Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

Häuser produzieren mehr Energie als sie benötigen

Halbzeitbilanz für 9 Effizienz-Plus-Häuser

Effizienzhaus Plus bekommt positive Resonanz. © Morhart

Die Bewohner sind überwiegend zufrieden. © Morhart

9 Modellhäuser nach dem Standard Effizienzhaus Plus haben in einem Workshop erste Erfahrungen vorgestellt.

Energieeffiziente Häuser gibt es inzwischen viele. Ob sie zur Nachahmung taugen, bleibt meist unklar. Genau beschrieben und von den Bewohnern kommentiert wurden jetzt neun Modellhäuser bei einem Workshop des Bundesbauministeriums in Berlin.

Gemeinsam ist fast allen Einfamilienhäusern mit Standorten in Hamburg, Berlin, Frechen bei Köln und Leonberg-Warmbronn, dass sie übers Jahr deutlich mehr End- und Primärenergie produzieren, als für Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom nötig ist.

Erreicht wird das durch Passivhaus-Standard und Solarstrom vom Dach, teilweise auch von der Fassade. Mit dem überschüssigen Strom aus der Fotovoltaikanlage werden oft eine stationäre Pufferbatterie und Elektrofahrzeuge aufgeladen oder Nachbargebäude mitversorgt. Während die meisten Häuser von Fertighausfirmen gebaut oder aus Bestandsgebäuden umgebaut wurden, hat das Ministerium ein Gebäude mit einer Ausschreibung nach Plänen von Werner Sobek (Uni Stuttgart) in Berlin-Charlottenburg selbst erstellen lassen.

Hans Erhorn vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Stuttgart stellte nicht nur energetische Daten, sondern auch nach Komponenten gegliederte Mehrkosten beim Bau der neun Gebäude im Vergleich zu einem KfW-70-Standardhaus vor.

Der größte Posten ist demnach die PV-Anlage mit 80 bis 90 Euro/m² Nutzfläche - kein Wunder bei den ungewöhnlich großen Modulflächen. So haben die Planer zum Beispiel das Berliner Haus mit gut 98 m² Solarzellen auf dem Dach und noch einmal 73 m² an der Fassade ausstatten lassen - bei 149 m² beheizter Nettogrundfläche. Das ist der Preis für das "Plus", dass also bei einem Strombedarf im Haus von fast 7.000 kWh/Jahr und weiteren 6.000 kWh/Jahr für Elektrofahrzeuge in einem normalen Jahr 16.625 kWh Solarstrom gewonnen werden.

Der zweite große Batzen sind die Mehrkosten für die Gebäudehülle: 50 bis 80 Euro/m² Nutzfläche. Beim Berliner Haus mit seiner Holztafelbauweise kann damit für Außenwand, Dach und Boden ein Wärmedurchgangskoeffizient U von 0,11 W/(m²K) erreicht werden. Die Dreifachverglasung der Fenster erlaubt dort 0,70 W/(m²K).

Die restlichen Mehrkosten verteilen sich auf 35 bis 50 Euro/m² für eine Wärmepumpe, 30 bis 50 Euro/m² für die Wohnungslüftung, 30 bis 35 Euro/m² für eine stationäre Batterie, 5 bis 10 Euro/m² für effiziente Haushaltsgeräte und 0 bis 10 Euro/m² im Bereich Warmwasser. In der Summe liegen die Mehrkosten damit je nach Modellhaus zwischen 230 und 325 Euro/m² - für ein 150-Quadratmeter-Haus also zwischen 34.500 und 48.750 Euro.

Im Berliner Modellhaus arbeitet eine mechanische Lüftungsanlage, die über 80 Prozent der Abluftwärme zurückgewinnen kann. Die erwähnte Fotovoltaikanlage mit einer Nennleistung von gut 22 kWp gibt ihren Strom zum Teil an eine Lithium-Ionen-Batterie, die 40 kWh davon speichern kann. Interessantes Detail: Die Batterie besteht aus Zellen, die vorher in einem Auto eingesetzt waren - deren Leistung für eine solche Nutzung aber nicht mehr ausreicht. Deren Wirkungsgrad könnte an sich 82 Prozent betragen. Da sie bei diesem Pilotprojekt aus Sicherheitsgründen aber im Freien steht und im Sommer gekühlt werden muss, sind es tatsächlich nur 60 Prozent.

Während man das als Kinderkrankheit ansehen kann, bezeichnete der anwesende Experte Norbert Fisch eine andere Zahl als "katastrophal": Die Jahresarbeitszahl der 5,8-kW-Luft/Wasser-Wärmepumpe liegt statt der vom Hersteller angegebenen 3,3 bei nur 2. Hans Erhorn vom Fraunhofer-Institut hofft, diesen Wert durch eine Senkung der Systemtemperaturen noch verbessern zu können.

Erfreulich dagegen die Gesamtbilanz: Manche der Häuser gewinnen so viel Strom, dass nach weniger als 30 Jahren sogar die sogenannte "graue" Energie, die in den Baumaterialien steckt, wieder hereinkommt.

Die Bewohner, soweit sie zum Workshop eingeladen worden waren, äußerten sich nach den ersten Monaten überwiegend zufrieden mit "ihren" Modellhäusern. Mehrfach hieß es, man fühle sich darin sehr wohl. Das Haus wurde im Winter als "warme Insel" beschrieben.

Man lebe komfortabler als in einem konventionellen Haus, was sich meist sowohl auf Wohnklima und Licht als auch auf die Möglichkeiten der zentralen Übersicht und Steuerung über einen Wandbildschirm oder ein Smartphone bezog: "Wir sehen jeden Tag auf unseren Monitor und freuen uns!"

Ein älterer Bewohner verglich die vergnügliche Beschäftigung mit der Haustechnik mit einer "Modelleisenbahn" und freute sich ebenso wie eine andere Familie, an seinen Stromversorger nicht jedes Jahr höhere Beträge überweisen zu müssen. Einer der Bauherren berichtete, obwohl er jetzt über die doppelte Wohnfläche verfüge, seien seine Heizkosten geringer als im alten Haus.

Ein anderer sagte, der Filteraustausch bei der automatischen Belüftungsanlage sei kein Problem: "Das kostet mich nur zehn Minuten im Jahr." Auch Geräusche durch die Belüftungsanlagen in acht der Häuser sind fast nie störend.

Schlechter haben es da die Bewohner des einzigen rein fensterbelüfteten Hauses getroffen. Die an sich pfiffige Idee des Bauherrn, eines Fensterherstellers: Für den Umbau eines Siedlerhauses aus den 50er Jahren werden statt einer Anlage mit aufwändigen Belüftungsschächten die Fenster automatisch und zentral geöffnet. Allerdings ist dabei ein deutliches Klickgeräusch zu hören, und das auch nachts.

Das Berliner Haus wird von einem Historikerpärchen Anfang 40 und deren 11 und 8 Jahre alten Sprösslingen bewohnt. Die Familie schreibt auf der Internetseite des Ministeriums ausführlich über ihre Erfahrungen mit Haus und Elektrofahrzeugen, und zudem wurden die Eltern wiederholt vom Berliner Institut für Sozialforschung befragt.

Hier gab es ebenfalls fast nur positive Rückmeldungen - sowohl zum Raumklima als auch zur Verfügbarkeit von Warmwasser und den zur Verfügung gestellten Elektroautos und -fahrrädern. Eine Schwäche der Lüftungsanlage, die sich nicht regulieren lässt, scheint die Sommerhitze zu sein: Von Mai bis August war es im Haus zu warm.

Beim Warmwasser gibt es kein Mengenproblem, aber die Ansprechzeit ist mit 45 Sekunden in der Küche zu lang. Die Gebäudesteuerung über einen Wandbildschirm im Flur wurde als kompliziert gewertet. Dagegen gefiel das Prinzip "Bewegungsmelder statt Lichtschalter" im Erdgeschoss nach einer gewissen Eingewöhnungszeit so sehr, dass sich niemand die Schalter zurückwünschen würde.

In das Projekt "Effizienzhaus Plus" des Bauministeriums sollen nach und nach mehr als 30 Gebäude, darunter ein großes Stadthaus in der Frankfurter Innenstadt, aufgenommen werden - man darf also gespannt sein. Alexander Morhart / pgl

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