Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

Wärmepumpe verbraucht mehr als doppelt so viel Strom wie geplant

Effizienzhaus-Plus-Beteiligte reagieren auf Kritik

Erhorn: Aufstellung der Speicherbatterie im Freien ist inzwischen ein Sonderfall. © Alexander Morhart

Projektbeteiligte nehmen Stellung zur Kritik am Berliner Effizienzhaus Plus.

Das Berliner Vorzeigewohnhaus des bundesweiten Effizienzhaus-Plus-Programms steht in der Kritik. Die Energiebilanz des Hauses, welches das Bundesbauministerium 2011 nahe dem Bahnhof Zoo hatte errichten lassen, ist weit hinter dem Plan zurückgeblieben: Der Energieverbrauch lag um 77 Prozent höher als erwartet, der Stromgewinn aus der PV-Anlage 20 Prozent unter dem Soll. Neue Äußerungen von Projektbeteiligten lassen nun einiges in einem anderen Licht erscheinen – so zum Beispiel den Eindruck, zwei Stromverbrauchsposten seien aus der Rubrik "Hausbetrieb" herausgenommen worden, um die Bilanz nicht noch schlechter aussehen zu lassen.

Hans Erhorn vom Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Bauphysik, das im Auftrag des Ministeriums wichtige Energiedaten im Haus erfasst, versichert, die Aufstellung der Speicherbatterie außerhalb des Hauses sei ein Sonderfall. Gut 1.800 Kilowattstunden Energie müssen jährlich für die Beheizung oder Belüftung der Batterie aufgewendet werden. In anderen Effizienzhaus-Plus-Objekten würden die Batterien inzwischen im Gebäude installiert. Ähnlich verhalte es sich bei der Beheizung des Abflussrohrs. Daher sei es in Ordnung, diese Posten aus der Betrachtung herauszunehmen.

Doch auch ohne diese beiden Sonderposten benötigt das Haus viel mehr Energie als geplant. Für den größten Ausreißer – absolut wie relativ – sorgt die Wärmepumpe. Sie hat im Laufe des Messjahres nicht wie geplant 2.217 kWh, sondern 5.865 kWh Betriebsstrom verbraucht. Eine der Ursachen: Die Vorlauftemperatur der Fußbodenheizung lag laut Fraunhofer-Bericht um bis zu 20 Grad höher als ausgelegt. Für Hans Erhorn hängt das damit zusammen, "dass die Bewohner die Schlafzimmer im Obergeschoss niedriger temperiert haben wollten als den Wohnzimmerbereich im Erdgeschoss – was wahrscheinlich aber auch ganz normal ist." Die wärmere Luft aus dem Wohnzimmerbereich sei nach oben geströmt und habe das ganze Haus mitgeheizt, die Fußbodenheizung im Erdgeschoss deshalb die doppelte Leistung erbringen müssen. Erhorn: "Man hätte eine bessere Trennung der Räume machen müssen – oder aber die Heizung im Erdgeschoss überdimensionieren – um diesen Effekt auszugleichen."

Ist der vom Wohnzimmerbereich über die Treppe bis zum Obergeschossflur völlig offene Grundriss also ein Planungsfehler des Stuttgarter Architekten Werner Sobek? Thomas Thümmler, Teamleiter bei WS Green Technologies, der Nachhaltigkeitsgruppe bei Sobek, ärgert dieser Vorwurf. "Was ist den Nutzern einer Wohnung zuzumuten? Wollen wir ihnen wirklich vorschreiben, wann sie ihre Schlafzimmertür schließen müssen und wann sie es nicht dürfen?" Damit argumentiert er allerdings am Thema vorbei: Eine selbstschließende Tür zum Flur hin hätte gereicht.

Thümmler zufolge haben die überhöhten Vorlauftemperaturen jedoch sowieso eine andere Ursache. "Dass die Vorlauftemperatur 10 Grad und mehr höher war, wäre aus unserer Sicht nicht nötig gewesen. Für uns ist das Problem in dem unnötig großen und von uns so nicht geplanten Volumenstrom der Lüftung zu sehen." Maßnahmen wie ein Abschalten der Heizung und Lüftung im Sommer und ein in Abhängigkeit von der Luftqualität reduzierter Luftvolumenstrom seien Bestandteil der Planung gewesen. "Wenn diese Maßnahmen aber im Gebäudebetrieb nicht umgesetzt werden und wir keinen Einfluss hierauf haben, hat dies natürlich deutliche Auswirkungen auf den Energiebedarf."

Auch Zweifel, ob wirklich eine unterdurchschnittliche Sonneneinstrahlung im ersten Messjahr die schwache Stromernte der Fotovoltaikanlage erklärt, will Thomas Thümmler nicht gelten lassen. Berlin sei groß: "Je nachdem, wo gemessen wird, können die Werte abweichen. Entscheidend ist die Messung am Gebäude. Die Solarzellen auf dem Dach verwerten Direktstrahlung deutlich besser als diffuse Strahlung, so dass für eine Bewertung der Effizienz nicht nur die Globalstrahlung, sondern auch die Zahl der Sonnenstunden entscheidend ist." Er vertraue voll und ganz den Fraunhofer-Angaben.

Ein Gesichtspunkt, der in der breiteren Diskussion um die energetische Bilanz von Gebäuden bisher fast nie eine Rolle spielt, ist die Energie für deren Herstellung, Instandhaltung und Beseitigung. Auch wenn es für deren Bestimmung mit dem Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen für Bundesgebäude (BNB-System) ein vereinfachtes Verfahren gibt, bleibt der Aufwand enorm: Allein die Datenblätter umfassen ein Volumen von 89 MB. Umso interessanter – und auch anerkennenswert – ist es, dass das Büro Sobek den Wert für das Berliner Haus bestimmt hat. Im Material der Baukonstruktion und der technischen Gebäudeausrüstung steckt demnach, anteilig für jedes der angenommenen 50 Jahre Nutzungszeit, eine Primärenergie von rund 5.483 kWh.

Bei einem Primärenergiefaktor von 2,6 entspricht das rund 2.109 kWh Endenergie. Der im ersten Messjahr aufaddierte Stromgewinn aus den Solarmodulen von 13.306 kWh überstieg den Bedarf des Hausbetriebs (12.400 kWh) um 906 kWh. Zieht man die energetische Investition in die graue Energie ab, dann benötigte das Gebäude also 1.203 kWh mehr Endenergie, als damit gewonnen werden konnte. Und sogar wenn es noch gelingt, diese Bilanz ins Plus zu drehen, hat bisher niemand das Argument widerlegt, dass dieses Plus während eines sommerlichen Stromüberangebots ins Netz drängen würde – und nicht im Winter, wenn die Windflaute droht.

Gerhard Stryi-Hipp vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme: "Das heißt, genau dann, wenn der Strom bereits am teuersten sein wird, weil er über Power-to-Gas-Konzepte mit entsprechenden Umwandlungsverlusten gespeichert werden muss, würde der Strombedarf zur Wärmeversorgung noch hinzukommen und nur zu hohen Kosten gedeckt werden können." Stryi-Hipp ist deshalb skeptisch, ob sich ein Wärmepumpenkonzept mit dem künftigen Gesamtenergiesystem vertragen würde.

Von Alexander Morhart

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