Wer in einem Neubau mit seinen Fenstern heizt, kann die Heizkosten im Vergleich zu einer Luft-Wasser-Wärmepumpe über 20 Jahre gesehen um 50 Prozent reduzieren. Das verspricht Vestaxx, ein Start-up mit Sitz in Berlin, das Knowhow aus der Dünnschicht-PV auf die Beschichtung von Fenstern überträgt. Erstmals gezeigt wurde ein Heiz-Fenster auf der Fensterbau Frontale, nun wurden Details bekanntgegeben, 2017 soll der Vertrieb erfolgen.
Gebäude sollen in Zukunft mit so gut wie gar keiner Energie mehr auskommen, zu Nahezu-Nullenergie-Gebäuden werden. Für die Hersteller von Heizungssystemen ist das keine gute Botschaft, denn wenn weniger Heizleistung gebraucht wird, fallen die Investitionen für das Heizsystem im Verhältnis zu erzeugter Kilowattstunde Leistung stärker ins Gewicht.
In gut gedämmten Häusern sind Grundkosten für gängige Heizsysteme hoch
Der Anteil der Wärmekosten, die auf die installierte Heizung entfallen, wird höher, der Anteil des Wärmeträgers, der verbaucht wird, nimmt ab. Das will sich Vestaxx zunutze machen. Fenster würden in die Gebäude ohnehin eingebaut, und da sei es doch nur logisch, diese dann für Zusatzfunktionen wie als Heizung zu nutzen. Die würden dann als Flächenheizung funktionieren. Im Vergleich zu Wandheizungen hätten sie den Vorteil, dass sie keine Flächen blockieren und auch nicht mit Möbeln zugestellt werden. Außerdem, so Vertriebschef Andreas Häger, reagiere das System sehr viel schneller als eine herkömmliche Flächenheizung, es sei weniger träge.
Die Resonanz aus der Branche ist positiv: "Wir erwarten bei Beschichtungen viele Innovationen und finden die Idee spannend, Fenster zu Flächenheizungen zu machen. Die Idee hat Potential, wenn die technischen Probleme gelöst sind", sagt Jürgen Benitz-Wildenburg vom Institut für Fenstertechnik in Rosenheim.
Vestaxx hat dazu Dreischeiben-Fenster aus Floatglas entwickelt. Das ist im Vergleich zu üblicherweise bei Fenstern verwendetem Einscheibensicherheitsglas deutlich billiger. Es wird nicht für einzelne Fenstergrößen gefertigt, sondern kann nach Bedarf zugeschnitten werden. Das macht die Herstellung von Fenstern mit Floatglas deutlich billiger.
Heizbares Glas soll die Nische verlassen
Neu ist die Idee mit heizbarem Glas für Fenster nicht, aber bislang waren die Produkte nicht der Renner. "Bislang verkauft sich heizbares Glas für Fenster nur schwer, bei uns ist das nach 17 Jahren immer noch eine Nische", sagt etwa Andreas Herzog von Glas-Herzog, der heizbare Fensterscheiben unter dem Namen Glastherm anbietet. "Wir haben zu Anfang bei heizbaren Scheiben auch Erfahrungen mit Floatglas gesammelt, aber es kam sehr häufig zu Sprüngen in den Scheiben. Wir haben mit Floatglas Schiffbruch erlitten", räumt er ein. "Bei komplexen Glasaufbauten kann es Probleme in Bezug auf Glasbruch und Undichtigkeiten im Randverbund geben. Für beide Bereiche sollten Nachweise darüber orliegen, dass unabhängige Prüfungen durchgeführt wurden", betont Benitz-Wildenburg.
Die Unternehmensgründer der Vestaxx kommen von Inventux, einem Hersteller von PV-Dünnschichtmodulen und verfügen über Erfahrung in Beschichtungsverfahren für Floatgläser, die Hitze standhalten ohne zu springen. Das könnte in diesem Bereich einen entscheidenden Vorteil bringen.
Damit die Fenster Wärme erzeugen, beschichtet Vestaxx die innerste Glasschicht zu den Räumen hin mit einem Metalloxid. Die Schicht wird gesputtert, das ist ein Verfahren, mit dem sich homogene und sehr dünne Beschichtungen erstellen lassen. Die nicht sichtbare Metalloxid-Schicht lässt sich per Strom ansteuern und wird warm. Die Steuerung kann über Raumthermostate erfolgen.
Wärmeverlust nach außen ist gering
Die Schicht erzeugt Wärme, nimmt aber kaum Licht weg. Der G-Wert, der den Lichtdurchlass definiert sei bei den Wärmefenstern fast so wie bei einer "normalen" Scheibe, der Unterschied mache maximal zwei Prozentpunkte aus, verspricht Häger.
Die Wärmeverluste nach außen seien gering, das habe man getestet. 8 Prozent der Wärme gingen im Test nach außen, 92 Prozent nach innen. Die Ansteuerung der Heizung erfolgt durch eine Steuerungseinheit, die im Rahmen angebracht ist. Wenn das Fenster geöffnet wird, schaltet sich die Heizung automatisch ab.
Das funktioniert über einen Trick: Im Fenster ist ein Stecker, der beim Schließen des Fensters in einen Kontakt im Rahmen eingesteckt. Bei Öffnen des Fensters wird der Strom ausgeschaltet, dann der Stecker gezogen. Angeschaltet wird die Fensterheizung per App, sie lässt sich also auch fernsteuern.
Aufpreis liegt bei zirka 5000 Euro
Den Aufpreis der Ausrüstung von Fenstern mit der Heizung gibt Vestaxx-Vertriebschef Andreas Häger für ein normales Einfamilienhaus mit zirka 5000 Euro an. So viel kosten Beschichtung und Steuerelement. Die Kosten für den laufenden Betrieb hängen von den Stromkosten ab. Da es sich um eine Direktheizung handelt, sind sie höher als bei einer Wärmepumpen, das soll sich aber durch die geringeren Anschaffungskosten ausgleichen.
Wenn die Lösung im nächsten Jahr marktreif ist, soll es auch eine Software geben, mit der Architekten die energetischen Kenndaten der Heizfenster zur Berechnung der Gebäudeenergiebilanz erheben können. Man werde auch Gespräche mit Softwareherstellern führen, die EnEV-Berechnungen anbieten.
Fensterbauer, so Häger, hätten die Lösung sehr gut aufgenommen, sie biete ihnen ein wichtigeres Differenzierungsmerkmal gegenüber Billiganbietern. Bei konventionellen Fenstern sei dies im Wettbewerb kaum noch möglich. von Pia Grund-Ludwig