Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

Experten erwarten mehr Zuspruch für Gebäudeintegrierte Fotovoltaik

Bauen mit integrierter Solarenergie kann sich durchsetzen

Konstanzer Energiewürfel zeigt Möglichkeiten der Gebäudeintegration von Fotovoltaik. © Lindner Group

Der Konstanzer Energiewürfel zeigt Möglichkeiten der gebäudeintegrierten Fotovoltaik.

Branchenexperten erwarten von der gebäudeintegrierten Fotovoltaik (BIPV) steigende Umsätze in den kommenden Jahren, berichtet der Marktanalyst Nano Markets. Die Fachleute schätzen in einer aktuellen Studie, dass der Markt von 2 Milliarden Dollar im Jahr 2011 auf über 11 Milliarden bis 2016 anwachsen dürfte.

Das liege einmal an der verbesserten Technologie hinsichtlich der Effizienz und an fallenden Kosten, aber auch an der Verbesserung ästhetischer Qualitäten der Systeme. Einen Wachstumsanschub geben voraussichtlich die Anforderungen an zukünftige Neubauten im EU-Bereich, die als Null-Energie-Häuser ihren Strombedarf autark befriedigen sollen.

Gerade in Europa werden gute Wachstumschancen prognostiziert. Größere Gebäude, die eine zu geringe Dachfläche haben, um auf ihnen ausreichend Solarenergie zu generieren, könnten etwa die neuen Kriterien nur erfüllen, wenn sie Fotovoltaik und Solarthermie in die Fassade integrieren. 2016 dürften bei bleibender Entwicklung etwa 85 Prozent der weltweiten BIPV-Installationen in Europa zu finden sein, prognostiziert das unabhängige Beratungsunternehmen Lux Research.

Der starke Preisverfall bei Fotovoltaikmodulen in den letzten zwei Jahren hat auch die Gesamtkosten einer gebäudeintegrierten Anlage reduziert. Während bei den einfachen, aufgeständerten Anlagen die Modulkosten ungefähr die Hälfte der Gesamtkosten ausmachen, belaufen sich diese bei gebäudeintegrierten Anlagen lediglich auf ein Drittel.

Der Planungsaufwand für die Gebäudeintegration von Fotovoltaik und Solarthermie ist zwar derzeit noch sehr hoch. Jede Anlage ist eine Sonderanfertigung, da dem Planer keine Standardlösungen zur Verfügung stehen. Diese Zusatzkosten werden teilweise durch Ersparnisse beim Bau ausgeglichen, wenn das Modul beispielsweise die Dachziegel oder Fassadenelemente substituiert. Wird die Einspeisevergütung in der Gesamtkostenkalkulation berücksichtigt, können sich Fotovoltaikdach und -fassade rechnen, vor allem im Vergleich mit explodierenden Heizkosten.

Doch wirft man einen Blick auf die Zahl gebauter Projekte stellt man fest, dass dies immer noch ein Nischenmarkt ist, und weniger als zwei Prozent vom gesamten PV-Markt ausmacht. Dabei richten sich immer mehr Fertighausanbieter auf den Solarboom ein. Nach Angaben des Fertighausanbieters Schwörer wurden im letzten Jahr 1.000 Eigenheime verkauft, 70 Prozent davon werden inzwischen mit erneuerbaren Energiesystemen ausgestattet, immerhin die Hälfte davon nutzt Solarenergie.

Goeffrey Thün, Leiter des Ontario Teams, das im Oktober 2009 das North House beim Solar Decathlon in Washington präsentiert hatte, hat die Erfahrungen der japanischen Industrie bei der Produktion von vorgefertigten Solarhäusern analysiert. Hier werden Häuser serienmäßig mit PV ausgestattet und eine Anreiz-Finanzierung bereitgestellt: je stärker die Leistung der Anlage, desto niedriger der Zinssatz des Darlehens. Würden die japanischen Anbieter BIPV nicht serienmäßig ausstatten, sondern nur als Option anbieten, wäre der Absatz von integrierten PV-Anlagen längst nicht so groß: Eine Untersuchung des Lawrence Berkeley National Laboratory hat gezeigt, dass Kunden beim Hauskauf derartig viele Entscheidungen treffen müssen, dass sie sich im Zweifelsfalle gegen eine PV-Anlage entscheiden.

Bei der Massenproduktion von Häusern mit integrierter Fotovoltaik fällt für den Kunden der Aufwand für Planung und Projektentwicklung weg. Fertighausproduzenten können "in eine ausgeklügelte Planung investieren, die sich über die Stückzahlen schnell amortisiert. Dadurch können die Mehrkosten stark reduziert oder sogar zu Kostenvorteilen gedreht werden", berichtet die Studie "Gebäudeintegrierte Fotovoltaik" des Österreichischen Klima- und Energiefonds.

Insgesamt würde laut Studie bei einer BIPV-Anlage von 4 Kilowatt in einem Fertighaus ein Preisvorteil von 16 Prozent gegenüber einer Anlage auf einem traditionell gebauten Haus bestehen. In Österreich beträgt das technische Potential von gebäudeintegrierter Fotovoltaik zirka 140 km² Dachfläche und rund 50 km² Fassadenfläche. Die internationale Energieagentur IEA geht davon aus, dass ein Drittel des österreichischen Strombedarfs durch GIPV gedeckt werden könnte.

Gebäudeintegrierte PV muss von vornherein eingeplant werden: Über den Entwurf wird entschieden, egal ob Neubau oder Bestand, ob man Solarenergie sinnvoll einsetzen kann. Der spätere Energiebedarf wird durch den Entwurf zu rund 30 Prozent bestimmt, wissen erfahrene Planer. Ist die Architektur optimiert, wird die Gebäudetechnik günstiger. Das hier eingesparte Geld kann der Bauherr in Fotovoltaik investieren.

Bislang wird aber nur die Investition in Fotovoltaik den daraus zu erwartenden Erträgen gegenüber gestellt. Solare Bauteile können aber, neben der Stromerzeugung und der Verbesserung des Energiestandards von Gebäuden, herkömmliche Bauteile ersetzen und zusätzliche Funktionen wie Wasserabdichtung, Witterungsschutz, Wärmedämmung oder Lichtschutz übernehmen.

Dachintegrierte Anlagen machen bislang den weitaus größten Anteil an den gebäudeintegrierten Systemen aus. Während die Entwicklung des Marktes für dachintegrierte Anlagen derzeit wesentlich von den Fördersystemen abhängig ist, haben sie großes Potenzial, sich von Zuschüssen zu emanzipieren, wie eine von der Monier Gruppe beauftragte Marktanalyse zeigt. "Die Fotovoltaik-Branche durchläuft derzeit einen Wandel, bei dem die Bedeutung der Einspeisevergütungen in den verschiedenen Ländern abnimmt. Vor dem Hintergrund steigender Strompreise wird es für Verbraucher immer attraktiver, den Strom selber zu nutzen, den sie mit ihrer PV-Anlage erzeugen."

Die aktuellen Studienergebnisse weisen ein Marktvolumen der dachintegrierten Fotovoltaik von rund 300 Megawattpeak in den wichtigsten europäischen PV-Märkten aus. In Italien und Frankreich wird es auch aufgrund der aktuellen Fördersituation gemessen an der installierten Leistung die meisten Anlagen geben, so die Marktanalyse. Wenngleich der Markt in den Jahren 2012 und 2013 nicht unberührt von den erwarteten Rückgängen in der gesamten PV-Branche sein wird zeigen die Daten, dass der Anteil von dachintegrierten Anlagen am gesamten Markt für neuinstallierte Fotovoltaik-Anlagen von 3 Prozent im Jahr 2012 auf 6 Prozent im Jahr 2015 ansteigen wird.

Mit einer Gesamtfläche von mehr als 22.000 Quadratkilometern sind 40 Prozent der Gebäudedächer und 15 Prozent aller Fassaden in der EU für Fotovoltaik-Anlagen geeignet, berichtet der europäische Fotovoltaik-Industrieverband EPIA. Das bedeute, dass in Europa eine PV-Leistung von mehr als 1.500 Gigawatt (GWp) installiert werden könnte, womit jährlich rund 1.400 Terawattstunden (TWh) Solarstrom erzeugt werden könnten. Das entspreche 40 Prozent des gesamten europäischen Strombedarfs bis 2020.

Mehrere Aspekte spielen aus Sicht der Branchenexperten eine Rolle bei der Erschließung dieses Potenzials: Dem Kunden muss mehr Wissen und damit Akzeptanz um die Vorteile dachintegrierter Anlagen vermittelt werden, die Kosten-Nutzen-Rechnung muss angepasst und gleichzeitig die gewerkeübergreifende Zusammenarbeit unter den Installateuren optimiert werden. Auch Garantie hat eine hohe Bedeutung, ebenso die langfristige Verfügbarkeit von Einzelteilen sowie eine leichte Installation.

Bislang sind es vor allem Demonstrationsprojekte, die sich eine BIPV-Anwendung trauen. Nicht ganz einfach war die Installation der fassadenintegrierten Fotovoltaik beim Plus-Energie-Gebäude der Stadtwerke in Konstanz. Mit Kränen mussten die riesigen Module an die Fassade gehievt werden. Beim Bau und Betrieb des gesamten Gebäudes, das als Kundenzentrum dient, setzte das Konstanzer Unternehmen auf Energieeffizienz und nachhaltige Technologien: Der sogenannte Energiewürfel ist eines der ersten Plus-Energie-Gebäude in Deutschland, das gewerblich genutzt wird.

Ziel war es aber auch, mit Führungen durch das Gebäude den Bürgern die Technologie näherzubringen - und das Interesse ist groß; Leistung und Funktion sind hier transparent gestaltet. Das Gebäude besteht rundum aus Glas, die Südfassade ist mit Fotovoltaik-Zellen belegt. Die verwendeten Module leisten laut Angaben der Fassadenplaner 1,246 Kilowattpeak, die Anlage somit 23,2 Kilowattpeak bei einer verbleibenden Transparenz von 22 Prozent.

Hier wurden neue, leistungsstarke Solarzellen verbaut, die in bis zu drei mal vier Meter großen Scheiben als ungewöhnlich große Module angeordnet sind. Zusammen mit den integrierten PV-Flächen im Dach erbringen diese Elemente hohe Energieeinträge, da die Hochleistungszellen über einen erhöhten Wirkungsgrad verfügen.

Unter energetischen Aspekten ist die Fassade ein Novum. 40 Prozent der vertikalen Hüllfläche bestehen aus hochwärmegedämmten, opaken Feldern. 60 Prozent sind transparente Felder, die flächenbündig mit einer Dreifach-Wärmeschutzisolierverglasung geschlossen werden.

Der Bericht "BIPV Glass Markets 2012" stellt fest, dass die Transparenz der wichtigste Wettbewerbs-Faktor von BIPV-Glasmodulen sei. Es werde erwartet, dass sich die Fotovoltaik-Gebäudeintegration in den nächsten acht Jahren ausweiten wird, von bislang eher großen Prestige-Gebäuden hin zu Geschäftsgebäuden, Eigenheimen oder anderen Gebäudetypen.

Aufgrund der Multifunktionalität von Komponenten und Systemen gibt es im Moment noch keinen speziellen BIPV-Standard, in dem alle wesentlichen Anforderungen für die elektrische und bautechnische Sicherheit zusammengefasst sind. Auch das verunsichert potenzielle Anwender.

Der TÜV SÜD hat nun ein GIPV-Zertifikat entwickelt, das alle relevanten gesetzlichen Anforderungen der Europäischen Union berücksichtigt, hinsichtlich mechanischer Stabilität und Feuerschutz; das soll Hausbesitzern eine Entscheidungshilfe bieten. Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) in Berlin plant die Aufnahme von PV-Modulen und Solarkollektoren in die deutsche Bauregelliste. Mit einer verbindlichen Veröffentlichung der Änderungen durch das DIBt ist bis Ende 2012 zu rechnen. "Hersteller von Solarmodulen und Kollektoren erhalten mehr Rechtssicherheit, müssen aber auch neue Anforderungen erfüllen", so Jörg Althaus, Geschäftsfeldleiter Solarenergie bei TÜV Rheinland.

Eine aktuelle Untersuchung der HTW Berlin zeigt, dass die Potenziale von Fotovoltaik-Systemen in Kombination mit Batterie- und Wärmespeichern erheblich unterschätzt werden. Bis Ende 2011 wurden in Deutschland Fotovoltaik-Systeme mit einer Leistung von 25 GW installiert, davon 7,5 GW alleine im Jahr 2011. Diese speisen überwiegend direkt in das Stromnetz ein. Doch bereits heute könnten Haushalte auf dem eigenen Dach Solarstrom zu geringeren Kosten als Netzstrom produzieren. Dadurch werde sich der Trend sehr schnell zu Eigenverbrauchssystemen mit Batterien oder thermischen Speichern entwickeln.

Trotz zahlreicher Vorteile scheuen sich viele Architekten, Handwerker und Bauherren davor, multifunktionale Solarelemente bei geplanten Bauvorhaben einzusetzen. Was immer noch fehlt, ist grundlegendes Know-how zu BIPV/GIPV sowie den verschiedenen am Markt erhältlichen Modulen, Transparenz und Sicherheit zu Investitionskosten sowie Fördermöglichkeiten.

von Nicole Allé

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