Europaparlamentarier sieht Energie-Contracting als Lösungsweg

Turmes: Wir brauchen klare Vorgaben für die Renovierung

Will 50 Milliarden Euro vom Juncker-Investitionsfond für Energieeffizienz abzweigen: Berichterstatter für die Energieeffizienzrichtlinie Claude Turmes. © EU, Referat AV

Nur mit Fördergeldern allein werde sich die Sanierungsquote bestehender Gebäude in Europa kaum steigern lassen, berichtet der Europaparlamentarier Claude Turmes im Interview mit EnBauSa.de.

Fünf Jahre nach Inkrafttreten der EU-Gebäuderichtlinie hat die EU-Kommission begonnen zu kontrollieren, inwieweit die einzelnen EU-Staaten die Richtlinie umsetzen und ob die gesteckten Ziele erreicht werden. Bis Ende 2016 soll der Review-Prozess abgeschlossen sein. Für den Abgeordneten der GRÜNEN im Europaparlament Claude Turmes steht außer Zweifel, dass die Ergebnisse der Untersuchung zu einer Anpassung der Richtlinie führen müssen. Die nächste Fassung müsse stärke auf die Renovierung bestehender Gebäude eingehen, so der Luxemburger im Interview mit EnBauSa.de-Redakteurin Silke Thole.

2010 haben Sie die Verabschiedung der EU-Gebäuderichtlinie als großen Erfolg gefeiert. Wie bewerten Sie sie heute?

Wir haben mit der Gebäuderichtlinie 2010 durchgesetzt, dass Near Zero Energy der Energiestandard für alle Neubauten in der EU wird. Das war symbolisch ein Riesenschritt. Heute weiß die ganze Bauwirtschaft - Architekten, Ingenieure, Bauunternehmer, aber auch der Immobilienmakler, dass Neubauten energetisch super optimiert sein müssen. Das ist ein großer Erfolg.

Wo wir immer noch eine Baustelle haben, ist bei der Renovierung bestehender Gebäude. 80, 90 Prozent der Gebäude, die wir 2050 haben werden, stehen heute schon. Wir haben bei der horizontalen Effizienzrichtlinie (Anm. d. Redaktion: gemeint ist die Energieeffizienzrichtlinie), die wir etwas später gemacht haben als die Gebäuderichtlinie, ein bisschen nachgebessert. Da haben wir festgelegt, dass jedes Land einen langfristigen Plan zur Sanierung des Gebäudebestands machen muss. Und jetzt arbeiten wir daran, dass auch in größerem Maße Geld aus Europa für die Sanierung zur Verfügung steht. Das haben wir bei den Strukturfonds schon geschafft, da werden insgesamt fast 30 Milliarden Euro für Energieeffizienzmaßnahmen verfügbar sein. Und derzeit versuchen wir, 50 Milliarden vom Juncker-Investitionsfond für die Energieeffizienz abzuzweigen, damit in Ländern wie Polen, Bulgarien, Rumänien, aber auch in Südeuropa Finanzinstrumente ähnlich den KfW-Programmen in Deutschland entwickelt werden können. In diesen Ländern, die in einer wirtschaftlich schwierigen Lage sind, brauchen wir das Geld aus Europa, um Sanierungen anzustoßen.

Aber auch die Förderprogramme der KfW ändern nichts daran, dass die Sanierungsrate in Deutschland bei knapp einem Prozent stagniert. Brauchen wir so etwas wie eine europäische Renovierungsrichtlinie?

Das Trauerspiel in Deutschland ist zurzeit, dass die Bundesregierung sich mit den Bundesländern nicht auf einen Steueranreiz einigen kann. Dabei liegt das doch auf der Hand. Es hat Steueranreizprogramme gegeben, die gut funktioniert haben. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Als jemand, der von außen auf Deutschland schaut, kann ich gar nicht nachvollziehen, warum das jetzt wieder gescheitert ist. In Europa schauen wir jetzt, welche Erfahrungen wir in den vergangenen Jahren gemacht haben und wie die nächste Generation der europäischen Gesetzgebung aussehen sollte. Ich denke, Sie sehen das richtig. Bei neuen Gebäuden haben wir das Problem gelöst. Near Zero Energy wird überall gemacht. Jetzt müssen wir klare Vorgaben machen für den Bereich der Renovierung.

Ist also in naher Zukunft mit einer Neufassung der EU-Gebäuderichtline zu rechnen, die stärker auf die Sanierung von Gebäuden zielt?

Wir sind derzeit in Gesprächen mit der Kommission, um zu sehen, was funktioniert hat und was nicht. Klar ist, mit Geld alleine können wir das Problem nicht lösen. So viel Geld haben wir nicht. Also können wir nicht nur über Förderung an das Problem herangehen. Dies auch deshalb, weil es leider nach wie vor keinen politischen Konsens dafür gibt, die externen Kosten - also die Klimakosten - der Energieträger Gas und Öl im Preis abzubilden. Daher brauchen wir neben Fördergeldern auch neue Gesetzgebungen. Die Frage ist, ob wir über Gesetze ein Instrument schaffen können, das analog zur Energiekennzeichnung bei Elektrogeräten verhindert, das ineffiziente Gebäude auf den Markt gebracht werden. Natürlich gibt es Privathäuser, es gibt die größeren Mietshäuser, auch Genossenschaften, es gibt Bürogebäude und es gibt öffentliche Gebäude. Jeder dieser Wohnungsmärkte hat seine eigenen Charakteristika. Deshalb müssen wir sehr genau hinschauen und auch etwas spezifischer sein.

Die Energieeffizienzrichtlinie sah ja in der von Ihnen favorisierten Fassung vor, dass die Mitgliedsstaaten ihre öffentlichen Gebäude renovieren müssen. Von dieser Regelung ist am Ende nicht viel übrig geblieben. Werden Sie da auch noch einmal versuchen nachzubessern?

Ich war ziemlich sauer darüber, dass die Regierungen da seinerzeit so gemauert haben. Jetzt versuchen wir, über den Juncker-Investitionsplan neuen Drive reinzubekommen. Meine Idee ist, dass wir 50 Milliarden von den insgesamt 320 Milliarden in einen separaten Topf fließen lassen und damit in Verbindung mit Energie-Contacting die Sanierung öffentlicher Gebäude fördern. Wenn eine Kommune bei der Sanierung nicht 100 Prozent selbst in Vorleistung gehen muss, sondern mit einem Contractor zusammenarbeitet, können wir mit denselben Fördermitteln viel mehr Gebäude und auch schneller sanieren.

Ist das wirklich erfolgversprechend? In Deutschland geht es beim Energie-Contracting meist um die Installation effizienter Heizsysteme. Contracting-Modelle, die tatsächlich die komplette Gebäudesanierung vorsehen, gibt es kaum.

Es gibt hier noch eine Reihe von administrativen Problemen. Solche Hindernisse zu analysieren ist einer der Bausteine bei der Neufassung der Gebäuderichtlinie. Wir müssen schauen, wie wir effiziente und innovative Contracting-Modelle weiterbringen können. Ein Problem ist das der Finanzierung. Viele Contracting-Anbieter sind relativ klein und haben keine großen Kriegskassen. Eine Idee, an der wir arbeiten, ist, ein Finanzprodukt zu schaffen in Europa, das es ermöglicht, laufende Contracting-Projekte weiterzuverkaufen - etwa an Investoren wie Pensionsfonds oder große Investmentfonds. Auf diese Weise kämen Contracting-Anbieter an frisches Kapital, um neue Projekte anzugehen.

Wie sieht der Zeitplan aus, wann ist mit europäischen Initiativen zur Gebäudesanierung zu rechnen?

Wir arbeiten täglich daran. Zunächst wird in den kommenden zwei Monaten das Dossier des Juncker-Investitionsplans entschieden. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat selbst gesagt, Effizienz müsse eine Priorität sein. Wir als Parlament sagen, wir wollen einen spezifischen Fond, so dass man sich mit jedem einzelnen Land an den Tisch setzen und über Finanzinstrumente beratschlagen kann, die der Wirtschaft helfen und gleichzeitig dafür sorgen, dass etwas Sinnvolles für die Umwelt und für das Portemonnaie der Menschen getan wird. Neben dem Geld braucht es dann noch Gesetze und Regulierung, und die wollen wir in die nächste Reform der EU-Gebäuderichtlinie einbauen. Das wird 2016, 2017 oder 2018 der Fall sein.

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