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Geringer Sonnenschein ist nicht der Grund für die Energielücke

Beim Effizienzhaus Plus Berlin gibt es neue Fragen

Selbst große PV-Flächen auf dem Dach sorgen nur bedingt für ein Energie-Plus beim Berliner Vorzeigeprojekt. © Morhart

Beim Effizienzhaus Plus Berlin reichen die solaren Erträge nicht. Planer und Ministerium suchen nach Erklärungen.

Es sollte ein Vorzeigeprojekt und Modell für modulares solares Bauen sein: Das schick schwarz und weiß glänzende Effizienzhaus Plus des Bundesbauministeriums in der Fasanenstraße in Berlin. Doch das Konzept geht nicht auf. Die solaren Erträge reichen nicht.

Seit der EnBauSa.de-Halbzeitbilanz zum Effizienzhaus-Plus-Programm des Bundesbauministeriums war vor allem über das Berliner Demonstrationshaus viel zu lesen, sowohl in Fachmedien als auch in der Publikumspresse. In die anfängliche Faszination durch hochkarätige Technikelemente, konsequente Nur-Strom-Energiekonzeption und den Anspruch völliger Transparenz aller Zwischenergebnisse haben sich Zweifel gemischt.

Unter anderem wurden Beobachter immer skeptischer, ob das von der Begleitforschung dargestellte und von Bauminister Ramsauer hinausposaunte "Plus" der rechnerischen Jahresenergiebilanz erreicht werden kann. Zwei bisher unbeachtet gebliebene Faktoren lassen nun die Bilanz vollends ins "Minus" rutschen: Die solare Einstrahlung im ersten Messjahr war gar nicht – wie vom Ministerium angeführt – stark unterdurchschnittlich, so dass damit der im Vergleich zum Soll geringe Energieertrag nicht erklärt werden kann. Und eine zukünftige Alltagsversion des Gebäudekonzepts würde mit dem überdimensionierten Vordach des Demonstrationshauses auch einen großen Teil der Solarmodulträgerfläche einbüßen. Mit dem Energieplus wäre es allein schon deswegen ganz vorbei.

Die Fotovoltaikanlage des Berliner Hauses sollte bei "mittlerer Strahlungsintensität" jährlich 16.625 kWh liefern. Tatsächlich waren es im ersten Messjahr nur etwa 13.300 kWh, also rund 20 Prozent weniger. In einem Kurzbericht des mit den Messungen beauftragten Fraunhofer-Instituts für Bauphysik (IBP) heißt es zur Begründung, die "Anzahl der Sonnenstunden" sei um 40 Prozent geringer gewesen "als das Mittel der letzten 10 Jahre".

Nun kommt es zwar auch in Berlin bei einem Anteil der diffusen Einstrahlung von manchmal mehr als der Hälfte nicht nur auf die "Sonnenstunden", also die Direktstrahlung, an – sondern auf die Globalstrahlung. Da die Kurve im entscheidenden Schaubild des Fraunhofer-Kurzberichts jedoch nicht Sonnenstunden, sondern monatsweise eine "mittlere Strahlungsintensität" in der Einheit "W/m²" angibt, schien diese Begründung zunächst plausibel und wurde auch im EnBauSa.de-Beitrag vom Mai übernommen.

Erstes Stirnrunzeln verursachte dann jedoch ein Überblicksartikel in "Sonne Wind & Wärme", in dem Autoren des PV-Dienstleisters Meteocontrol und verschiedener Hochschulen die Einstrahlung 2012 als typisch bis leicht überdurchschnittlich kennzeichnen. Komplizierter wird das Ganze dadurch, dass das erste Messjahr für das Berliner Haus gegenüber dem Kalenderjahr 2012 um zwei Monate verschoben ist: Es beginnt mit dem März 2012 und endet mit dem Februar 2013.

Aber die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) und der Deutsche Wetterdienst (DWD) stellen natürlich auch monatsscharfe Daten zur Verfügung. <link fileadmin user_upload bauen_und_sanieren solar_und_geothermie grafiken globalstrahlungsdaten_berlin_03_2012_-_02_2013..pdf _blank>Addiert man die Globalstrahlungssummen der erwähnten Monate für den Standort Berlin zu einer Jahressumme im Messjahr 2012/2013, kommt man auf 1.075 kWh/m² (± 4, weil die Daten für 2013 nur in einer thematischen Karte dargestellt sind). Das sind sogar gut 3 Prozent mehr als die mittlere Jahressumme 1981 bis 2010 mit 1.033 kWh/m².

An diesem Bild könnte sich allenfalls noch dadurch etwas ändern, dass der Fraunhofer-Kurzbericht mit Verweis auf DIN V 18599 nicht wie DGS/DWD ein 20-jähriges, sondern nur ein 10-jähriges Mittel heranzieht.

Einstweilen scheint es aber so, dass die 20 Prozent Minderertrag beim Berliner Haus nicht mit ungünstigem Klima, sondern mit der planerischen Auslegung oder dem technischen Funktionieren des Fotovoltaiksystems erklärt werden müssen. An der Verschattung durch das voluminöse Hajek-Kunstwerk vor der Südwestfassade sollte es nicht liegen: Das stand dort schon vor dem Hausbau, und dem Vernehmen nach sind die Solarmodule außerdem parallel verschaltet. Man könnte auch an lange liegengebliebenen Schnee auf den nur schwach geneigten Modulen denken – der Fraunhofer-Kurzbericht weist jedoch die wesentlichen Defizitmonate im Sommer 2012 aus.

Eine zweite offene Frage ist, wo eigentlich bei nach diesem Modell gebauten Häusern der Teil der Solarmodule montiert werden soll, der beim Demonstrationshaus auf dem Vordach und an der dieses Vordach abstützenden Verlängerung der Südwestfassade (über dem Elektroauto-Parkplatz, "Schaufenster" oder denglisch "Showcase" genannt) Platz gefunden hat.

Auf der Internetseite des Bauministeriums sind – wenn auch wegen der zu geringen Auflösung schwer erkennbar – drei Varianten des Architekturbüros Sobek abgebildet. Bei der Version "MIN" fallen das Vordach und damit die Verlängerung der Südwestfassade einfach weg. Das Gebäude wäre dann nicht wie jetzt gut 13 Meter tief, sondern nur noch knapp 8 Meter.

Beim Demonstrationshaus ist fast die gesamte erweiterte Dach- und Südwestfassaden-Fläche für die Solarmodule genutzt. Fallen also rund 40 Prozent dieser Fläche weg, bleiben entsprechend nur 60 Prozent für Module übrig. Sogar wenn das Problem des derzeitigen Minderertrags beim Demonstrationshaus analysiert und beseitigt werden kann – wenn also der Planwert von 16.625 kWh Photovoltaikgewinn in einem mittleren Jahr erreicht wird –, kommen bei gleicher Netto-Grundfläche und somit ähnlichem Energiebedarf für das spätere "normale" Haus in der Version "MIN" nur etwa 10.000 kWh/Jahr Stromgewinnung zusammen.

Es sei denn, die nun überzähligen Module würden an der Nordwestfassade untergebracht, wo aber der flächenbezogene Ertrag stark absinken würde. Auch würde das Tageslicht für den Empfangsbereich, das Treppenhaus und die anliegenden Räume im Obergeschoss gemindert. An der Südostfassade wäre verglichen damit ein höherer Flächenertrag zu erwarten, aber dann wäre es mit der beeindruckenden Aussicht und der Helligkeit dieser Räume nicht mehr weit her.

Um diese Nachteile zu vermeiden, bliebe nur der Übergang zu einem Schrägdach – mit weitreichenden gestalterischen und auch wärmetechnischen Folgen – oder das aufgeständerte Montieren der Solarmodule im Garten. Falls die Fläche dort überhaupt ausreichend besonnt zur Verfügung stünde, wäre damit zusätzlicher Aufwand verbunden. Zwei weitere Varianten des Büros Sobek, "Erweiterung" und "Mehrgenerationenwohnen" genannt, sehen zusätzliche, über dem Parkplatz schwebende Räume vor. Dann wäre zumindest ein Teil der Fläche weiterhin für Solarmodule verfügbar – deren Stromgewinn würde sich aber auf eine höhere Netto-Grundfläche verteilen und damit einem erhöhten Energiebedarf gegenüberstehen. Wie man es auch dreht und wendet: Hier steht ein weiteres Fragezeichen hinter dem "Plus" dieses Effizienzhaus-Konzepts. Alexander Morhart / pgl

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