Bundestag und Bundesrat haben EnEG-Entwurf im Visier

Der Weg zur EnEV 2014 ist immer noch holprig

Melita Tuschinski: EnEV-Novelle dauert länger als erwartet. © Wolfram Palmer

EnEV-Expertin Melita Tuschinski erläutert im Interview mit EnBauSa.de die nächsten Schritte der EnEV-Novelle.

Die Arbeit an der EnEV geht in die nächste Runde. Nach den Referentenentwürfen liegen nun die Entwürfe des Bundesregierung für das Energieeinsparungsgesetz und die Energieeinsparverordnung vor. Melita Tuschinski, Herausgeberin von EnEV-online.de beobachtet die Entwicklung der EnEV seit vielen Jahren. Im Gespräch mit EnBauSa.de erklärt sie, was derzeit diskutiert wird und wie die nächsten Schritte sind.

Frau Tuschinski, was hat sich denn im Gesetzentwurf der EnEV geändert im Vergleich zum Referenten-Entwurf?

Tuschinski: Anfang Februar hat das Bundeskabinett zwar einen Entwurf für die EnEV-Novelle beschlossen, doch das Energieeinsparungsgesetz (EnEG) bestimmt letztendlich, was die geänderte EnEV regeln darf. Am Mittwoch tagt der zuständige Fachausschuss im Bundestag zum EnEG-Entwurf und am Freitag wird der Bundesrat im Plenum über die EnEG-Novelle abstimmen. Vergangene Woche hat der zuständige Bundesrat-Ausschuss etliche Änderungen empfohlen. Erst wenn das geänderte EnEG endgültig verabschiedet ist, wird sich zeigen, inwieweit die aktuelle Energieeinsparverordnung überhaupt geändert werden kann.

Und welche Änderungen schlägt der Kabinettsbeschluss nun vor?

Tuschinski: Im Vergleich zum Referentenentwurf für die EnEV-Novelle, schlägt der Kabinettsbeschluss etliche Änderungen vor, beispielsweise: Der vereinfachte Nachweis für bestimmte ungekühlte Wohnhäuser – als "EnEV-easy" bekannt – ist nicht mehr Teil der Verordnung selbst, sondern soll in entsprechende Bekanntmachungen des Bundesbauministeriums ausgelagert sein. Die EnEV würde lediglich darauf verweisen. Der Wärmeschutz der Gebäudehülle soll nach einem anderen Schlüssel verschärft werden – gemäß der Begründung der Bundesregierung auch auf jeweils 10 Prozent zunächst mit Inkrafttreten 2014 und danach ab 2016 – und zwar in Bezug auf das Wärmeschutzniveau des Referenzgebäudes. Als unterste Wärmeschutzgrenze für die Gebäudehülle sollen allerdings die alten Werte nach EnEV 2009 gelten.

Ein offenes Thema war auch die von der EU geforderte Kontrolle der Energieausweise. Wie wird das jetzt geregelt?

Tuschinski: Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) in Berlin soll nicht nur drei Jahre lang, sondern bis zu sieben Jahren nach dem Inkrafttreten der EnEV-Novelle die Aufgaben der bundesweiten Registrierstelle für Energieausweise und Inspektionsberichte erfüllen, bis die Länder ihre eigenen Regelungen treffen. Die EnEV-Novelle soll nicht mehr nach ungefähr drei Monaten, sondern erst zirka sechs Monate nach der Verkündung in Kraft treten. Es gibt jedoch eine Ausnahme: erst ein Jahr nach dem Inkrafttreten soll es eine Ordnungswidrigkeit darstellen, wenn Verkäufer oder Vermieter in ihren kommerziellen Anzeigen nicht auch die geforderten Energiekennwerte für die angebotenen Gebäude veröffentlichen.

Was bedeutet die von Ihnen angesprochene Auslagerung von EnEV-easy für die Praxis? Wird das Verfahren nun eingeführt oder ist es als verbindliche Möglichkeit vom Tisch?

Tuschinski: Grundgedanke von EnEV-easy ist, dass sich der Planungs- und Nachweis-Prozess für bestimmte einfache, ungekühlte Wohnhäuser vereinfacht, indem der Wärmeschutz der Gebäudehülle und die technische Ausstattung einer ausgewiesenen "Musterreihe" entstammt. Für diese Häuser wäre dann keine EnEV-Berechnung erforderlich. Im Entwurf der Bundesregierung sind diese Tabellen mit den Standardausrüstungen für Wohnhäuser nicht mehr Teil der EnEV selbst, sondern sollen in Bekanntmachungen der zuständigen Bundesministerien veröffentlicht werden. Der EnEV-Entwurf verweist auf diese Bekanntmachungen, allerdings in einer Art und Weise, die einen aufhorchen lässt: Wenn ein neu erbautes Wohnhaus die Bedingungen in der Bekanntmachung erfüllt "ist zu vermuten", dass es den EnEV-Anforderungen entspricht und kein EnEV-Nachweis notwendig ist.

Wie ist das zu verstehen? Das klingt doch sehr vage...

Tuschinski: Das wollte ich genau wissen und habe den spezialisierten Rechtsanwalt Dominik Krause aus Bremen dazu befragt. Theoretisch besteht tatsächlich die Gefahr, dass jemand nachweist, dass ein EnEV-easy gebautes Wohnhaus die EnEV eigentlich nicht erfüllt. Deshalb empfiehlt Rechtsanwalt Krause Planern, ihren Auftraggebern zu raten, trotz EnEV-easy die Nachweis-Berechnung durchführen zu lassen. So gesehen, hätte der ganze EnEV-easy-Ansatz seinen Sinn und Zweck verfehlt.

Wie schnell würde die EnEV nach Verabschiedung greifen oder muss es noch Anpassungen der Landesbauordnungen geben?

Tuschinski: Nachdem die EnEV-Novelle verabschiedet ist, wird sie üblicherweise innerhalb von einigen Wochen im Bundesgesetzblatt verkündet. Diese Fassung regelt auch verbindlich, ab wann die EnEV in Kraft tritt. Der Referentenentwurf hatte zum Inkrafttreten der EnEV-Novelle zwei Stufen vorgesehen: zirka drei Monate nach der Verkündung sollte die Verordnung gelten, allerdings ohne die Änderungen, die sich mit der Berechnung des EnEV-Nachweises befassen. Diese sollten erst weitere drei Monate später in Kraft treten, damit die Softwarehersteller Zeit hätten, ihre EnEV-Berechnungsprogramme anzupassen. Ich war sehr skeptisch, wie das praktisch funktionieren soll. Nun schlägt der Entwurf des Bundeskabinetts ein ganz anderes Szenario vor: Die novellierte EnEV soll zirka sechs Monate nach der Verkündung in Kraft treten, bis auf die neuen Pflichtangaben in Immobilienanzeigen. Erst ein Jahr nach dem Inkrafttreten der EnEV soll es eine Ordnungswidrigkeit darstellen, wenn ein betroffener Verkäufer oder Vermieter dieser Pflicht nicht nachkommt.

Und die Landesbauordnungen? Müssen die Länder da nachbessern?

Tuschinski: Die Landesbauordnungen verweisen auf die jeweils geltende EnEV-Fassung, die bundesweit gilt. Ausschlaggebend ist dabei das Datum, wann der Bauherr den Bauantrag einreicht oder die Bauanzeige erstattet. Wer eine Baumaßnahme plant, für die er weder eine Bauanzeige noch einen Bauantrag benötigt, für den ist das Datum maßgeblich, zu dem er tatsächlich mit der Baumaßnahme beginnt. Wenn an diesem Stichtag bereits die neue EnEV-Fassung gilt, müssen die Bauvorhaben die neuen Anforderungen erfüllen. Doch Achtung: Bei bestimmten Bauverträgen ist die geltende EnEV-Fassung am Tag der Bauabnahme maßgeblich.

Wie sehen die Vorschläge zum Niedrigstenergiegebäude jetzt aus und wie sind die Fristen?

Tuschinski: Diesen Neubaustandard fordert die EU-Richtlinie ab 2021 für neu errichtete Gebäude und bereits ab 2019 für öffentliche Neubauten. Der Entwurf für die EnEV-Novelle sieht jedoch nur den moderat verschärften Energiestandard für Neubauten ab Inkrafttreten sowie eine abermalige Verschärfung ab 2016 vor. Das Energieeinsparungsgesetz – aktuell EnEG 2009 – muss allerdings noch vor der EnEV Novelle geändert werden, denn dieses Gesetz erst ermächtigt die Bundesregierung, dass sie Verordnungen in die EnEV novelliert. Der EnEG-Entwurf der Bundesregierung sieht auch einen neuen Paragraphen speziell für "zu errichtende Niedrigstenergiegebäude" vor.

Gibt es dafür eine klare Richtlinie?

Tuschinski: Der Standard ist vage definiert, wie in der EU-Richtlinie. "Ein Niedrigstenergiegebäude ist ein Gebäude, das eine sehr gute Gesamtenergieeffizienz aufweist; der Energiebedarf des Gebäudes muss sehr gering sein und soll, soweit möglich, zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden." Die Bundesregierung soll dazu bis Ende des Jahres 2018 eine Rechtsverordnung (EnEV) erlassen und diesen Standard im Einzelnen regeln. Diese Frist ist in der Tat sehr knapp bemessen wenn man bedenkt, dass ab 2019 öffentliche Neubauten bereits den Niedrigstenergie-Standard erfüllen müssten. So ist es nicht verwunderlich, dass die Fachausschüsse im Bundesrat zu dieser Frist mehr oder weniger drastische Änderungen vorschlagen. Ihrer Meinung nach sollte dieser Energiestandard entweder bis Ende des Jahres 2015 oder spätestens bis Ende 2016 in der EnEV geregelt sein.

Ist mit einer Zusammenführung von EnEV und Wärmegesetz zu rechnen, die von Fachleuten, aber auch von den Ländern gefordert wird?

Tuschinski: Nein, und das ist jammerschade, denn dies wäre ein Schritt in Richtung Energiewende. Liegt es an der Europäischen Union, mit ihren unterschiedlichen Richtlinien für die Energieeffizienz im Gebäudebereich und für die Anwendung erneuerbarer Energien? Liegt es an den unterschiedlichen Zuständigkeiten der Bundesministerien für Bau, Wirtschaft und Umwelt? Für Außenstehende ist es schwer nachzuvollziehen, dass es noch immer Unstimmigkeiten gibt zwischen der parallel geltenden EnEV und EEWärmeG. Wie auch die Umfragen unter den Lesern unseres Expertenportals EnEV-online zeigt, ist die Planungs- und Bau-Praxis häufig sehr frustrierend, ganz zu schweigen von den Bauherren, die diese parallelen Anforderungen erfüllen müssen. Leider hatte sich der Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum ersten EEWärmegesetz 2009 um ein ganzes Jahr verzögert. Hätten sie diesen Bericht bereits bis Ende 2011 vorgelegt – wie das Gesetz es forderte – wäre es vielleicht doch möglich gewesen, die beiden Regelungen in der EnEV 2014 zusammenzuführen. Auch der Bundesrats-Ausschuss kritisiert, dass die beiden Regeln noch immer parallel laufen.

Wer soll die Durchführung künftig kontrollieren? Gibt es dafür im Neubau schärfere Regeln?

Tuschinski: Für die EnEV-Praxis sind nach wie vor die Bundesländer zuständig. Es sind die Sachbearbeiter in den Bauämtern, die die Baugenehmigungen erteilen und auch Kontrollen durchführen. Weil der EnEV häufig vorgeworfen wird, dass sie ein "zahnloser" Tiger sei, schlägt auch der EnEV-Entwurf vor, im Neubaubereich eine schärfere Kontrolle einzuführen. Auch sollte der Energieausweis für das fertig erstellte Gebäude sofort nach Fertigstellung ausgestellt und dem Eigentümer/Bauherrn überreicht werden. Doch genau dieses wollen die Bundesländer verhindern, wie man aus der Bundesrats-Empfehlung der Ausschüsse entnehmen kann. Die Länder sehen dies als eine Einmischung in ihre Hoheit für die Neubau-Regelung. Deshalb wollen sie diese Passagen aus dem EnEG vollkommen streichen. Zur Begründung führen sie an, dass diese neuen Regelungen nicht für die Umsetzung der EU-Richtlinie nötig wären. Meiner Meinung nach wäre es jedoch im Sinne der deutschen Ziele, die praktische Anwendung der EnEV im Neubaubereich zu verbessern.

Für wie stabil halten Sie die jetzige EnEV-Fassung und wo erwarten Sie noch Änderungen im weiteren Prozess? Rechnen Sie überhaupt noch mit einer Verabschiedung in dieser Legislaturperiode?

Tuschinski: Wenn wir bedenken, dass erst die EnEG-Novelle der Bundesregierung erlaubt, die EnEV zu ändern, so wird uns diese Woche zeigen in welchem Umfang der EnEG-Entwurf sich noch ändern kann. Daraus werden sich die Konsequenzen für die EnEV-Novelle ergeben. Am Mittwoch werden sich auch die zuständigen Bundestags-Ausschüsse mit dem Entwurf für das EnEG befassen. Warten wir ab, was hier beschlossen wird und wenn am Freitag der Bundesrat im Plenum über die EnEG-Novelle beschließt, wissen wir, wie es weitergehen könnte. Was den Termin für das Inkrafttreten der kommenden EnEV anbelangt, so gehen die Optimisten vom 1. Januar 2014 aus und die Pessimisten von der Mitte des Jahres 2014 oder sogar später. Die Erfahrung hat mich soweit gelehrt, dass es meistens länger dauert als gedacht. Ich lass' mich aber gerne überraschen und eines Besseren belehren.

Das Interview führte Pia Grund-Ludwig.

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