Genossenschaftsprojekt muss mit deutlich höheren Kosten rechnen

Kredite retten Berliner Passivhaus-Siedlung

Nun geht es weiter mit dem Passivhaus-Projekt Möckernkiez. © A. Morhart

Am Möckernkiez werkeln bei Berlins großem Passivhaus-Projekt die Bauarbeiter wieder. Allerdings wird alles deutlich teurer.

Seit kurzem legen sich an den Rohbauten eines alternativen Großprojekts in Berlin-Kreuzberg wieder die Bauarbeiter ins Zeug. Damit wurde eine rund 19 Monate dauernde Unterbrechung beendet. Noch im Februar dieses Jahres, als vier der 14 geplanten Passivhäuser im Rohbau schon lange standen, hatte der da bereits ausgetauschte Vorstand den Mitgliedern mitgeteilt, die Realisierung des Bauvorhabens mit 471 Wohneinheiten sei "insgesamt infrage gestellt".

Mit großer Verzögerung und ohne endgültige Kreditzusage einer Bank hatte man im Januar 2014 angefangen zu bauen. Zehn Monate später ging der Genossenschaft das Geld aus. Ein vorübergehender Baustopp war die Folge. Der Vorstand ließ nun vor kurzem verlautbaren, man habe zwei Banken von dem Vorhaben überzeugen können. Eine davon ist einem Bericht der Berliner Morgenpost zufolge die "Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken" (GLS), die ihre Geschäftspolitik unter anderem nach weltanschaulichen Gesichtspunkten ausrichtet. Der Leiter von deren Berliner Filiale, Werner Landwehr, war zeitweise Vorstand des Aufsichtsrats der Möckernkiez eG.

Neben den Bankdarlehen greift die Genossenschaft auch auf persönliche Kredite und ein Darlehen aus dem KfW-Programm zur Förderung genossenschaftlicher Einlagen zurück. Letzteres war lange ebenfalls an den für eine erfolgreiche Antragstellung nötigen Banken gescheitert. Außerdem hat die Genossenschaft Teile des Grundstücks an einen Hotelbetreiber und einen Bio-Supermarkt verkauft, was wiederum die wichtigste Bedingung der GLS für eine Kreditzusage war.

Ursachen für das Beinahe-Scheitern

Woran lag es, dass dieses Vorzeigeprojekt einer kompletten Passivhaus-Siedlung fast gescheitert wäre? Vordergründig daran, dass die Genossen fünf Jahre lang bei sämtlichen Banken abgeblitzt waren. Der neue Genossenschaftsvorstand zeigte sich in einer Pressemitteilung lediglich "verwundert" darüber, dass "kein in der Hauptstadt ansässiges Bankinstitut" zu den Finanzierern gehören wollte. Doch "wundern" erklärt nichts. EnBauSa.de hat deshalb seit Herbst 2014 versucht, einen Gesprächstermin mit einem Vertreter der Genossenschaft zu vereinbaren, der jedoch nur immer wieder hinausgeschoben wurde. Sebastian Czaja, der als Projektentwickler für ein großes Berliner Bauunternehmen arbeitet, vermutet, "dass die Liquidität auf zu wackligen Füßen stand, weil nicht klar war, wer am Ende die Zeche zahlt."

In der Tat: Im Oktober 2014, kurz vor dem Baustopp, als der alte Vorstand noch versuchte, Bankdarlehen einzuwerben, war von den Genossenschaftsmitgliedern noch nicht einmal genügend Geld eingesammelt gewesen, um die von Banken geforderte Eigenkapitalquote von 30 Prozent zu erfüllen. Das Vorhaben hatte sich da schon durch Umplanungen (Neubau statt Sanierung vorhandener Gebäude) verzögert. Sebastian Czaja: "Die Grundsatzfrage am Anfang des Vorhabens hätte lauten müssen: Lohnt es sich, einen Altbau zu ertüchtigen und Investitionen zu tätigen? Gibt es die bauliche Beschaffenheit her? Es passieren Fehler, die am Ende jede Menge Geld kosten, wenn man nicht von vornherein weiß: Wo will ich eigentlich mit dem gesamten Projekt hin."

Alles auf eine Karte

Man hatte sich bis 2014 in eine Situation hineinmanövriert, in der ein Aufschub weitere Kostensteigerungen befürchten ließ. Jeden Tag liefen die Verwaltungs- und Projektsteuerungskosten weiter, ohne dass auf der anderen Seite Einnahmen durch Mieten zu erwarten waren. Der Vorstand und die ihm hier folgende Mitgliederversammlung setzten mit einer emotional aufgeheizten Entscheidung (Warner wurden ausgebuht) für einen sofortigen Baubeginn alles auf eine Karte - und verlor.

Ein wesentlicher Fehler könnte allerdings zu einem weit früheren Zeitpunkt gemacht worden sein: mit der Entscheidung nämlich, zuerst die Wohngebäude in Angriff zu nehmen. "Wenn man zuerst das Hotel gebaut und das Gewerbe - in dem Fall den Bio-Supermarkt - geschaffen und dadurch Einnahmen generiert hätte, dann wäre natürlich auch wieder Liquidität vorhanden gewesen. Man hat sich aber genau nicht für diesen Weg entschieden, sicherlich auch aufgrund von mangelnden Erfahrungswerten", sagt Projektentwickler Czaja.

Vorstand ohne Erfahrung

Wie sah es mit der Erfahrung im damaligen Vorstand aus? Ein Immobilienprofi war jedenfalls nicht dabei. Die Vorstandsmitglieder waren ein berenteter Betreiber eines Rechenzentrums, eine Restauratorin und eine zu Anfang des Projekts 28-jährige Politologin. Ganz anders jetzt der neue zweiköpfige Vorstand: Die Architektin Karoline Scharpf hat neun Jahre Erfahrung im Projektmanagement. Betriebswirt Frank Nitzsche hat seit 24 Jahren leitende Funktionen in der Wohnungswirtschaft inne und war schon an der Rettung einer anderen Wohnungsbaugesellschaft beteiligt.

Doch auch wenn Scharpf und Nitzsche ab jetzt im zweiten Anlauf alles richtig machen sollten - das bereits verbrannte Geld ist weg. Zu den Mehrkosten für die erwähnten Umplanungen kamen während der Bauunterbrechung rund 850.000 Euro hinzu, vor allem für die Gerüstmiete an den vier Rohbauten. Kein Wunder also, dass die angekündigte Monatsmiete für die zukünftigen Bewohner einschließlich Betriebskosten inzwischen bei durchschnittlich 13,28 Euro/m² Wohnfläche liegt. Hinzu kommen als "anteilige Errichtungskosten" einmalig 920,00 Euro/m².

Schon der rein finanzielle Schaden ist für die Bewohner in spe immens. Hinzu kommt das Durcheinander für deren Lebensplanung: Ursprünglich sollte 2013 alles fertig sein, jetzt ist 2018 "geplant" - für die, die sich den höheren Preis überhaupt leisten können. Zudem dürften manche Gruppen, die inner- oder außerhalb Berlins mit dem Gedanken an ein ähnliches Projekt gespielt hatten, erst einmal entmutigt sein.

Vieles bei diesem Beinahe-Scheitern hat mit der Genossenschaft selbst zu tun, aber Sebastian Czaja weist im Hinblick auf die KfW auch auf einen unzureichenden Rahmen für solche Vorhaben hin. Der Staat dürfe sich nicht "in den Weg stellen und die Handbremse anziehen." Als Positivbeispiel verweist er auf die KfW in Hessen. Von Alexander Morhart

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