Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

In Verden entsteht derzeit Europas höchstes Strohballengebäude

Stroh wächst nach, ist günstig und dämmt gut

Das Strohhaus in Verden wird von außen nicht als solches erkennbar sein. © NZNB

Strohhaus-Planer sehen viel Potenzial für Stroh als Baustoff und Dämmstoff. In Verden entsteht derzeit Europas höchstes Strohballengebäude.

Im Zuge der Energiewende und den damit verbundenen Anforderungen an die Energieeffizienz von Häusern sind nicht nur die Energiekennwerte eines Gebäudes relevant, sondern auch der Primärenergieverbrauch von Baumaterialien und ihrem Einsatz im Bau.

Stroh wird bislang in Deutschland nur zu einem geringen Teil weiter verwendet. Strohhaus-Planer sehen Potenzial, derzeit könnte man über sechs Millionen Tonnen Stroh als hochwertigen Dämmstoff einsetzen. Und noch einen Vorteil hat Stroh, im Gegensatz zu anderen nachwachsenden Rohstoffen: Es steht nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion.

Stroh wird in Deutschland bislang jedoch eher selten als Dämmstoff verwendet – denn noch ist das Wissen über Strohbau wenig verbreitet und nur wenige Architekten und Bauherren wagen sich an eine Bauweise aus Strohballen. Die Anfragen von Interessenten, die mit Stroh bauen wollen, nehmen allerdings zu, berichtet das Deutsche Strohballenbauzentrum.

Um die Anwendung und Verbreitung von Baustroh voranzubringen, soll durch weitere Forschungs- und Entwicklungsvorhaben der Anwendungsbereich erweitert werden: Im niedersächsischen Verden entsteht derzeit auf dem Gelände des Ökologischen Zentrums Verden ein Strohballenbau, der ab 2014 als Norddeutsches Zentrum für Nachhaltiges Bauen (NZNB) genutzt werden soll. Hier werden rund 3.000 bis 4.000 gepresste Strohballen verbaut. Es soll "Europas höchstes Strohballengebäude" werden.

Das fünfstöckige Haus wird rund 800 Quadratmeter Fläche bieten. Es soll auch ein Modellprojekt für energiesparendes Bauen und für die Schulung von Handwerkern sein – denn nach Schätzung des NZBN gibt es bundesweit gerade mal zirka 15 Betriebe, die im Strohballenbau geschult sind. Das Projekt soll Bauherren und Architekten die Angst vor der Strohbauweise nehmen.

Gebaut wird in einer Halle: Das unbehandelte Stroh wird in ein Ständerwerk aus heimischen Hölzern eingebettet und innen mit Lehm, außen mit Kalk verputzt, damit die 50 Zentimeter dicke Außenwand witterungsbeständig ist, so haben es die Planer vorgesehen. So wird Schlagregen abgehalten, gleichzeitig ist die Wand diffusionsoffen. Die Wände werden hier vorsichtshalber in einer Halle vorgefertigt, das Stroh kommt gar nicht erst mit Feuchtigkeit in Berührung.

Für die Dachdämmung werden die Dachstrohballen hochkant zwischen die 50 Zentimeter hohen Sparren geklemmt. Nach dem Einsetzen erhalten die Ballen eine oberseitige Schutzschicht aus einem bis zwei Zentimetern Lehm. Darauf folgt die Lattung für die abschließende Deckung mit Tondachziegeln.

Inzwischen gibt es in Deutschland rund 200 offiziell genehmigte Strohballenhäuser, von ein- und mehrgeschossigen Wohnhäusern über Schulen, Kindergärten und Bürogebäuden bis zu kleinen Gewerbebauten.

Baustrohballen sind landwirtschaftlich hergestellte Ballen aus unbehandeltem, naturbelassenem Getreidestroh. Damit diese den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend als Baustoff beziehungsweise als Wärmedämmstoff eingesetzt werden können, müssen sie der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung Z-23.11-1595 entsprechen und von einem güteüberwachten Hersteller stammen.

Bei der Strohballenbauweise wird zwischen der lasttragenden Konstruktion und der Ständerbaukonstruktion unterschieden. Bei letzterer werden die Ballen als dämmende Ausfachung zwischen eine Holzkonstruktion gesetzt und übernehmen keine Aufgaben der Standsicherheit. Die lasttragende Konstruktionsart findet derzeit in Deutschland noch keine bauaufsichtliche Anerkennung. In solchen Fällen ist nach wie vor der obersten Bauaufsicht die Verwendbarkeit der Ballen je nach Einbausituation nachzuweisen.

Die Strohbauweise wird den modernen geforderten Wärmeschutzstandards gerecht. KfW-40-Niveau oder Passivhausstandard können ohne weiteres bei Gebäuden aus Strohballenwänden erreicht werden. Neueste Messungen nach DIN 52612 haben die bereits in Österreich vor einigen Jahren festgestellten Werte bestätigt: Die Wärmeleitfähigkeit von Strohballen ist mit einem Lambda-Wert von 0,045 W/mK fast identisch mit der von Holzweichfaserplatten und Zellulosefasern.

Die Wärmedämmung von Strohballen ist sehr gut. Baurechtlich anerkannte Berechnungen nach DIN 4108 ergeben für 50 Zentimeter breite Strohballen mit einem drei Zentimeter Putz außen und einem sechs Zentimeter Lehmputz innen einen U-Wert von 0,11 W/m2K – verglichen mit dem Passivhausstandard, bei dem der U-Wert höchstens 0,15 W/m²k betragen soll, also ein hervorragender Wert. Im Vergleich dazu weist eine als Dämmung genutzte Mineralwollschicht, die beidseitig mit OSB-Platten beplankt ist, bei einer Stärke von 39 Zentimeter diesen Wert auf.

Die Produktion von Stroh erfolgt zudem mit einem geringen Primärenergieaufwand von zirka 14 MJ/m3. Ein aus Stein oder Beton gebautes Gebäude, das mit Polystyrol gedämmt wird, kann zwar auch eine gute Dämmung erreichen, braucht aber sehr viel länger, um den Primärenergieeinsatz zu amortisieren.

Die beste Wärmedämmung wird durch den hochkant liegenden Einbau erzielt: Hier verlaufen die Halme parallel zur Wandebene, die Schnittkanten bilden die Lagerfuge. Die tragende Holzkonstruktion muss so geplant werden, dass trotz des hohen Holzanteils in den Wandscheiben möglichst wenig Wärmebrücken entstehen. Die Praxis zeigt zudem, dass verputzte Strohballenwände auch einen guten Schallschutz bieten. Brennbarkeitsprüfungen haben B2 (nach DIN 4102-1) für gepresstes Stroh mit einer Rohdichte zwischen 90-125 kg/m³ ergeben.

International wurden inzwischen unter vergleichbaren Testbedingungen unterschiedlichste Wandaufbauten auf ihren Feuerwiderstand geprüft – mit Ergebnissen von F 30 bis F 90. Da die Strohballen fest gepresst werden, ist kaum mehr Luft zwischen den einzelnen Strohhalmen. Das Feuer hat damit keine Sauerstoffzufuhr und brennt nicht.

Eine besondere Aufmerksamkeit muss der Brennbarkeit von Stroh nur während der Verarbeitung beim Bau gewidmet werden – denn bei der Verarbeitung von Strohballen fällt loses Stroh an, das in dieser Form leicht entflammbar ist.

Strohballen werden unbehandelt als Dämmstoff verwendet, Insektizide oder ähnliches werden hier nicht eingesetzt – das widerspräche der ökologisch und baubiologisch orientierten Idee des Strohballenbaus, sagen die Verfechter dieser Bauart. Was interessierte Bauherren dabei oft verunsichert: Im Vergleich zu mit Borax oder Ammonium-Sulfat behandelten Pflanzenfasern sind Strohballen dadurch im Testverfahren empfindlicher. Ein wichtiges Kriterium für die Schädlingsvorbeugung ist daher ein rasches und rissefreies Verputzen oder Verkleiden der Strohwände. Übliche Insektenschutzgitter für die Hinterlüftungsebenen sind dabei Stand der Technik. Mit erhöhter Dichte der Ballen und gut ausgestopften Lücken wird das Eindringen von Insekten oder kleinen Tieren erschwert. Sobald die Ballen beidseitig lückenlos verputzt sind, finden die Tiere keinen Zugang mehr.

Vor dem Einbau des Strohs in die Wandkonstruktion sollte unbedingt die Feuchtigkeit der Ballen kontrolliert werden. Optimal ist ein Feuchtegehalt unter 12 Prozent, maximaler Wert sind 12 bis 15 Prozent. Beim Einbau der Strohballen in die Holzkonstruktion ist zu beachten, dass sich das ohnehin schon stark gepresste Stroh durch weitere Verdichtung setzt. Gängige Ballenmaße sind etwa 100 x 30 x 50 cm. Bei einer Dachschrägendämmung ist eine Dampfbremse oder Dampfsperre nötig, bei einer Außenwanddämmung könnte man je nach Konstruktionsart, Ausrichtung des Hauses und klimatischen Gegebenheiten darauf verzichten.

Hier gehen die Meinungen der Planer allerdings stark auseinander, und wer sich absichern will, entscheidet sich für eine "kontrollierte Undichtigkeit" mittels einer raumseitig eingebauten Dampfdiffusionsbremse. Außerdem wird in der Regel eine Folie als Dampfbremse in den Übergangsbereichen von Boden zu Wand, Wand zu Fenster und Decke sowie direkt auf dem Fundament angebracht, damit keine Feuchtigkeit eindringen kann. Zum Schutz des Putzes vor Regen ist ein weiter Dachüberstand ratsam. Bei sorgfältiger risse- und lochfreier Ausführung der inneren Bekleidung und bei einem insgesamt vorhandenen Dampfdiffusionsgefälle von innen nach außen sind in der Praxis keine Probleme mit ausfallender Feuchte zu erwarten und bislang auch nicht bekannt.

Wichtig ist dabei die Wahl der Fassadenbekleidung – ein Lehmputz, wie er sich als Innenputz eignet, ist für die Fassade zu wasserdurchlässig. Um Schimmelbefall vorzubeugen, darf feuchtes Milieu gar nicht erst entstehen. Für den Wandaufbau sind unterschiedlichste Konstruktionen möglich. Die Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) und die klimatischen Verhältnisse in Deutschland erfordern einen schlagregendichten, diffusionsoffenen und winddichten Wandaufbau.

Als Außenputz kann etwa Silikat- oder Kalkputz verwendet werden, oder auch ein mehrschaliger Wandaufbau. Die notwendige Winddichtigkeit kann zum Beispiel durch OSB-Platten erreicht werden.

Das Architekturbüro Shakti Haus hat bereits mehrere Strohballenhäuser in Deutschland realisiert. Eine Minimierung des Risikos von Bauschäden sehen die Strohbau-Planer in der feuchtevariablen Dichtung der Gebäudehülle – mit feuchtevariablen Bahnen lässt sich eine kontrollierte Undichtigkeit herstellen. Als Luftdichtungssystem eignet sich eine feuchtevariable Dampfbremse, ein System, das hauptsächlich aus Baupappe besteht und keine Folie ist. Das gibt mehr Puffer vor Kondensatschäden, denn Papier ist saugfähiger. Die Feuchtevariabilität ist zudem eine doppelte Sicherheit: Sollte doch ungewollt Wasserdampf in die Strohwand eindringen, kann dieser wieder entweichen.

Fachplaner wie etwa die Architekten von Shakti Haus empfehlen ihren Kunden generell solche feuchtevariable Dampfbremsen. Last but not least: Strohballen sind nach einem Abriss des Hauses voll recyclingfähig und können einfach kompostiert werden. 117Nicole Allé / pgl

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