Auswertung von mehr als 10.000 Ausweisen vorgelegt

"Bestandsgebäude bei Energiebedarfsausweisen tiefrot"

Im grünen Bereich sind beim Energieausweis nur wenige Bestandsgebäude, so eine Auswertung von TNS Infratest. © P. Grund-Ludwig

TNS Infratest hat die Effizienzklassen von Energieausweisen ausgewertet. Dabei waren zwei Drittel in den beiden schlechtesten Kategorien G und H.

TNS Infratest und Energieausweis48 haben eine Auswertung der Effizienzklassen von über 10.000 Energiebedarfsausweisen vorgelegt, die zwischen dem 1. Mai 2014 und dem 30. April 2015 ausgestellt wurden. Solche Zahlen gibt es bislang nicht, und sie sind schwer zu erheben. Es gibt zwar seit kurzem mit dem Deutschen Institut für Bautechnik eine Registrierstelle für Energieausweise, aber keine Auswertung der Daten aus den Ausweisen selbst.

Das Ergebnis der Analyse liefere ein "erstes Abbild des Ist-Zustandes der energetischen Qualität des Wohngebäudebestands in Deutschland bezogen auf den rechnerisch nach den gesetzlichen Vorgaben ermittelten Endenergiebedarf", so die Autoren.

Für den kompletten Gebäudebestand gilt diese Aussage sicher nicht, so fehlt der komplette Bereich des privat genutzten Wohneigentums. Für diese Gebäude gibt es in der Regel keine Energieausweise, es sei denn, die Gebäude wechseln den Besitzer. Auch dürfte der Bedarfsausweis eher die Ausnahme als die Regel bei den Energieausweisen sein. Wer es sich als Vermieter aussuchen kann, wird sich für den Verbrauchsausweis entscheiden, da der billiger ist und fast immer niedrigere Werte ausweist als der Bedarfsausweis. Der Bedarfsausweis beschreibt den energetischen Zustand eines Gebäudes, der Verbrauchsausweis mittelt die Verbrauchsdaten der letzten Jahre. Beide können sehr unterschiedlich sein.

Es wurden in der Erhebung nur Bedarfsausweise ausgewertet. Das legt nahe, dass Gebäude betrachtet wurden, die weniger als fünf Wohnungen haben, für die der Bauantrag vor dem 1. November 1977 gestellt worden ist und die seither nicht grundlegend modernisiert wurden. Nur für die ist der Bedarfsausweis vorgeschrieben. Danach weisen 41 Prozent der Energiebedarfsausweise die Energieeffizienzklasse H aus. Auf die Energieeffizienzklasse G entfallen 22 Prozent. Immer noch im orangeroten Bereich der Skala, die seit dem 1. Mai 2014 auf jedem neuen Energieausweis verbindlich ist, sind 17 Prozent der Gebäude in der Energieeffizienzklasse F zu verorten. Zwölf Prozent finden sich in der Energieeffizienzklasse E. Lediglich sieben Prozent gibt es in der Energieeffizienzklasse D und nur ein Prozent in C. "Die Energieeffizienzklassen B, A und A+ sind in Deutschland nur in Einzelfällen auszumachen", so die Studie. Vier von fünf Immobilien in Deutschland liegen demnach im roten Bereich der Energiebedarfsskala. Lediglich in Einzelfällen erreichen vor der Jahrtausendwende erbaute Immobilien positive Effizienzklassen. Eine deutlich positivere Effizienzklassenverteilung ist erst bei Immobilienbauten ab dem Jahre 2000 erkennbar.

Fast zwei Drittel der Ausweise sortieren die Gebäude in den beiden schlechtesten und tiefroten Kategorien ein. Man habe den Bestand repräsentativ abgebildet, so Johannes Broscheid von Energieausweis48, der die Daten zur Verfügung gestellt hat. Etwa die Hälfte der Gebäude war in der Altersklasse zwischen 1950 und 1977, Neubauten wurden nicht berücksichtigt.

"Das Ergebnis der Untersuchung erscheint mir plausibel für den Bereich der Häuser mit weniger als drei Wohneinheiten und einem Bauantrag von vor dem ersten November 1977. Hier sehen wir als Verband auch den größten Sanierungsbedarf beziehungsweise das größte Einsparpotenzial im Gebäudebestand", sagt Jürgen Leppig, Bundesvorsitzender des Energieberaterverbands GIH. "75 Prozent der Heizungsanlagen sind ineffizient, deshalb kann man davon ausgehen, dass diese Zahlen zu Energieausweisen realistisch sind", sagt Michael Herma, Geschäftsführer des Gebäudetechnik-Verbands VdZ.

Hätte man sich Verbrauchsausweise und nicht Bedarfsausweise angeschaut, wäre das Bild möglicherweise anders. "Da gibt es keinen Zusammenhang", betont Broscheid, die Werte beider Ausweise können enorm auseinanderliegen. So gehen Abrechnungsdienstleister wie die Techem in ihren Analysen schon für 2011 von einem durchschnittlichen Endenergieverbrauch zwischen 120 und 150 kWh/m2 aus. Das ist zwar noch lange nicht das, was man braucht, um die Klimaschutzziele zu erreichen, wäre aber eher zwischen E und F angesiedelt als im tiefroten Bereich.

Auf ein reales Problem der neuen Energieausweise verweist die Untersuchung allerdings: Wenn zwei Drittel des Bestandes in den Kategorien G und H landen, ist es für Mieter oder Käufer schwierig zu differenzieren zwischen mies, mieser und indiskutabel. Für Vermieter erhöht die durchweg schlechte Einordnung die Versuchung, den Ausweis möglichst ganz zu verschweigen, vor allem in den Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt, in denen die potentiellen Mieter sich nicht trauen nach dem Energieausweis zu fragen, wenn sie eine Wohnung wirklich haben wollen. von Pia Grund-Ludwig

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