Sanierung und Heizung bringen mehr als Beleuchtung

Effizienzziele der EU sind vielen zu vage

Bestandsgebäude bieten Potenzial für Energieeffizienz. © A. Morhart

Die EU entscheidet im Oktober, ob das Effizienzziel von 30 Prozent überhaupt verbindlich wird.

Hartmut Vogtmann, Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), spricht von "Stagnation", wenn es um das von der EU-Kommission verabschiedete 30-Prozent-Ziel für die Energieeffizienzsteigerung 2010/2030 geht. Sein Verband hatte im Vorfeld eine "40-Prozent"-Kampagne von Umweltschützern und Effizienzwirtschaft angeführt.

Neben der Zahl 30 Prozent missfällt dem DNR-Präsidenten, dass erst die Staats- und Regierungschefs der EU am 23. Oktober 2014 darüber entscheiden sollen, ob diese Effizienzvorgabe überhaupt verbindlich sein soll. Was die Frage der Verbindlichkeit angeht, hat sich die EU-Kommission nicht einmal zu irgendeiner Empfehlung durchgerungen – Vogtmann: "Handlungsunfähigkeit". Nicht ehrgeizig, sondern "business-as-usual" findet der europäische Wärmepumpenverband EHPA die 30 Prozent.

Schützenhilfe gibt der grüne EU-Abgeordete Claude Turmes. Nach dem derzeitigen Trend würde sich die Energieeffizienz zwischen 2010 und 2020 absehbar um 20 Prozent erhöhen, das seien rund 2 Prozent jährlich. Wer für den gesamten Zeitraum von 2010 bis 2030 nur 30 Prozent anstrebe, halbiere also die jährliche Rate. Ein Ziel von 40 Prozent sei dagegen die lineare Verlängerung der jetzigen Entwicklung in die Zukunft.

Die Kommission hatte ihre Haltung mit hohen Kosten begründet, die bei einem 40-Prozent-Ziel drohten. Gegenüber dem Basisszenario, also "keine Einsparungen", soll die jährliche Summe von Energieeinkauf und Kapitalkosten für Einsparungsinvestitionen um 112 Milliarden Euro höher liegen. Gerade die Berechnung dieser Zahl zweifelt aber zum Beispiel Tina Mieritz vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) an.

Die Annahmen seien falsch: Es seien etwa "Diskontfaktoren" zu hoch angesetzt – zum Teil fast um das Doppelte zu hoch –, die ein Maß für die nötigen Anreize darstellten, damit ein Hausbesitzer Energieeffizienzmaßnahmen ergreife. "Unter (...) alternativen Szenarien ist etwa ein 40-Prozent-Energieeffizienzziel genauso teuer wie ein Effizienzziel von 28 Prozent unter den Szenarien mit höheren Diskontfaktoren."

Es ist also wie immer bei solchen Berechnungen: Jeder sucht sich die Zahlen heraus, die gut zur eigenen Meinung passen. Die Anhänger einer "40-Prozent"-Vorgabe können allerdings etwas eleganter argumentieren: Sie haben im Gegensatz zur EU-Kommission nicht selbst gerechnet, sondern verweisen zum Beispiel auf eine Studie des Fraunhofer ISI, die schon im Oktober 2013 im Auftrag des Netzwerks "Coalition for Energy Savings" erstellt wurde. Demnach habe die EU ein kosteneffizientes Endenergieeinsparpotenzial bis 2030 von 41 Prozent gegenüber 2008. Im Bereich der Wohngebäude seien sogar 61 Prozent drin.

Im völligen Gegensatz zu den Aussagen der EU-Kommission verspricht die Studie sogar ökonomische Vorteile wie "eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch geringere Energiekosten, vermehrte Effizienz in der Industrie und eine stärkere Nachfrage nach europäischen Produkten und Dienstleistungen. Haushalte und Industrie würden netto jährlich in 2030 durch geringere Energierechnungen 240 Milliarden Euro einsparen (...)." Die Fraunhofer-Studie beruht unter anderem auf Daten, die dasselbe Institut bereits 2012 im Auftrag des Bundesumweltministeriums ermittelt hatte. Aus dieser Untersuchung lassen sich Details herauslesen, zum Beispiel auf einzelne Staaten bezogene Angaben.

Wer erwartet hätte, dass in Deutschland wegen der bereits erfolgten Maßnahmen nicht mehr so viel möglich wäre wie in anderen Ländern der EU, sieht sich getäuscht. Das kosteneffiziente Endenergieeinsparpotenzial bis 2030 liege bei 48 Prozent – in Wohngebäuden sogar bei 72 Prozent. Weit weniger sei zum Beispiel in Italien möglich: 31 Prozent insgesamt; 45 Prozent in Wohngebäuden. Auch eine Aufschlüsselung nach der Art der Effizienzmaßnahme wurde in der 2012-er-Studie vorgenommen.

Trotz des relativ langen Zeitraums (2008 bis 2030) entfallen von den 181 Megatonnen Öleinheiten (Mtoe) Endenergie, die in der EU-27 insgesamt in Gebäuden (Wohnungen und Kleingewerbe) eingespart werden könnten, nur 48 Mtoe auf Neubauten. Ein Effizienzpotenzial von 70 Mtoe lässt sich dagegen mit der Renovierung bestehender Gebäude heben, und weitere 63 Mtoe stecken in der Umstellung auf effizientere Heizungs- und Klimatisierungstechnik, hat man bei Fraunhofer errechnet.

Beleuchtung und elektrische Geräte sind in der betreffenden Tabelle nicht aufgeführt, aber aus anderen Darstellungen kann man ihren Anteil am Effizienzpotential auf lediglich etwa ein Zehntel abschätzen. von Alexander Morhart

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