Heizung und Warmwasser
Quelle: Pia Grund-Ludwig

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Heizbedarf wird deutlich vermindert

Proshape optimiert KWK im Bestand

Wohnungsbaugenossenschaft „Zentrum“ erhält Fernwärme und Glasfaser. © A. Morhart

Proshape optimiert BHKW im Bestand in Mehrfamilienhäusern und definiert die Rollen von Contracting und Wohnungsgesellschaften.

In Bestandsgebäuden bis zu 30 Prozent der Endenergie für Raumwärme einsparen, unabhängig von der Art der Zentralheizung? Egal, ob das Haus schon teilsaniert oder eine Nachkriegs-Energieschleuder ist? Und das zu einem Drittel der Kosten einer Außendämmung? Das war der Anspruch des Forschungsprojekts "Shape", und das Konzept wurde bisher in Zehntausenden von Objekten umgesetzt. Seit gut einem Jahr wird unter dem Namen "ProShape" weitergeforscht. Erste Einzelheiten, unter anderem zum Einsatz von neuerdings flexiblen Blockheizkraftwerken (BHKW) und zu den möglichen Rollen von Contracting und Wohnungsgesellschaften stellten die Fachleute bei einem Expertenworkshop in Berlin vor.

Die 30 Prozent Einsparung bei der Raumheizung könnten demnach schon jetzt dadurch erreicht werden, dass jedes Zimmer möglichst nur dann beheizt wird, wenn sich jemand darin aufhält; dass die Heizung oder andere Wärmequellen nur in dem Ausmaß aktiv sind, wie es für die verbleibende Energieanforderung aus diesen Zimmern gerade nötig ist; und dass die Bewohner über Höhe und laufende Kosten dieser Anforderung informiert sind, was viele davon sparsamer macht.

Sensorik reduziert den Verbrauch enorm

Manfred Riedel berichtete von einem der über 30.000 Gebäude, die seine Dr. Riedel Automatisierungstechnik mit einem komplexen System aus Temperatursensoren, Rechnern, Datenleitungen und -funk sowie steuerbaren Heizungsventilen ausgerüstet hat. Die 54 Wohnungen des Objekts in Weißenfels bei Leipzig, gebaut 1984, hätten bisher jährlich 129 Kilowattstunden pro Quadratmeter für die Beheizung gebraucht. Mit neuen Fenstern und einer Kellerdämmung habe man den Bedarf lediglich auf 112 kWh/m²a drosseln können. Durch das System der Hausautomatisierung ("Smart Home") sei er schließlich auf 73 kWh/m²a heruntergebracht worden - und das bei einem Stromkonsum des Systems selbst von nur 0,6 kWhel/m²a. In der Rechnung des bescheidenen Riedel entspricht diese Einsparung 30,2 Prozent. Bei der Bezugsgröße 112 kWh/m²a könnte man aber mit Fug und Recht auch von knapp 35 Prozent reden.

Eine Nachfrage, wie man bei einem völlig offenen Grundriss wie im Berliner Effizienzhaus Plus einzelne Zimmer nur zeitweise beheizen könne, kommentierte Riedel trocken mit den Worten: "Solche Häuser sind Architektenhäuser, die sind nicht zu empfehlen."

Das alles ist bereits Stand der Technik. Beim Nachfolgeprojekt Proshape rückt die KWK-Anlage in den Mittelpunkt - eine Quelle für Strom und Wärme, die bei vergleichsweise magerer Förderung und niedrigen Energiepreisen nach wie vor ein Schattendasein fristet.

BHKWs sind flexibler

Bisher waren diese meist mit Erdgas betriebenen dezentralen Heizkraftwerke so unflexibel, dass sie grob nach dem Heizwärmebedarf betrieben wurden. Man gruppierte mehrere kleine Motor-Generator-Einheiten, schaltete sie jeweils zu oder ab, um die technisch nachteiligen Anfahrvorgänge zu verringern, und brauchte meist einen zusätzlichen Spitzenkessel, der jedoch keinen Strom erzeugen kann. Mit weiterentwickelten Modellen kann man inzwischen aber jede einzelne Einheit problemlos mit herunter bis zu 30 Prozent der Wärmeleistung in Teillast betreiben. Wenn, wie geplant, für ins öffentliche Netz eingespeisten Strom zu sonnen- und windschwachen Zeiten viel mehr erlöst werden kann als der heutige Durchschnittspreis, könnte das Ganze für den Betreiber richtig lukrativ werden. Auch kann man den Strom direkt an die Mieter liefern.

Realistisch sei, so die übereinstimmende Ansicht mehrerer Teilnehmer, dass in Bestandsgebäuden etwa 30 Prozent der Bewohner zu Stromkunden werden. Voraussetzung ist aber ein sehr intelligentes Regelungssystem, das die Eigenversorgung der Bewohner gegen die Einspeisung von Strom in das Netz und den Strombezug aus dem Netz abwägt. Sogar die Pufferung von Wärme im Gebäude selbst und die zu erwartende Wetterentwicklung muss ein solches System einbeziehen.

Gescheitert sind verschiedene bisherige Versuche daran, dass jeder Wärmetechnik-Hersteller seine Komponenten mit einer Daten"sprache" ausrüstete, die die anderen Komponenten nicht verstanden. Das machte alles sehr kompliziert und teuer, ganz zu schweigen von der aufwendigen Bedienung auch für die Bewohner. Die am Proshape-Projekt Beteiligten verpflichten sich dagegen einem offenen Kommunikationsstandard, der es allen Anlagenteilen erlaubt, über eine Art Betriebssystem ("Middleware") sinnvoll Daten auszutauschen. So könne das Gesamtenergiesystem optimiert und - das ist jedenfalls das Ziel - das Konzept deutlich billiger als bei den gescheiterten Versuchen werden. Die Daten sollen im Gegensatz zur US-amerikanischen Philosophie soweit technisch möglich das Gebäude nicht verlassen, versicherte Manfred Riedel.

Severin Beucker vom Institut Borderstep in Berlin hat bereits untersucht, wie man ein solches System des "dezentralen Energiemanagements" betreiben könnte und wie genau die Geschäftsbeziehungen zwischen den Beteiligten aussehen müssten.

Von drei Modellen mit unterschiedlichen Rollen für Wohnungsgesellschaften und einem Contractor sei für genossenschaftliche Wohnungsunternehmen unter anderem aus steuerlichen Gründen wohl nur das zu empfehlen, bei dem die Finanzierung zwischen Wohnungsgesellschaft und Contractor geteilt werde. Diese Variante werde nun noch genauer untersucht.

Viele Einsparmöglichkeiten sind schon erschöpft

Jörg Lippert vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen zeigte sich durchaus angetan von solchen Überlegungen. Andere Einsparmöglichkeiten, vor allem die durch Dämmung, seien weitgehend "erschöpft" und die Kosten im Gegensatz zur Automatisierung weder Vermietern noch Mietern noch zuzumuten. Eines von Lipperts Mitgliedsunternehmen, die Berliner Wohnungsbaugenossenschaft "Zentrum", rüstet gerade ein Objekt mit einem System nach den Proshape-Vorstellungen aus. Hier werden mit den Nahwärmeleitungen sogar gleich Glasfaserkabel verlegt, was die Datenweiterleitung erleichtert. Im Mai sollen die ersten Wohnungen angeschlossen werden. Wenn im September alles fertig wird, kommt das gerade rechtzeitig zum nächsten Expertenworkshop. Die Endergebnisse von Proshape stellte Severin Beucker für den Sommer 2016 in Aussicht. von Alexander Morhart

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