Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

Experten diskutieren auf der Sustainable Building Conference

In der Baupraxis ist Nachhaltigkeit meist kein Thema

Auf der Konferenz "sb 13 munich" diskutierten Experten über Nachhaltigkeit bei Gebäuden. © sb 13 Munich/Uwe Völkner

Auf der Sustainable-Building-Konferenz sb13 munich haben Experten diskutiert, wie sich der Nachhaltigkeitsgedanke in die Praxis transportieren lässt.

Die Technologien für nachhaltiges, energieeffizientes Bauen sind ausgereift, Erfahrungen damit gibt es zuhauf - "jetzt gilt es, all dies nicht nur in Leuchtturmprojekten, sondern endlich auch in der Breite anzuwenden", forderte Prof. Thomas Lützkendorf vom Karlsruhe Institute of Technology (KIT) jetzt auf der "sb13 munich"-Konferenz. Wegen der steigenden Energiepreise sei dies mittelfristig schon betriebswirtschaftlich ein Muss: "Wer nachhaltig baut, wird damit kein zusätzliches Geld verdienen. Aber er wird Geld verlieren, wenn er es nicht tut."

Die "sb13 munich" ist Teil der weltweiten Kongressreihe "Sustainable Building Conferences", die sich der nachhaltigen Entwicklung in der Bau- und Immobilienwirtschaft widmet. Organisiert wurde die Konferenz vom KIT, der Technischen Universität München und dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP). Angesichts der Tatsache, dass mehr als ein Drittel des gesamten deutschen CO2-Ausstoßes auf den Gebäudebereich entfällt, steht die Bau- und Immobilienwirtschaft im Rahmen der Klimaschutzbemühungen in einer besonderen Verantwortung.

Diese Botschaft ist in der Branche durchaus angekommen, so KIT-Forscher Lützkendorf. Aspekte der Nachhaltigkeit und Energieeffizienz werden heute durchaus als Teil der Gesamtqualität eines Gebäudes betrachtet. Doch bei der Umsetzung all dessen hapert es – bis zu den Baustellen des Landes sind die Bekenntnisse zu Nachhaltigkeit und Energieeffizienz bislang kaum durchgedrungen. Was in Sonntagsreden gut klingt, ist am Montag schon vergessen. "Nachhaltiges Bauen muss endlich Alltag werden", verlangt deshalb Lützkendorf.

Was ist der Grund für diese Kluft zwischen Theorie und Praxis? Eine Erklärung hat Sabine Djahanschah, die das Referat Architektur und Bauen der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) leitet: "Nachhaltigkeit ist vielfach für die Beteiligten nicht greifbar", meint die Expertin. Das fördere ein Spezialistentum, was wiederum zu einer erhöhten Komplexität bei der Umsetzung führe. Sie schlägt deshalb vor, Planungsprozesse methodisch so weiterzuentwickeln, dass Nachhaltigkeit und Energieeffizienz selbstverständlich ihren Platz bekommen.

Dabei sei es allerdings wichtig, dass die Prozesse schlank bleiben, meint Norbert Preuß, Chef des Beratungsunternehmens Preuss Projektmanagement: "Mit dem Thema Nachhaltigkeit sind neue Anforderungen entstanden, neue Beteiligte haben die Bühne betreten. Wir müssen darauf achten, dass die Planungsprozesse damit nicht aus den Fugen geraten."

Durch die EU-Gebäuderichtlinie wird die Bau- und Immobilienwirtschaft künftig gezwungen sein, eine optimale Energieeffizienz zum Standard im Neubau zu machen. So dürfen nach dem Willen der EU ab 2021 nur noch Niedrigstenergiehäuser errichtet werden. Zahlreiche Bauprojekte zeigen, dass es heute längst problemlos möglich ist, Häuser zu errichten, die über das Jahr gesehen sogar mehr Energie erzeugen als sie verbrauchen. Wirkliche Fortschritte im Klimaschutz gelingen jedoch nur, wenn solche Plusenergie-Konzepte auch im Gebäudebestand realisiert werden.

"Dabei sollten wir vor allem Lösungen auf Quartiersebene anstreben, das ist einfacher bei einzelnen Gebäuden", sagt Professor Gerd Hauser, Leiter des Fraunhofer IBP sowie Ordinarius für Bauphysik an der TU München. Siedlungen könnten zum Beispiel durch wärmegeführte Blockheizkraftwerke, kombiniert mit Solarthermiekollektoren, über ein Nahwärmenetz mit Heizenergie versorgt werden. Großflächige Fotovoltaikanlagen liefern Strom für die Bewohner. Übersteigt das Angebot die Nachfrage, wird die Energie ins öffentliche Strom- oder Fernwärmenetz eingespeist.

Allerdings fehlt es, anders als bei Neubauten, noch an Erfahrungen mit dem Plusenergie-Standard bei der Gebäudesanierung. Energieeffizienz und Nachhaltigkeit müssen sich für die Investoren und Nutzer der Gebäude aber rechnen, betonte Hauser. Zieht man für die Wirtschaftlichkeitsrechnung nicht nur die Bau- sondern auch die Betriebskosten heran, dann zahlt sich das grüne Bauen jedoch in vielen Fällen aus. "Die vermeintlich billigste Lösung kommt langfristig häufig sehr teuer", erklärte der Fraunhofer-Forscher – wies aber zugleich darauf hin, dass die Kostenentwicklung wegen der Unsicherheiten bei den Energiepreisen nicht ganz einfach zu prognostizieren ist.

Ein wichtiger Faktor bei solchen Wirtschaftlichkeitsrechnungen ist auch die Wertsteigerung, die ein Gebäude durch Investitionen in Energieeffizienz erfährt. Parameter wie der Energieverbrauch und die CO2-Emissionen sind – wie auch Fragen der sozialen Nachhaltigkeit, etwa der Variabilität der Raumaufteilung – zu wichtigen Kriterien der Wertentwicklung einer Immobilie geworden. Das zeigt eine Untersuchung des KIT, die auf der "sb13 munich" vorgestellt wurde. Acht Prozent der befragten Experten, die solche Gutachten erstellen, analysieren dabei immer auch die Nachhaltigkeit eines Gebäudes, weitere 45 Prozent tun dies gelegentlich. Nur für 28 Prozent ist dies überhaupt kein Thema.

von Ralph Diermann / sth

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