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Wohnfläche im Nahezu-Nullenergie-Haus kostet 2.300 Euro/qm

Solarhaus bezieht 100 Prozent Wärme von der Sonne

Die beiden Eck-Gebäudeteile des Solarhauses stehen auf Stahlbetonstützen. © Petzold

Das Solarhaus in Münster bezieht unter dem Strich 100 Prozent seiner Wärmeenergie von der Sonne. 80 Prozent deckt eine Solarthermieanlage, 20 Prozent steuern Wärmepumpen bei.

Im Rahmen des Programms "100 Klimaschutzsiedlungen in NRW" entsteht derzeit in Münster "Das Solarhaus". Mit 33 Wohnungen soll es laut Architekt Jörg Petzold das größte Wohngebäude in Europa werden, das seinen gesamten Bedarf an Wärmeenergie durch die Sonne bezieht. Um dieses Ziel zu erreichen, erhält das Gebäude eine 350 Quadratmeter große Solarkollektor-Fläche sowie einen 50.000 Liter umfassenden Solarspeicher. Die so ausgestattete Solarthermieanlage bringt 80 Prozent der benötigten Wärme, den Rest liefern drei Wärmepumpen. Damit die Energiebilanz am Ende des Jahres trotzdem stimmt, findet auf dem Dach neben den Solarthermiekollektoren eine Fotovoltaikanlage mit einer Leistung von 12 kWp Platz. Das Interesse am Gebäude ist gewaltig, sämtliche Wohnungen sind bereits verkauft. Allerdings liegt der Preis auch durchaus im Rahmen. 2.300 Euro pro Quadratmeter zahlen die künftigen Eigentümer inklusive Tiefgaragenstellplatz.

"Die Wärmepumpen und Umwälzpumpen des Gebäudes benötigen etwa 11.500 Kilowattstunden elektrischen Strom pro Jahr", schätzt Frank Thole, der als Entwicklungsleiter Thermische Systeme bei Schüco das Technikkonzept für das Solarhaus entwickelt hat. Somit dürfte die 12-kWp-Fotovoltaikanlage auf dem Dach ausreichen, um eine ausgeglichene Energiebilanz bezüglich der jährlich benötigten Endenergie für Heizung und Warmwasser zu erreichen.

Ein solarer Deckungsanteil von 80 Prozent ist enorm. In einem normalen Einfamilienhaus lassen sich gerade einmal 20 bis 30 Prozent der Energie für Heizung und Warmwasser durch eine Solarthermieanlage decken. Möglich werden die 80 Prozent durch die kompakte Bauweise des Gebäudes und ein ausgeklügeltes Haustechnikkonzept. Das Solarhaus setzt sich aus fünf Gebäudeteilen zusammen, die auf einer Tiefgarage errichtet werden. Alle gehen über drei Geschosse, die beiden Eckbauteile sind jedoch höherversetzt. Unter ihnen nutzbare, sich zum Garten hin öffnende Bereiche.

"Natürlich ist das Gebäude hoch wärmegedämmt und luftdicht. Vorgesehen sind zudem dreifach verglaste Passivhausfenster und eine kontrollierte Wohnungslüftung mit mehr als 90prozentiger Wärmerückgewinnung in jeder Wohnung. Mehr geht nicht", sagt Jörg Petzhold. Für ihn lag daher nah, bei der Weiterentwicklung seines Passivhaus-Konzepts bei der Haustechnik anzusetzen. Wichtigste Voraussetzung, um den solaren Deckungsgrad zu erhöhen, ist ein effizienter saisonaler Langzeitspeicher. Auch hier geht Petzold wie in vielen anderen Bereichen neue Wege. Der über 10 Meter hohe Wasserspeicher wird als Vakuumspeicher ausgeführt. Das bedeutet ein kleines Risiko, denn Vakuumspeicher sind relativ neu und entsprechend unerprobt. Einen 50.000-Liter-Speicher gibt es bislang nicht. Er wird speziell für Petzolds Solarhaus gefertigt. 

"Ein normaler Stahlspeicher in dieser Größe hätte 50 Zentimeter dick eingepackt werden müssen", berichtet der Münsteraner Architekt. Das hätte zum einen statisch konstruktiv zu Problemen geführt, zum anderen wäre deutlich mehr Platz erforderlich. "Vor allem aber hätten wir bei einer herkömmlichen Dämmung Speicherverluste in der Größenordnung vom Jahreswärmeverbrauch eines Einfamilienhauses gehabt", so Petzold weiter. Diese Verluste würden durch den Vakuumspeicher um 90 Prozent reduziert. Geladen wird der riesige Schichtenspeicher ausschließlich über das Kollektorfeld. Die Wärmepumpen heizen zwei separate Pufferspeicher auf, einen für die Warmwasserbereitung und einen für die Heizung. Das erhöht die verfügbare Kapazität im saisonalen Langzeitspeicher.

Im Pufferspeicher für die Warmwasserbereitung beträgt die Zieltemperatur 55 Grad, ab 50 Grad springen zwei Luft-/Wasser-Wärmepumpen an und heizen nach. Die vergleichsweise niedrige Speichertemperatur ist möglich, weil das Trinkwasser dezentral in jeder Wohnung erwärmt wird. Auf diese Weise werden Leitungsverluste minimiert, eine Zirkulation auf einem Temperaturniveau von 60 Grad ist nicht mehr notwendig und die Legionellenproblematik kommt durch die kurzen Leitungswege erst gar nicht zustande. "Mit einer Vorlauftemperatur von nur 55 Grad kann in jeder Wohnung ausreichend Warmwasser von 45 Grad erzeugt werden", erläutert Schüco-Mann Thole.

Die Heizwärme wird über Fußbodenheizungen in den Wohnungen verteilt. "Durch eine enge Verlegung der Rohrschlangen und aufgrund der sehr energieeffizienten Bauweise des Gebäudes kommen wir mit Auslegungstemperaturen von 33 Grad im Vorlauf und 28 Grad im Rücklauf aus", so Thole. Dementsprechend niedriger ist die Zieltemperatur im kleineren Pufferspeicher für die Heizung.

Von März bis Oktober wird die erforderliche Wärme für Heizung und Warmwasser zu hundert Prozent direkt aus der Solarthermieanlage gedeckt und die Wärmepumpen ausgeschaltet. In den restlichen Monaten laufen die Wärmepumpen dagegen durch. Zwei Luft-/Wasser-Wärmepumpen mit einer Leistung von je 40 kW sorgen für warmes Wasser. Die Solarenergie wird in dieser Zeit ausschließlich für Heizzwecke verwendet. Die Nachheizung des Heizungspufferspeichers erfolgt durch eine Wasser-/Wasser-Wärmepumpe. Der Clou dabei: Ist der 50.000-Liter-Speicher komplett entleert, wird der untere Teil des Speichers durch die Wärmepumpe weiter ausgekühlt bis auf fünf Grad. "Durch diese starke Auskühlung kann der Solarthermieanteil im Winter signifikant erhöht werden, denn es kann schon bei vergleichsweise geringen Temperaturen Sonnenwärme eingelagert werden", erläutert Solarthermieexperte Thole. Eine relativ kleine Wärmepumpe erreiche so über den Winter eine Laufzeit von knapp 4.000 Stunden und damit eine sehr hohe Systemeffizienz.

Für Thole hat die Kombination von Solarthermie, Wärmepumpe und Fotovoltaik den Vorteil, dass die Dimensionierung der einzelnen Systeme deutlich kleiner ausfällt als bei einer reinen solarthermischen Deckung von 100 Prozent. Allerdings erhöhe die Wechselwirkung von Solarthermie und Wärmepumpe die Komplexität des Systems. "Das jeoch lohnt sich, denn beide Teile erreichen im Verbund eine individuell bessere Effizienz. Die Wasser-/Wasser-Wärmepumpe hat eine deutlich höhere Jahresarbeitszahl, da sie mit solar vorgeheiztem Wasser betrieben wird, und das Kollektorfeld hat einen höheren Solarertrag, da die Wärmepumpe den Speicher stärker auskühlt."

Für Architekt Jörg Petzold ist "Das Solarhaus" nur ein weiterer Schritt auf seinem Weg hin zu immer besseren, immer effizienteren Gebäuden. "Das Konzept ist ein Stückchen besser als das meines Passivhauses, aber noch immer nicht da, wo es eigentlich hingehen muss", sagt er. Und so beschäftigt er sich bereits mit Themen wie Latentwärmespeichern, Betonkernaktivierung und alternative Lüftungssysteme. Und er wundert sich immer wieder über die bürokratischen Hürden, die zu nehmen sind. So zum Beispiel über die Anforderung, der 50.000 Liter Wasserspeicher müsse nicht-brennbar gedämmt werden. "Da ist doch Wasser drin", betont er und schüttelt den Kopf.

von unserer Redakteurin Silke Thole

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