Wo sehen Sie derzeit die größten Herausforderungen für die Fensterbranche?
Lass: In der Fensterbranche haben die Betriebe aktuell mit ganz verschiedenen Problemen zu kämpfen. Ein Thema ist der Nachwuchsmangel und die Weiterbildung der Mitarbeiter. Hier gibt es eine Überalterung und die Betriebe müssen sich der Aufgabe stellen, junge Menschen für Fenster, Türen und Fassaden, zu begeistern, damit diese Produkte weiterentwickelt und in einer entsprechenden Qualität auf den Markt gebracht werden können. Außerdem sehe ich starke Veränderungen was das Informations- und Kaufverhalten der Kunden anbelangt. Wir haben es mit der Generation World Wide Web zu tun und die informiert sich ganz anders über die Produkte. Die Hersteller müssen sich der digitalen Transformation stellen. Das geht beim Informations- und Kaufverhalten los und geht über die Arbeitsvorbereitung und Produktion bis hin zu den Produkten, die digitaler werden müssen, und zu Montage und Service. Und dann spielt natürlich auch das Thema Nachhaltigkeit eine große Rolle – angefangen bei den Stoffkreisläufen, über die Energieeffizienz in der Nutzungsphase bis zum Recycling der Produkte.
Sehen Sie für einzelne Produktgruppen Nachteile, was die Etablierung von Stoffkreisläufen anbelangt, etwa für Fenster aus Verbundmaterialien?
Nein, denn wir haben bei den meisten Produkten eine sehr gute Zerlegbarkeit. Bei Verbundwerkstoffen, etwa faserverstärkten Kunststoffen, ist es etwas schwieriger, aber mit Stahl armierte Kunststofffensterprofile lassen sich sehr gut trennen und da ist das Recycling kein Problem. Sowohl die Kunststoff- als auch die Aluminiumindustrie unternehmen erfolgreich große Anstrengungen, um die Recyclingquote weiter zu erhöhen.
In Sachen Energieeffizienz werden die Fenster seit Jahren immer besser. Sehen Sie auch für die Zukunft noch Verbesserungspotenzial?
Hier kann man über die vergangenen Jahre eine gewisse Stagnation beobachten, die U-Werte können nicht mehr so stark verbessert werden. Das hat damit zu tun, dass wir momentan keinen so großen Innovationsdruck am Markt haben, da die Hersteller mit einer boomenden Baukonjunktur zu tun haben und gesetzliche Verschärfungen nicht geplant sind. Nichtsdestotrotz gibt es neue Produkte am Markt, die sich aber noch nicht etabliert haben – seien es Vakuumgläser, druckentspannte Isoliergläser, neue Dämmstoffe wie Aerogele oder Vakuumisolationspaneele. Zudem muss das Thema der dezentralen Lüftung mit Fenstern wieder stärker thematisiert werden und dann natürlich die Themen Nachhaltigkeit und Recyclingfähigkeit der Produkte. Hier wird es spannend bleiben, was da an neuen Materialien auf den Markt kommt, die entweder auf einer nachhaltigeren Rohstoffbasis hergestellt werden, oder besser in den Werkstoffkreislauf zurückgeführt werden können. Ich würde Innovation aber nicht nur auf Energieeffizienz und Nachhaltigkeit beziehen, sondern beispielsweise auch auf die Nutzbarkeit der Produkte, zum Beispiel für körperlich eingeschränkte Personen, und das Thema Sicherheit.
Wann rechnen Sie bei Technologien wie Vakuumisoliergläser oder druckentspanntem Isolierglas mit dem Durchbruch?
Vakuumisolationspaneele begleiten mich schon die vergangenen 20 Jahre in dieser Branche. Eigentlich ist klar, dass das der nächste Schritt sein müsste, aber der große Durchbruch hat im Markt noch nicht stattgefunden. Es sind mittlerweile auch in Europa einige Produktionen für Vakuumisoliergläser vorhanden. Daher kann man davon ausgehen, dass die jetzt verstärkt in den Markt kommen. Es bleibt abzuwarten, wie der Markt darauf reagiert. Beim druckentspannten Isolierglas gab es in jüngster Zeit noch einmal Forschungsprojekte der Industrie, bei denen Produkte zur Marktreife gebracht wurden und die auf den letzten Messen gezeigt wurden. Das Interesse ist groß und ich erwarte hier eine zunehmende Marktdurchdringung.
Mehrfachgläser machen die Fenster schwerer
Der Fokus liegt zwar zurzeit auf der Reduzierung der Klimalasten und der Integration von Verschattung und Lichttechnik, aber ich kann mir auch Mehrfachaufbauten vorstellen, also Vier- oder Fünffach-Verglasungen mit erheblichen Energieeffizienzsteigerungen. Aber auch hier bleibt abzuwarten, ob der Markt das wirklich annimmt. Schließlich gehen damit andere Parameter in die Höhe, beispielsweise das Gewicht der Fenster.
Gibt es von Seiten der Verarbeiter, also derjenigen, die die Fenster einbauen, Druck auf die Hersteller, dass die Produkte leichter werden müssen?
Die Verarbeiter stehen selbst unter Druck, weil es immer schwieriger wird, Mitarbeiter zu finden, die bereit sind, die Montage dieser schweren Bauelemente zu übernehmen. In der Fertigung kann man das über Automatisierung lösen, auf der Baustelle geht das noch nicht, auch wenn schon erste Probeversuche mit Exoskeletten laufen, die in der Industrie und Logistikbranche bereits eingesetzt werden.
Ein weiteres Thema, das schon seit vielen Jahren in der Branche diskutiert wird, ist die Digitalisierung der Produkte. Auch hier hat der große Durchbruch meiner Wahrnehmung nach noch nicht stattgefunden. Woran liegt das?
Das hängt einerseits mit den Produkten selbst zusammen. Viele Hersteller haben dafür noch kein durchgängiges, schlüssiges Konzept. Teilweise werden auf bestehende Produkte adaptierte Lösungen angeboten. Hinzu kommt, dass neue Qualifikationen der Mitarbeiter im Bereich Elektrik, Elektronik und EDV erforderlich sind, um diese Dinge umzusetzen. Diese Personalqualifikation ist häufig am Markt nicht vorhanden. Da ist noch eine gewisse Scheu zu beobachten, was elektrische oder elektronische Komponenten am Fenster angeht. Am ehesten funktioniert das momentan noch bei Industrietoren, Verschattungen und Haustüren.
Wie kann man die Qualität der Fenstermontage sicherstellen? Welche Rolle spielen hier die angrenzenden Gewerke?
Bei der Montage wird häufig so gearbeitet wie in vergangenen Zeiten. Hier wäre eine Entkopplung der Bauprozesse ein großer Vorteil. Ich denke da zum Beispiel an Montagezargen, die man einsetzen könnte, die es ja auch schon seit Jahrzehnten am Markt gibt und die in anderen Ländern wie Italien oder Österreich deutlich stärker genutzt werden. In Deutschland ist das aus meiner Sicht bisher an Kosten- und Logistikgründen gescheitert, dadurch, dass ich eine zusätzliche Anfahrt habe und dass ich einen zusätzlichen Rahmen produzieren muss. Wenn man auf solche Montagezargen-Lösungen geht, würde das aber dazu führen, dass das Produkt Fenster deutlich später in den Baukörper gebracht werden kann. Damit wird verhindert, dass es bereits in der Bauphase zu Beschädigungen kommt. Die Nachfolgegewerke wie Putz- und Malerarbeiten könnten an die Zargen ohne Probleme anschließen und müssten keine so großen Schutzmaßnahmen ergreifen. Und auch über die Nutzungsdauer sehe ich durchaus Vorteile, etwa dass der Austausch der Fenster wesentlich einfacher ist. Allerdings müsste man den Bauherren davon überzeugen, in der Bauphase etwas mehr Geld für einen Nutzen in der Zukunft zu investieren, und das ist schwierig. Derzeit beschäftigt sich das ift im Rahmen eines Forschungsprojekts damit, wie die Montage mit Montagezargen verbessert werden kann.
Gibt es in der Praxis viele Beschädigungen von Fenstern während des Brauprozesses?
Ja, durchaus. Es ist nicht unüblich, dass wir schon kurz nach Fertigstellung des Bauvorhabens zu Begutachtungen von Schäden gerufen werden, die im Bauprozess entstanden sind – seien es Feuchteschäden, mechanische Beschädigung der Oberflächen, oder dass Scheiben verätzt sind, weil Mörtelprodukte auf die Scheiben gekommen sind oder Ähnliches. Hier hat der Unternehmer das Problem, dass er bis zur Abnahme für sein Produkt verantwortlich ist, auch wenn andere Gewerke die Schäden verursacht haben.
Interview: Silke Thole