Heizung und Warmwasser
Quelle: Pia Grund-Ludwig

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Expertin: Hinter den Kulissen wird an offeneren Lösungen gebastelt

Gerätehersteller gehen bei Smart Home eigene Wege

Viele Unternehmen warten ab: Was macht Google? © Nest Labs

Smart-Home-Marktbeobachter Bernd Kotschi stellt eine Trendumkehr fest: Industrieunternehmen setzen beim Smart Home wieder verstärkt auf eigene Plattformen.

Auf der Utility Week in Amsterdam haben drei europäische Smart-Home- beziehungsweise Smart-Energy-Initiativen wieder einmal den Durchbruch beim Smart Home verkündet. Man habe eine einheitliche Sprache für die Geräte-Kommunikation vereinbart, so AGORA aus Frankreich, Energy@home aus Italien und die deutsche EEBus Initiative. In einer gemeinsamen Pressemitteilung wird dies als "Meilenstein in Richtung einer allgemeinen Interoperabilität der Geräte" der Mitglieder der Initiativen gefeiert. Ein deutlich weniger euphorisches Bild vom Smart-Home-Markt malte dagegen vor kurzem der Branchenexperte Bernd Kotschi auf dem Smart Home & Metering Summit der Zeitschrift Energie & Technik. Er beobachtet derzeit eher Rückschritte als eine positive Entwicklung.

Im Rahmen des Smart Home Monitor 2014 hat Kotschi 180 im Smart-Home-Markt tätige Industrie- und 24 Handelsunternehmen befragt und im Vergleich zu den Vorjahren eine Trendumkehr festgestellt: Die Industrieunternehmen setzen wieder verstärkt auf eigene Plattformen. "Es ist derzeit überhaupt nicht absehbar, welche Plattformen sich am Markt durchsetzen werden. Daher wollen sich die Industrieunternehmen nicht festlegen", erklärt Kotschi.

Viele warten darauf, was die großen Player machen – etwa der amerikanische Konzern Google, der vor einiger Zeit den Hersteller vernetzter Thermostate und Rauchmelder Nest übernahm. Andere wollen nicht warten und entscheiden sich für eine Eigenentwicklung. Ein Beispiel unter vielen ist der österreichische Fensterhersteller Internorm, der zur Steuerung von fensterintegrierter Lüftung und Verschattung über das Tablet oder ein Smartphone die I-tec Smart WindowApp anbietet und bei der Vernetzung der Systeme mit einem eigenen Funkprotokoll arbeitet.

"Die Trendumkehr hin zu eigenen Plattformen ist ein Rückschritt. So kann sich der Markt nicht entwickeln", sagt Smart-Home-Berater Kotschi. Partnerplattformen seien durchaus zukunftsfähig, doch gebe es zu wenige, die wirklich das Potenzial haben, alle Geräte im Haus zu vernetzen. Die vielen Produkte, die eine oder einige wenige Anwendungen abdecken wie intelligente Heizkörperthermostate oder Licht- und Verschattungssteuerungen, machen den Markt unübersichtlich. Kotschi: "Von diesen single oder multi use case-Produkten werden nur die am Markt bleiben, die extrem innovativ sind und dem Kunden einen sehr hohen Nutzen bieten, oder die erweiterbar sind, so dass das Smart-Home-Szenario Schritt für Schritt aufgebaut werden kann."

Auch Susan Schwarze von Prosyst Software ist sich sicher, dass es neben offenen immer auch geschlossene Lösungen geben wird. Schwarze ist Vorstandsmitglied der OSGi Alliance, einem Industriekonsortium, das sich der Entwicklung einer offenen Software-Spezifikation für das dynamische Management von Diensten und Anwendungen auf vernetzten Geräten verschrieben hat. "Die Nutzer wollen keine geschlossenen Systeme", sagt sie, bestätigt aber gleichzeitig die Aussage, dass gerade Hersteller aus Bereichen wie Heizungssteuerung oder Verschattung bei Smart-Home-Lösungen derzeit gerne auf eigene Plattformen setzen.

Den Grund dafür sieht sie aber nicht im fehlenden Standard. "Das Problem der vielen unterschiedlichen Kommunikationsprotokolle ist eigentlich keines mehr, denn die OSGi Alliance hat eine modulare Ausführungsumgebung entwickelt, die es möglich macht, alle möglichen Kommunikationsprotokolle und Anwendungen in einer Lösung zu integrieren", erklärt Schwarze. Des Weiteren sei bereits seit mehreren Jahren eine von den Intitiativen aufeinander abgestimmte, standardisierte Lösung im Markt vorhanden, die ein sicheres Gerätemanagement von einem Backend bis hin zu den vernetzten Endgeräten ermöglicht. Vor diesem Hintergrund erscheint die Meldung von AGORA, Energy@home und EEBus Intitiative nicht ganz so spektakulär wie die Protagonisten Glauben machen wollen.

Dass viele Hersteller aus dem Haustechnikbereich dennoch eigene Wege gehen, begründet Schwarze mit der Angst davor, dass bei einer Öffnung der eigenen Lösung deren Mehrwert für den Kunden abnimmt. "Um diesen Mehrwert zu erhalten und auszubauen ist es für die Gerätehersteller wichtig, selbst zu entscheiden, welche Anwendungen auf ihren Geräten möglich sein sollen und in welche Landschaften sie integriert werden können." Gerade diese Möglichkeiten biete die OSGi-Technology. Dank Autorisierungs- und Authentifizierungsmechanismen könne die Umgebung sehr offen oder auch geschlossen gehalten werden. Die meisten hätten diesen Mehrwert inzwischen erkannt. Viele Kommunikationsprotokolle seien bereits über Schnittstellen integrierbar, so etwa Zigbee, ZWave und EEBus. Und auch EnOcean sei derzeit dabei, mit der OSGi Alliance eine entsprechende Schnittstelle zu spezifizieren.

Es sei nicht einfach, so Schwarze weiter, die Hersteller aus dem Haustechnikbereich von den Vorteilen zu überzeugen, aber letztlich kommen auch diese nicht darum herum, ihre Systeme offener zu gestalten. "Diese Entwicklung wird über die Zunahme an Apps und die wachsenden Konsumentenansprüche getrieben. Nutzer laden zum Beispiel eine App auf ihr Smartphone und wollen damit dann aus der Ferne auch ihre Heizung steuern. Um hier nicht abgehängt zu werden, müssen die entsprechenden Unternehmen heute voraus- und umdenken." Und das findet der Expertin für Standards beim Softwareunternehmen Prosyst zufolge durchaus statt. Gerade im Bau- und Haustechnikbereich passiere derzeit viel hinter verschlossenen Türen. von Silke Thole

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