Schon bei der Planung von Gebäuden sind fehlerhafte Berechnungen nicht die Ausnahme, sondern die Regel, so das Fazit der Tagung "Qualitätssicherung Bau Energie" der RAL-Gütegemeinschaft energieeffiziente Gebäude und des Fachverbands Luftdichtheit im Bauwesen (FLiB). Auch verbreitete Mängel beim energetischen Bauen wurden angesprochen.
Ein Beispiel: Das Land Brandenburg hat Förderanträge und fertige Gebäude - meist Schulen und Kindergärten - prüfen lassen, die in den vergangenen acht Jahren in einem Landesprogramm zur energetischen Erneuerung saniert wurden. Ralph Petereit, dessen Ingenieurbüro sich im staatlichen Auftrag zunächst durch die Antrags-Energiebilanzierungen für 29 Objekte gewühlt hat, bescheinigte nur in 4 Fällen eine "mängelfreie" Berechnung des Primärenergiebedarfs, definiert als Abweichung vom korrekten Ergebnis von unter 3 Prozent.
Petereits Aufzählung reichte von groben Anwendungsfehlern der DIN V 18599 - wie der Einstufung einer Schule als Altenheim - über fehlende oder falsche Datenangaben bis zu unzulässigen Vereinfachungen bei der Berechnung. Auch widersinnige Angaben fand er und schloss daraus: "Der Nachweisersteller haftet für seine Ergebnisse, aber liest sich das Eingabeprotokoll noch nicht einmal durch."
Primärenergiebedarf um zweistellige Prozentzahlen verändert
Speziell ging der Ingenieur auf die Lüftungsdruckverluste ein, also auf das Berechnen von Druckverlusten, die zum Beispiel in einer Klimaanlage und den luftführenden Rohren entstehen. Eine unvollständige Kalkulation könne den für ein Gebäude errechneten Primärenergiebedarf "um zweistellige Prozentzahlen verändern", sagte Petereit.
Dabei liege das Problem manchmal schon bei der Software, die zur Berechnung eingesetzt wird. Auf die Nachfrage, welche Programme hier besser oder schlechter abschnitten, antwortete er allerdings ausweichend und verwies eher auf die Haltung mancher "Fachleute" mit zu wenig Erfahrung: Es gebe Berater und Architekten, die froh seien, wenn die Berechnungssoftware den Prozess durchlaufe, ohne zu stocken - und sei es, indem statt realer Daten, die zu erheben man fachlich nicht in der Lage sei, voreingestellte Standardwerte das Problem umschiffen.
In 19 Fällen nahm der Experte die Gebäude auch nach der Umsetzung mittels Thermografie unter die Lupe - und fand in 16 davon Mängel. Mit nur drei korrekten Ausführungen war der häufigste Fehler, dass Türschwellen nicht thermisch getrennt waren, was an einer Außentür zu einer Wärmebrücke führt. In immerhin 6 Fällen stellte Ralph Petereit mangelhaft eingebaute oder angedichtete Fenster fest.
Fensterdichtung oft schlecht ausgeführt
Die Fensterdichtung führte auch im Vortrag von Hinderk Hillebrands die "Hitliste" an. Hillebrands ist Vorstand des Deutschen Energieberater-Netzwerks (DEN) und ging auf die häufigsten Mängel bei der Fassadendämmung ein. Er zeigte diverse Fotos von mangelhaft ausgeführten Fensterlaibungen, Anschlüssen am Fensterrahmen und Beispiele, bei denen zwischen der alten und der neuen Fensterbank Kleber statt Dämmstoff eingebracht worden war. Letzteres werde oft nicht entdeckt, weil gleich nach dem Einbau der äußere Fenstersims angebracht werde, so dass der Fehler nur kurz zu sehen sei.
Dämmung ohne ausreichende Überlappung, nicht ausgefüllte Hohlräume und Ähnliches mehr führte Hillebrands vor, und auch schlecht montierte Bauteile, zum Beispiel mit Dübeln durch die Luftdichtheitsebene.
Sowohl Hillebrands' als auch Petereits Darlegungen beschrieben einen Unterschied zwischen Theorie und Baupraxis in einem Ausmaß, dass die Mehrzahl der Sanierungen und Neubauten nur auf dem Papier technisch korrekt und energieeffizient ist. Hillebrands: "Wir konnten immer wieder feststellen in der Praxis, dass wir viele Objekte haben, die nicht mal die EnEV-Vorgaben erfüllen, weil Veränderungen während der Ausführungsphase vollzogen wurden."
KfW und Dena gegen strenge Kontrollen
Warum das so ist - auch darüber gab die Podiumsdiskussion dieser Tagung Aufschluss, wenn auch zum Teil nur zwischen den Zeilen. So räumte Christoph von Lindenfels von der Deutschen Energie-Agentur (dena) ein, man habe "viele Jahre mehr oder weniger fast gar nicht" kontrolliert. Man solle jetzt "mit Augenmaß in die Kontrollen einsteigen". Anne Schenker von der KfW Bankengruppe beschrieb, dass ihre Anstalt zwar die Unterlagen prüfe, aber nicht etwa eine Thermografie des fertigen Gebäudes machen lasse. Auch wenn man Fehler in einer Berechnung finde, sei das nach ihrer Einschätzung nicht gleich ein Betrug: "Dass wir das Kind mit dem Bade ausschütten, das möchten wir jetzt auch durchaus vermeiden."
Ralph Petereit wies in seinem Fazit auf drei Punkte hin: In vielen Fällen hätten die Kommunen die Sanierungsmaßnahmen nicht durch einen Energieberater begleiten lassen, um das Honorar dafür einzusparen, das Augenmerk der Bauleitung besonders beim Tür- und Fenstereinbau sei nicht ausreichend gewesen, und die Fachkenntnisse bei den jeweiligen Architekten und TGA-Planern seien "augenscheinlich nicht ausreichend" gewesen.
Vier-Augen-Prinzip und frühzeitige Baubegleitung
Petereit leitete aus seinen Prüfungen der Schulen- und Kindergartensanierungen ab, dass bei solchen größeren Nichtwohngebäuden mindestens zwei bis drei dafür kompetente Energieberater im Büro nötig seien, die sich dann gegenseitig kontrollieren könnten.
In die Energieberaterliste der Dena sollten nur solche Berater aufgenommen werden, die schon mehrere Energiebilanzierungen vorlegen könnten - Fortbildungen allein sollten nicht ausreichen. Außerdem sollten rechtlich verbindliche, "auskömmliche" Honorare für Energieberater eingeführt werden. Hinderk Hillebrands plädierte dafür, dass der Energieberater schon vor dem Statiker beteiligt sein müsse. Wenn man dann dem Bauherrn, auch dem privaten, den Nutzen einer Baubegleitung richtig vermittle, werde dieser bereit sein, bei einem größeren Objekt gegebenenfalls "5-, 6-, 7- oder sogar 8.000 Euro zu zahlen". So sei mehr Kontrolle der ausführenden Firmen möglich. Aber es helfe oft bereits, die Handwerker zu motivieren. von Alexander Morhart