Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

Fensterbauer sehen großen Bedarf für Vakuumglas

Fenster sind für Monteure kaum noch zu tragen

Tagungsleiterin Odette Moarcas provozierte Widerspruch bei den Teilnehmern. © A. Morhart

Nicht zuletzt aufgrund der hohen energetischen Anforderungen werden Fenster immer größer, dicker und schwerer. Während Forscher vom ift Rosenheim nüchtern Ursachen analysieren, beklagen Fensterbauer die Schinderei für die Monteure und fordern von der Glasindustrie eine schlanke Technik.

Die Glasbemessungsnorm DIN 18008 wird gerade überarbeitet. Und es sieht ganz danach aus, dass im Laufe des kommenden Jahres eine neue Fassung gültig wird, die für zugängliche Brüstungen Sicherheitsglas vorschreibt. "Das bedeutet schon wieder eine Scheibe mehr", sagte Institutsleiter Ulrich Sieberath bei der Tagung "Holzfenster in Denkmalschutz und Sanierung", ausgerichtet in Berlin vom Institut für Fenstertechnik (ift Rosenheim).

Eine Scheibe mehr – wieder einmal. Zwecks besserer Wärmedämmung waren im 19. Jahrhundert aus einer Glasscheibe zwei geworden; heute sind es oft sogar drei. Schallschutz und Einbruchsicherung trieben außerdem die Glasdicke nach oben, und der Rahmen wächst sozusagen jeweils mit. "Es wird immer dicker. Die Holzprofile werden immer mehr an Masse", sagte Manuel Demel, Projektingenieur im Labor Bauphysik des ift, und verglich die Entwicklung mit der im Automobilbau: "Ein bisschen mehr Hubraum, ein bisschen mehr Drehmoment – aber das ist eigentlich nicht das, wo wir hinwollen." Bei drei Scheiben wiegt allein die Verglasung eines handelsüblichen Wärmedämmfensters in der Standardgröße rund 64 kg, wenn die Scheibendicke zum Schutz gegen Einbruch erhöht sein soll.

Architekten halten die empfohlene Maßbegrenzung nicht ein

Zahl und Dicke der Scheiben ist das eine, die Vorliebe vieler Architekten und Bauherren für große Glasflächen das andere. Institutsleiter Sieberath erinnerte an klassische Maßempfehlungen, denen gemäß man bei einer Begrenzung auf etwa 1 Meter Breite und 2,20 Meter Höhe lande: "Da kommt man noch einigermaßen zurecht. Unser Problem ist ja nur, dass der Architekt permanent drübergehen will." Sieberath versuchte, die Zuhörer mit dem Extrembeispiel eines Hebe-Schiebe-Fensters für ein Einfamilienhaus zu erheitern. Es war so schwer, dass die Frau des Käufers körperlich nicht in der Lage war, es zu bewegen. "Das Ding hatte 8 Meter Breite und 4 Meter Höhe."

Den Zuhörern in Berlin aber, zumindest den vielen Fensterbauern unter ihnen, machen im Alltag eher die üblich gewordenen 180 bis 200 Kilogramm schweren Fensterflügel zu schaffen, die man auch zu viert kaum noch schleppen und in den Blendrahmen wuchten kann. Und nach ein paar Jahren gibt es womöglich Ärger mit überlasteten Beschlägen und Verankerungen. Der Verdruss darüber mag den heftigen Widerspruch erklären, der auf eine Aussage von Karin Lieb vom Geschäftsbereich Prüfung des ift zur nach wie vor nicht existierenden Produktion von leichter Vakuumverglasung in Europa folgte. Lieb hatte auf Nachfrage aus dem Publikum unter anderem gesagt: "Momentan ist keine Nachfrage da, und dann stellt es auch keiner her, sieht auch keiner die Notwendigkeit der Investition."

Fensterbauer: Die Branche wartet auf Vakuumverglasung

"Sie sagen, die Nachfrage wäre nicht da. Die Nachfrage ist riesig; die Branche wartet auf Vakuumverglasung", entgegnete Jan Sehlmann, Geschäftsführer von Sehlmann Fensterbau bei Hamburg. "Was wir mit unseren Monteuren zurzeit anstellen, ist eine absolute Katastrophe. Da spricht hier kein Mensch drüber. Es wird ja geradezu totgeschwiegen. Auf den Fenstertagen dieses Jahr: nicht ein Wort zu Vakuumglas!" Odette Moarcas, Prüfstellenleiterin Brand und Baustoffe im ift und Tagungsleiterin, stimmte zu, dass es hier Handlungsbedarf gäbe, sprach aber von einem "Nischenbereich". Damit provozierte sie gleich den nächsten Widerspruch aus dem Publikum: "Bei uns, wir sind auch Hersteller, sind 50 Prozent aller Scheiben großformatig und so schwer wie mein Vorredner gerade gesagt hat. Wir finden keine Montagebetriebe mehr."

Das bestätigte später im Pausengespräch auch Eduard Appelhans, der im Sauerland den Fensterbaubetrieb Sorpetaler führt und zugleich im Vorstand des Bundesverbands Proholzfenster sitzt: "Die Montage ist die Hölle. Sie finden heute kaum noch Monteure, die das machen. Und wenn, sind sie sehr schnell krank und kaputt."

Die Vakuumverglasung ist eine von drei Möglichkeiten, mit weniger Glasgewicht eine ausreichende Wärmedämmung zu erreichen. Durch zwei Scheiben, aus deren Zwischenraum die Luft weitgehend entfernt ist, dringt sogar weniger Wärme als durch drei Scheiben mit Krypton dazwischen. Es gibt mehrere Produzenten in China, neuerdings auch einen in Russland sowie den japanischen Hersteller Pilkington/NSG, der eine spezielle Dreischeiben-Vakuumverglasung für denkmalgeschützte Gebäude auch nach Europa liefert.

Zuverlässige Qualität ist bei Vakuumglas kein Problem mehr

Lange war eine genügende Qualität bezweifelt worden – namentlich, dass die Importware das Vakuum über die Lebensdauer hinweg ausreichend halten würde. Karin Lieb sagte jedoch dazu, die Messungen am ift hätten nicht nur im Neuzustand, sondern auch nach einer gewissen Alterung durchaus Uw-Werte von 0,4 oder 0,5 W/m²K bestätigt. Ulrich Sieberath sieht denn auch das Problem nicht mehr im zuverlässigen Langzeitverhalten, sondern in den Auswirkungen der grundsätzlich anderen Verarbeitungsnotwendigkeit.

Herkömmliches Fensterglas könne bei Isolierglasherstellern nach den gewünschten Maßen geschnitten und verklebt werden; dagegen komme Vakuumglas in Fertigmaßen in Europa an und müsse so verbaut werden, meist in kleingliedrigen Stückzahlen. Dass wiederum die Stückzahlen hierzulande jeweils so klein sind, erklärte Eduard Appelhans mit einem großen Bestand von Fenstern, fast alle unterschiedlich groß. Anders als in China geht es in Europa meist nicht um massenhaften Neubau mit wenigen Einheitsformaten. "Vorkonzeptionierte Glasgrößen würden eine Normfensterproduktion erfordern." Die sei bei uns Anfang der 70er Jahre ausgestorben – zu Recht, denn Standard für historisch vielfältige Gebäude "macht die Fassaden tot; das will hier keiner haben."

Für das Stückzahl-und-Format-Argument spricht der Sonderfall Dachfenster, wo ein großer Hersteller Vakuumglas bereits heute in erheblichem Umfang einbaut. Sieberath: "Die sind durch die Sparrenbreite in Standardmaßen ausgelegt." So könne man große Mengen viel leichter zukaufen, auch im Ausland.

Produktion vor Ort oder in China

Nach Appelhans' Einschätzung werden sich Vakuumgläser zumindest in Deutschland nur dann durchsetzen, "wenn wir Produktionen vor Ort haben". Zumal auch schon heute der Fensterbauer darauf angewiesen sei, dass die Transportwege nicht allzu weit seien. Sonst seien die Logistik nicht hinzubekommen und die vom Markt geforderten Preise nicht zu realisieren. In diesem Punkt ist der ift-Chef optimistischer. Auch in China oder sonstwo könnte man, so sieht er das, auf Bestellung maßgeschneidert vorfertigen. "Es ist wie immer: Wenn man eine neue Technologie hat und die Stückzahlen noch nicht da sind, ist das noch sehr teuer."

Das gelte auch für die beiden anderen Möglichkeiten, das Gewicht zu verringern: Konstruktionen, die durch Kunststoff-Folien in den Mittelschichten getrennt sind und ähnlich gute Eigenschaften haben wie Vakuumglas; und die Dünnglastechnologie mit gehärteten dünnen Scheiben. Das mit den Stückzahlen werde sich in der nächsten Zeit verändern, die Preise würden sinken – "aber vielleicht nicht so schnell, wie die Fensterbauer sich das wünschen." Ein weiteres, nach mehrheitlicher Ansicht der Experten allerdings weniger bedeutendes Problem betrifft speziell die Vakuumverglasung. Laut Karin Lieb ist die ISO-Norm dafür bisher nur im Entwurf vorhanden. Damit sei Vakuumglas in Deutschland ein sogenanntes "ungeregeltes Bauprodukt" und eine behördliche Zustimmung im Einzelfall nötig. Diese sei jedoch nach Aussage des Herstellers Pilkington "unkritisch zu kriegen". Von Alexander Morhart

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