Wirtschaftliche Argumente reichen für Sanierung nicht aus

Britischer Experte verteidigt Empirica-Studie

Galvin: Argumente pro Sanierung passen in Deutschland nicht. © Klewar/KfW

Harald Simons, Leiter des Empirica-Instituts, hat Schelte für seine Studie zur Gebäudesanierung bezogen. Der britische Experte Ray Galvin unterstützt seine Sichtweise.

Die Empirica-Studie zur Gebäudesanierung, die die Rentabilität von Sanierungsprojekten in Frage stellt, sorgt weiter für Diskussionsstoff. Nun hat sich der britische Experte Ray Galvin in die Diskussion eingeschaltet. Er hat sich im Auftrag der Universität Cambridge mit der Sanierungspraxis in Deutschland beschäftigt. Eine Vorstellung der Ergebnisse in Buchform soll im Laufe des Jahres 2013 erfolgen. Erste Ergebnisse stellt er in einer Stellungnahme gegenüber EnBauSa.de zur Auseinandersetzung um die Empirica-Studie zur Diskussion.

In seiner Forschung zur energetischen Sanierung habe er vieles gefunden, was lobenswert sei, aber auch einige Dinge die sehr problematisch sind. Zunächst setzt er sich mit der in Deutschland gängigen Praxis auseinander, dass bei einer Bewertung der Rentabilität nur diejenigen Aufwendungen geltend gemacht werden sollen, die für die energetische Ertüchtigung notwendig sind.

Für viele Hausbesitzer sei das aber nicht zutreffend. Empirica-Forscher Harald Simons beschreite "neue Wege, indem er die Frage stellt, was als Aufwendungen eingerechnet werden sollte, wenn ein Haus nicht sowieso saniert werden muss". Schließlich gehe es darum, die Eigentümer thermisch minderwertiger Wohneinheiten zu erreichen, die ihre Gebäude nicht für sanierungsbedürftig halten, betont Galvin. Clausnitzer, aber auch viele andere Experten in Deutschland, nähmen diese Frage nicht wirklich ernst, mahnt der Brite.

Galvin bemängelt zudem, dass in der Berechnung der Wirtschaftlichkeit laut EnEV die Energiebedarfswerte zugrunde gelegt werden. Gemeinsam mit einer Kollegin hat er sich angeschaut, wie sich Bedarf und Verbrauch verhalten. Die Verbrauchswerte lagen zirka 30 Prozent unter dem errechneten Bedarf. "Interessanterweise nahm der prozentuale Bedarf zwischen den beiden Werten mit anteigendem Energiebedarfskennwert zu. Die Differenz steigt auf 50 Prozent für Gebäude mit einem Energiebedarfskennwert von 400 kWh/m2a", schreibt Galvin in seiner Stellungnahme.

Würde also durch eine Sanierungsmaßnahme die Hälfte an Energie eingespart, dann sei das nicht die Hälfte des Bedarfs, sondern des Verbrauchs. In diesem Fall dann statt 200 kWh/m2a nur 100 kWh/m2a. Entscheidend sei aber gar nicht der genaue Bedarf pro Gebäude. Viel wichtiger sei, dass der Verbrauch derjenigen Gebäude, die saniert werden sollen, deutlich unterhalb der Schwelle liege, die ausreichende finanzielle Einsparungen mit sich bringen, um die Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten.

Auch an einem weiteren Punkt ist Galvin nicht mit hiesigen Experten einig: beim Diskontsatz, der bei Investitionen angewendet wird. Der beschreibt den Wertverlust zukünftiger Brennstoffeinsparungen, betrachtet aus der heutigen Perspektive. Er berücksichtigt nicht nur die Inflationsrate, sondern für Unternehmen auch das Investitionsrisiko. Wird er hoch angesetzt, vermindert das auf lange Frist die Rentabilität. In England sei ein Satz von 8 Prozent üblich, so Galvin. Demgegenüber werde in Deutschland üblicherweise die Entwicklung der Heizölpreise überschätzt, warnt Galvin. Aus der Kombination dieser beiden Faktoren ergäben sich Einsparungen, die nur auf dem Papier bestünden.

Ein weiterer Punkt, der ihm aufgefallen ist sind die Nutzungdauern, die angesetzt würden. Simons geht von 15 Jahren aus, Klaus-Dieter Clausnitzer vom Bremer Energie Institut bei Maßnahmen an der Gebäudehülle von 40 Jahren. Man müsse hier unterscheiden zwischen einer volkswirtschaftlichen und einer technischen Amortisation, betont Galvin. "In Großbritannien herrscht Verständnis dafür, dass private Investoren selten mit einem Versprechen von 25 oder gar 40 Jahren Amortisierungszeit motiviert werden können", so der Brite.

Nicht zuletzt rät Galvin, sich von einer rein wirtschaftlichen Argumentation zu verabschieden. Pluspunkte, die Hausbesitzer überzeugen, könnten eher mehr Wohnkomfort und Zukunftssicherheit sein. "Politische Entscheidungsträger sollten Hauseigentümern dabei helfen, über energetische Sanierungsmaßnahmen in der gleichen Weise nachzudenken wie über andere Verbesserungsmaßnahmen."
von Pia Grund-Ludwig

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