Blauer Engel" für WDVS berücksichtigt werden.

Der Trend bei Neubauten geht zunehmend zum Passivhaus beziehungsweise Plusenergiehaus. Allerdings gibt es in Deutschland auch einen großen Teil an bereits bestehenden, sanierungsbedürftigen Wohngebäuden. Konkret rechnet man in den nächsten 20 Jahren bei fast der Hälfte aller deutschen Wohnhäuser mit energetischem Sanierungsbedarf. Bei einem Bestand von rund 40,2 Millionen Wohnungen entspräche das einer Million zu sanierender Gebäude pro Jahr. Diese Immobilien müssen beispielsweise mit einer nachträglichen Dämmung versehen werden. Dabei kommen häufig die sogenannten Wärmedämm-Verbundsysteme zum Einsatz.

In der Bilanz für das Jahr 2011 weist der Fachverband Wärmedämm-Verbundsysteme (FV WDVS) einen Absatz von 37 Millionen Quadratmetern verbauter WDVS für seine Mitglieder aus. Das verarbeitete WDVS-Volumen im deutschen Gesamtmarkt stieg von 41,8 Millionen Quadratmetern verlegter Fläche in 2010 auf 42,5 Millionen im vergangenen Jahr.

Es gibt allerdings einen Nebeneffekt dieser energetischen Sanierungsmethode, der noch nicht hinreichend untersucht ist: "Mit der Verringerung des Wärmetransports durch die Fassade geht eine Absenkung der Temperatur an den Außenoberflächen einher. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich auf der Außenfläche von diesen Gebäuden Tauwasser bildet. Die vermehrte Verfügbarkeit von Feuchte bildet eine verbesserte Grundlage für mikrobielles Wachstum", sagt Wolfgang Hofbauer, Leiter der Arbeitsgruppe Biologie am Fraunhofer IBP.

Durch das mikrobielle Wachstum können sich Verfärbungen auf der Fassade bilden. Diese beeinträchtigen das Wärmedämmvermögen nicht, können aber einen optisch unschönen Eindruck vermitteln. Das an der Fassadenoberfläche herrschende Mikroklima wird durch die materialtechnischen Eigenschaften der verwendeten Beschichtungsstoffe, die Bauweise und die klimatischen Bedingungen bestimmt. Auch die unmittelbare Umgebung eines Bauwerks hat einen Einfluss: Liegt es in der Stadt, auf dem Land in der Nähe von Gewässern oder Wäldern.

Eine quantitative Erhebung hat die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen 2010 veröffentlicht. Sie wurde von der Fakultät für Ingenieurwissenschaften der Hochschule Wismar und dem Dahlberg-Institut für Diagnostik und Instandsetzung historischer Bausubstanz durchgeführt. Eine starke bis sehr starke Algenbesiedlung wurde bei zirka 13 Prozent der untersuchten Fassaden und eine schwache bis mittelmäßige Algenbesiedlung bei zirka 44 Prozent der Fassaden festgestellt. 

Um den Bewuchs mit Algen oder Pilzen zu verzögern, werden Kunstharzputze und Dispersionsfarben für Fassaden meist mit bioziden Wirkstoffen versetzt. Durch ablaufendes Regenwasser können diese Wirkstoffe von der Fassadenoberfläche in die Umwelt gelangen.

Der Einfluss der einzelnen Parameter, die Algen- oder Pilzbewuchs fördern, wurde bislang nicht wissenschaftlich quantifiziert. Da jedoch detaillierte Kenntnisse über die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Bedingungen die Grundvoraussetzung für fundierte Ergebnisse sind, hat sich das Fraunhofer IBP im Auftrag des Umweltbundesamtes an deren Erforschung gemacht. Ziel des Projektes ist es, eine solide Datengrundlage zur Anwendungssituation von WDVS zu schaffen

Mit Hilfe der gewonnenen Ergebnisse soll ein Einsatz biozider Wirkstoffe an Fassaden künftig möglichst vermieden oder zumindest deutlich verringert werden und somit auch die negativen Einflüsse auf die Umwelt. Eine Alternative können hygrisch optimierte Putze sein, die keine Biozide enthalten, aber möglicherweise nicht unter allen Randbedingungen langfristig vollständig ohne Bewuchs bleiben.

Ein wesentliches Ziel des Projekts besteht darin, auf der Basis der Erfahrungen möglichst vieler Bauherren Empfehlungen für den Einsatz biozidfreier Systeme aufzuzeigen. Die Daten fließen außerdem als wissenschaftliche Grundlage in die Weiterentwicklung des seit 2009 bestehenden Umweltzeichens "Blauer Engel" für WDVS (RAL-UZ 140).

Zunächst analysieren die Fraunhofer-Forscher die aktuell bestehende Anwendungssituation für WDVS in Deutschland. Dies umfasst neben einer gründlichen Marktanalyse auch die Ermittlung der Rahmenbedingungen, unter denen kein Bewuchs auftritt oder die zu einem Bewuchs von Mikroorganismen an den Fassaden führen. Zum einen werden Art und Ausführung der WDVS erfasst, zum anderen sind aber auch Architektur und Konstruktion der Gebäude sowie die bauphysikalischen Aspekte und die mikroklimatischen Bedingungen wichtige Parameter.

Dazu startet das Fraunhofer IBP eine umfangreiche webbasierte Umfrage: Unter fassadenforschung.de soll sich eine möglichst große Zahl von privaten oder öffentlichen Bauherren sowie Besitzern privaten Wohneigentums zu ihren persönlichen Erfahrungen mit WDVS äußern. In nur wenigen Minuten können sich die Umfrageteilnehmer unkompliziert und schnell per Mausklick an der Studie beteiligen.

Aus dieser Umfrage heraus werden Fallbeispiele ausgewählt und - sofern vom Hausherren gestattet - Ortsbegehungen erfolgen. Es sollen sowohl langfristig schadensfreie als auch von Pilzen und Algen "befallene" Gebäude detailliert betrachtet und analysiert werden. Daraus resultierend werden die Fraunhofer-Mitarbeiter wesentliche Einflussfaktoren für eine langfristig bewuchsfreie Verwendung von WDVS herausarbeiten. Quelle: Fraunhofer IBP / pgl

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