Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

Berliner Energietage 2023

Energetische Sanierung vom Fließband

Vom 22. bis 23. Mai fanden die Berliner Energietage 2023 mit rund 120 einzelnen Veranstaltungen statt. Foto: Leon Kopplow

(v.l.) Klaus Mindrup, Katja Neumann, Emanuel Heisenberg, Axel Gedaschko, Tim-Oliver Müller, Peter-M. Friemert. Foto: Alexander Morhart

Mit Vorfertigung und IT („seriell“) kann man zehn bis 20 Prozent der deutschen Gebäude schnell, billig und mit wenig Fachkräften energetisch sanieren. Dem steht vor allem ein Wirrwarr bei staatlicher Bauaufsicht und Förderbedingungen der 16 Länder entgegen.

So zumindest der Tenor einer Podiumsdiskussion bei den Berliner Energietagen, zu welcher der GdW eingeladen hatte. Typisch fürs serielle Sanieren sind eine durchgehend digitalisierte Gebäudevorauswahl und -vermessung, Planung und Fabrikvorfertigung. Vorgefertigt werden Fassadenelemente samt Leitungen, Dachelemente mit Photovoltaikmodul-Feldern und Heizungsmodule. Läuft alles nach Plan, werden die Elemente auf der Baustelle nur noch montiert und zusammengefügt. Während der Bauzeit können die Bewohner im Gebäude bleiben.

Technisch und damit auch von den Kosten her funktioniert so etwas am Ehesten bei jeweils einer größeren Menge zwei- bis fünfgeschossiger, freistehender Mietshäuser, die sich untereinander sehr ähnlich sind. Ideal ist eine „kistenartige“ Kubatur. Und wenn es funktioniert, kann das die Bauzeit drastisch verringern. Das Berliner Unternehmen Ecoworks zum Beispiel hat sich als Ziel „vier Wochen“ gesetzt. Erreicht hat es nach eigenen Angaben bereits im vergangenen Jahr rund 15 Wochen „vom Aufstellen des Bauschildes bis zur Abnahme“ – statt neun bis zwölf Monaten bei konventioneller Sanierung.

Den Überblick über bundesweit mehr als ein Dutzend laufende Projekte dieser Art hat Podiumsgast Emanuel Heisenberg, Geschäftsführer und Gründer von Ecoworks. Die Voraussetzung, um so etwas in Angriff zu nehmen, ist für ihn eine gewisse Größe: „Wenn da ein 500-Quadratmeter-Haus ist, dann lehnen wir das ab, weil einfach der Aufwand des Scannens, des Vorproduzierens, der Bauleitung zu hoch ist für so ein kleines Projekt.“

Serielles Sanieren kostet nach Förderung 700 bis 1300 Euro pro Quadratmeter

Auf die Frage von EnBauSa, welche Kosten pro Kilowattstunde gelieferter Wärme man mit seriellem Sanieren erreichen könne, nannte Emanuel Heisenberg lediglich eine Spannweite für die wohnflächenbezogenen Sanierungskosten vor Förderung – „dann sind sie so bei 2.000, 2.200 Euro“ – und nach Förderung: „bei 700 bis 1.200, 1.300 Euro“, jeweils brutto pro Quadratmeter Wohnfläche.

Heisenberg fügte hinzu, alle Anbieter seien ungefähr in diesem Korridor. Das lässt sich bestätigen, vergleicht man Angaben des Kölner Architekten Michael Kölmel, Architekturplaner und Bauleiter einer im November 2022 fertiggestellten seriellen Sanierung in Köln-Zollstock mit knapp 1000 Quadratmeter Wohnfläche; ebenso Kostendaten der Deutschen Energie-Agentur (dena) und Angaben der Ecoworks-Konkurrenzunternehmen B&O Bau und Renowate laut Fachmagazin IVV.

Unterbietung der konventionellen Kosten um 30 Prozent

Aus Vortragsfolien Heisenbergs beim „Forum Wärmepumpe“ im Oktober 2022, kombiniert mit seinen Aussagen bei einem Pausengespräch bei der „Energiesprong“-Jahrestagung eine Woche zuvor, ergibt sich damit ein ungefährer Kosten-Gleichstand mit der konventionellen Sanierungsmethode – je nach konkretem Projekt. In dem Gespräch hatte Heisenberg ferner gesagt, er halte zukünftig „eine Unterbietung um 30 Prozent“ der konventionellen Kosten für möglich; außerdem „den dreifachen Output mit der gleichen Anzahl der Handwerker“.

Klaus Mindrup setzte vom Podium aus die Bruttokosten nach Förderung von 700 Euro aufwärts pro Quadratmeter ins Verhältnis zur direkt mietbezogenen Refinanzierungsmöglichkeit von Wohnungseigentümern, die – durch die gesetzliche Kappung der Modernisierungsumlage – rückgerechnet auf 300 Euro beziehungsweise auf 450 Euro pro Quadratmeter begrenzt sei, je nach Mietniveau (unter oder über sieben Euro). Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Mindrup war als Vorsitzender des Vereins „Energiedialog 2050“ eingeladen und früher im Aufsichtsrat der Berliner Wohnungsbaugenossenschaft „Bremer Höhe“ aktiv.

Balkone oder Aufstockung als Ertragsquellen

Ecoworks-Geschäftsführer Heisenberg führte als weitere Ertragsquellen für die Eigentümer unter anderem eine Senkung der Instandhaltungskosten und der CO2-Abgabe an. Packe man alle Erträge zusammen, kriege man aus der Sanierung „nur eine sehr geringe Rendite“. Für das Wohnungsunternehmen sei die Maßnahme nur dann sinnvoll, wenn dieses das Objekt lange halte und zusätzliche Potenziale heben könne – wie eine Erweiterung des Wohnraums über Balkone oder eine Vollgeschoss-Aufstockung im Zuge der Sanierung.

Das treffe für die Lage in Ballungszentren zu, wo ein Quadratmeter Dachgeschoss „vielleicht 8000 oder 10.000 Euro kostet, und ich habe Gestehungskosten von 3500 oder 3000 Euro“ für die Schaffung dieses Wohnraums. „Dann kann ich sogar über eine solche Maßnahme die komplette serielle Sanierung refinanzieren.“

Ein solches Geschäftsmodell sei für viele Bestandshalter ausgeschlossen, gab freilich Klaus Mindrup zu bedenken. Statt „Luxus-Dachgeschosse“ zu verkaufen, „[wollten] wir in unseren Beständen eigentlich immer quasi mietende Genossenschaftsmitglieder haben.“ Man könne aber von Mitgliedern in solchen Dachgeschossen angesichts des Neubaustandards 20 Jahre lang höhere Anteile verlangen.

Eine andere Frage ist, ob und wann eine Geschossaufstockung überhaupt genehmigt wird. Auch Michael Kölmel hatte das bei seinem Projekt in Köln-Zollstock versucht; es war aber am langwierigen Behördenweg gescheitert. Kölmel bei der „Energiesprong“-Jahrestagung: Dafür eine Baugenehmigung zu erwirken, sei „wie anderswo ein Hochhaus zu bauen“.

Serielles Sanieren in der BEG komme gut an

Für „extrem wichtig“ halte er das Thema Umsetzwohnungen, sagte Klaus Mindrup – und meinte damit, dass sie beim Konzept serielles Sanieren nicht nötig sind. „Wir haben keine Chance, die Sanierung voranzutreiben, wenn wir dafür Umsetzwohnungen – in der Masse – brauchen.“

Vorantreiben könnte man zunächst eine Sanierung von rund fünf Millionen Wohnungen – von insgesamt 42 Millionen – und von ungefähr 15 bis 20 Prozent der Nichtwohngebäude, die laut Emanuel Heisenberg mit diesem Konzept „einfach erreichbar“ seien. Mit „Erweiterungsentwicklungen“ könne man dann auch auf acht bis zehn Millionen Wohneinheiten kommen. „Können Sie auch die Gründerzeitvilla sanieren?“, werde er oft gefragt. „Das ist nie mein Ziel gewesen. (...) Die sollen bitte gerne von hochqualifiziertem Fachpersonal saniert werden.“

Mit wieviel Geld der Staat in Deutschland bisher die serielle Sanierung vorangetrieben hat, diese Frage konnte oder wollte Katja Neumann vom Bundeswirtschaftsministerium – wie schon im Oktober 2022 die Pressestelle des Ministeriums – nicht beantworten. Neumann saß in Vertretung des kurz zuvor in den einstweiligen Ruhestand versetzten Patrick Graichen auf dem Podium. Sie sagte, für die Anfang des Jahres auf die serielle Sanierung ausgeweitete „Bundesförderung effiziente Gebäude“ habe man „schon wirklich Anträge für mehrere Hundert Wohneinheiten im ersten Quartal“ auf den Bonus erhalten, und bewertete das: „Sieht ganz gut aus.“

Staatliche Hindernisse durch Bauaufsicht und Förderbedingungen der 16 Länder

Tim-Oliver Müller, der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB), zählte seinerseits minutenlang die Hindernisse auf, die der föderalistische Staat der seriellen Sanierung in den Weg stellt. Nicht nur gebe es in den Bundesländern 16 unterschiedliche Regelungen für bauaufsichtsrechtliche Genehmigungen. Diese seien auch noch gar nicht auf die gängige Art von Fassadenelementen aus Holz und Beton ausgerichtet. Die beiden Werkstoffe seien für sich genommen zugelassen, nicht aber in statischer Verbindung bei einem Fassadenelement. Das müsse man im Einzelfall nachholen, oder über sogenannte Typengenehmigungen.

Solche Typengenehmigungen wiederum seien nicht nur unterschiedlich zwischen den Ländern, sondern teilweise auch noch unterschiedlich zur Typengenehmigung, die in der (bundesweiten) Musterbauordnung stehe. „Und wenn sie eine Typengenehmigung haben, müssen sie am Ende trotzdem noch in die unteren bauaufsichtsrechtlichen Behörden, das heißt immer ihr Bauamt auf kommunaler Ebene; und dann müssen sie trotzdem noch die nachgelagerten Behördengänge machen.“

Fehlende Standards bremsen aus

Auch fehle eine bundesweite, standardisierte Typenprüfung für Brandschutz, für Statik und so weiter. „Wir haben eigentlich keinen Standard – nirgendwo.“ Zudem gebe es 16 unterschiedliche Landes-Förderbedingungen für energieeffizientes Sanieren. Emanuel Heisenberg verwies auf die Kostenwirkung: „Solche Regulierungsthemen, die machen schnell mal 200, 500 Euro auf einen Quadratmeter aus.“

Müller sagte, er habe vor einer Woche mit der baden-württembergischen Ministerin und auch Vorsitzenden der Bauministerkonferenz gesprochen. „Die sagte ganz hart, in Baden-Württemberg hätte man eine der effizientesten Landesbauordnungen. Und sie wolle gar nicht harmonisieren.“

Alexander Morhart

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