Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

Praxistipps bei der Holzfenster-Tagung des ift Rosenheim

Fenster sanieren ist schwerer als neu bauen

Wolfgang Jehl vom ift Rosenheim unterstützt Fensterbauer mit bauphysikalischen Faustregeln. © Alexander Morhart

Ein Haus neu bauen kann jeder. Alte Fenster sanieren – da zeigt sich wahre Handwerkskunst. Und schon Fenster auszutauschen ist anspruchsvoll, wenn es danach nicht schimmeln soll. Das ist die Botschaft einer Tagung des ift Rosenheim in Berlin.

Die Schinderei der Monteure mit Fensterflügeln von 200 Kilogramm Gewicht und mehr, die zum vorübergehenden Aufregerthema der ift-Tagung geworden war, erinnerte daran, dass der Neubau eines Gebäudes für die ausführenden Handwerker immer harte Arbeit ist. Aber fachlich gesehen ist neu bauen schon fast komfortabel. Das wurde im Vortrag von Wolfgang Jehl klar: Die Pläne kommen bis ins Detail vom Architekten; es gibt Normen und Standardlösungen; die Baumaterialien sind bekannt.

Ganz anders, wenn ein Altbau saniert werden soll. Pläne sind meist nicht mehr verfügbar, Materialien weder bekannt noch direkt zugänglich, und die ausführende Firma muss vieles selbst herausfinden, planen und im Zweifel auch für die Folge haften. Jehl, ein altgedienter Holztechniker und Leitfadenautor mit "Guru"-Status am Institut für Fenstertechnik (ift Rosenheim), hatte neben vielen Beispielen für planerisch-handwerklichen Pfusch auch eine durchdachte Systematik und bauphysikalische Faustregeln zu bieten.

Faustregel für das Vermeiden von Schimmel

Tauscht man im Altbau Fenster aus, kommt es vor allem bei einschaligem Mauerwerk manchmal zu Tauwasser an oder in der Laibung. Aber wann lohnt sich überhaupt der Aufwand, das Risiko tief gehend zu prüfen?

Das entscheidende Kriterium ist laut Jehl eine Grenze des U-Werts von 1,0 Watt pro Quadratmeter und Kelvin im Laibungsbereich. Das sei "ein sehr guter Anhaltswert, um im ersten Schritt abzuschätzen: Haben wir hier ein Problem mit dem Mindestwärmeschutz oder nicht?". Bei mehr als 1,0 werde es kritisch. Tauwasser und womöglich Schimmel seien zu befürchten. Der U-Wert lässt sich mit einer halbwegs überschaubaren Formel abschätzen, für die Dicke und Beschaffenheit des Mauerwerks bekannt sein müssen.

Sogar ganz ohne Rechnen und Aufkratzen der Wand kommt man aus, wenn die Standortregion und das Baujahr schon im Bauteilkatalog des Zentrums für umweltbewusstes Bauen (ZUB Kassel) erfasst sind. Darin sind typische Außenwandkonstruktionen katalogisiert, so dass der Zollstock reicht, um den vermutlichen U-Wert in einer Tabelle abzulesen.

Was bei einem kritischen U-Wert von über 1,0 W/m²K zu tun ist, kann man wie viele weitere Informationen einer langen Checkliste entnehmen, die beim ift erhältlich ist. Wolfgang Jehl empfahl aber auch das Merkblatt ES.06 des Verbands Fenster + Fassade (VFF): "Handlungsempfehlungen zur schimmelpilzfreien Teilmodernisierung mit Fenstern". Übersichtlich auf nur zwei A4-Seiten bekommt man hier für gängige Konstellationen einen Rat: Brauche ich einfach nur das neue Fenster einzubauen? Soll ich Sanierleisten oder eine Laibungsdämmung anbringen – und wo? Oder muss eine besondere Maßnahme überlegt werden?

Speziell für wärmetechnische Schwachstellen wie zum Beispiel eine Stein-Fensterbank innen und außen ohne thermische Trennung hatte Jehl eine weitere Faustregel parat: "Versuchen Sie bei der Sanierung, mindestens zwei Zentimeter thermische Trennung herzustellen." Mit zwei Zentimetern Dämmung sei man "im grünen Bereich". Ausgestattet mit solchen Regeln lassen sich die Fenster reinen Gewissens gegen moderne, hoch wärmedämmende Exemplare austauschen.

Kastenfenster sind oft erhaltenswert

Manchmal gibt es allerdings gute Gründe, die "Augen" eines Hauses eben gerade nicht auszuwechseln. Denkmalschutz kann ein solcher Grund sein – wie vor kurzem bei der Sanierung einer großen Wohnanlage im Berliner Stadtteil Zehlendorf. Stil und Ästhetik waren die Hauptargumente für eine Grundsatzvereinbarung, die der Berliner Senat vor einem halben Jahr mit gleich allen sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften geschlossen hat. In beiden Fällen geht es um die Erhaltung des Kastenfensters als stilprägendes Architekturelement seit der Gründerzeit. Und auch bauphysikalisch schneidet gerade das Kastenfenster gar nicht so schlecht ab – sowohl mit seinen passablen Wärmedämmeigenschaften als auch beim Vermeiden von Tauwasser in der Laibung.

Für rund 2500 Euro kann man ein altes Kastenfenster runderneuern: neu lackieren, morsche Bereiche ausbessern, die Verglasung austauschen und eine Dichtung anbringen. Noch billiger ist manchmal nur der Wechsel zum Kunststoff-Fenster – oder aber die minimalistische Variante, die je nach Größe und Holzzustand etwa für die Hälfte zu haben ist: Alles bleibt beim Alten; nur die maroden Stellen werden ausgebessert.

Mit dieser Minimallösung befassten sich allein zwei Vorträge der Tagung. Odette Moarcas, Prüfstellenleiterin Brand und Baustoffe beim ift, berichtete von einer groß angelegten Studie zu Fäulnisschäden an deckend lackierten (Fachsprache: "beschichteten") Kiefer- und Fichtenfenstern. Im Jahr 2006 nahm das ift gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Holzforschung und der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen in diversen Gebäuden über 2000 Fensterflügel in Augenschein. Moarcas ging speziell auf die Fenster in einem Hochhaus in Berlin-Marzahn mit 13 Geschossen ein.

Mit Kanonen auf Spatzen schießen

Die Fäulnisschäden konzentrierten sich dort auf die obersten drei Geschosse. Bis zum 9. Obergeschoss gab es Schäden nur auf der Wetterseite. Fast immer traten sie an "offenen Brüstungsfugen" im unteren Bereich des Flügels auf. Offene Brüstungsfugen sind Vertiefungen mit v-förmigem Querschnitt, die konstruktionsbedingt dort vorhanden sind, wo zwei Rahmenholzstücke mit abgerundeten Kanten zusammentreffen.

Odette Moarcas beschränkte sich darauf, die Beobachtungen der Studie zu beschreiben. Sie überließ es den Zuhörern, Schlüsse daraus zu ziehen – zum Beispiel den, dass bei einem kompletten Austausch die weitaus meisten Fensterrahmen in unbeschädigtem, funktionierendem Zustand entsorgt worden wären. Bei den wenigen Rahmen mit Fäulnis wiederum würde es fast immer reichen, den kleinen Anteil gefaulten Holzes um die offenen Brüstungsfugen herum auszubessern.

Hier übernahm Henry Daartz von Repair Care International, in Deutschland Marktführer für Holzreparatursysteme. Das Unternehmen bietet hoch klebefähige Epoxidharze an, die vor Ort aus zwei Komponenten angemischt werden und abhängig von der Rezeptur nach 30 Minuten bis 16 Stunden ein schleif- und lackierbares Holzreparaturmaterial bilden – etwas fester als Holz und ähnlich elastisch.

Das Fenster – der Rahmen bleibt an Ort und Stelle montiert – wird mit einem Fräskopf von den gefaulten Stellen befreit, bis das gesunde Holz ansteht. Man grundiert die abgefräste Oberfläche, spachtelt das kurz zuvor angemischte Epoxidharz in die Lücke hinein und zieht mit dem Spachtel die Oberfläche glatt. Ist das Reparaturmaterial ausgehärtet, wird es abgeschliffen, grundiert und lackiert.

Reparieren kann Geld und Ressourcen einsparen

Daartz argumentierte zum einen mit dem vermiedenen Aufwand: Man baue das Fenster nicht aus, und es entstehe kaum Schmutz. "Wir brauchen nicht das Loch zu schließen mit einem Provisorium, denn in der Regel fängt man morgens an und ist abends wirklich so weit fertig, dass der erste Anstrich drauf ist."

Zum anderen rechnete er an einem Beispiel vor, dass der Reparaturpreis einschließlich zehn Kilometer Anfahrt und Arbeitskosten pro Fenster bei unter 200 Euro liege. Zugrunde gelegt waren 100 Fenster im gleichen Gebäude mit einer Größe von 1,30 mal 1,30 Meter, bei denen eine offene Brüstungsfuge von fünf Zentimeter zu reparieren war: Farbe entfernen, auffräsen, grundieren, eine Innendichtung einbauen, etwas Kitt ersetzen und die Stelle lackieren.

Als Henry Daartz zum Vergleich das Ganze für einen kleinen Auftrag mit nur zehn Fenstern darstellte, verschoben sich freilich schnell die Preisrelationen. Das Verfahren lohnt sich für größere Stückzahlen, beispielsweise wenn im Idealfall eine Wohnungsgenossenschaft eine Anzahl von Mehrfamilienhäusern saniert. Daartz: "Wir haben in Berlin im Kissingen-Viertel saniert zum Beispiel: 52.000 Quadratmeter Fensterfläche."

Zusätzlich zum Wirtschaftlichkeitsargument schickte der Vertriebsprofi auch den ökologischen Fußabdruck ins Rennen. Wenngleich er den Zuhörern Daten zum Ressourcenaufwand für das Epoxidharz schuldig blieb, ist offensichtlich: Der größte Teil des Fensters mit dem darin gebundenen Kohlendioxid bleibt bei diesem Verfahren erhalten; es muss nicht entsorgt werden, und es sind weder "graue Energie" noch sonstige Rohstoffe für das Produzieren eines neuen nötig. Daartz sagte, man könne so "ein altes Fenster fast auf den Neufensterzustand bringen."

Verfahren und Handwerker sind zertifiziert

"Neufensterzustand" kann sich ohne Austausch der Verglasung natürlich nur auf den Zustand zum Zeitpunkt der Herstellung des alten Fensters beziehen – mit den energetischen Eigenschaften der damaligen Zeit. Um Uralt-Exemplare mit Einfachverglasung ging es Daartz allerdings nicht: "Auch ein neues Fenster geht mal kaputt."

Die mechanische Qualität jedenfalls von so reparierten Fenstern hat das ift laut Daartz, bestätigt von Odette Moarcas, umfassend geprüft und für gut befunden. Repair Care wiederum schult, prüft und zertifiziert Handwerker für die korrekte Verarbeitung seiner Produkte, und zwar als einziger Anbieter dieser Art. Henry Daartz berichtete, es gebe bereits Wohnungsgenossenschaften, die von den Handwerkern ein solches Zertifikat verlangten – aus Erfahrung mit Pfuschern: "Es wird falsch gefräst, es wird falsch verarbeitet." Von Alexander Morhart

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