Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

Zwischenbilanz zum Klima-Manifest der Architekten

"Fokus auf Kennziffern reicht bei Sanierung nicht"

Brian Cody, TU Graz, stellt visionäre Entwürfe der Stadtentwicklung vor. © BDA

Architekten, Ingenieure und Stadtplaner fordern Qualitätsverständnis, das die Energiefrage als gestalterische Aufgabe mit Respekt vor dem Bestand ernst nimmt.

Mit dem Klima-Manifest unter dem Motto "Vernunft für die Welt" haben sich eine Reihe von Architekten, Ingenieuren und Stadtplanern verpflichtet das Vokabular einer klimagerechten Architektur und Ingenieurbaukunst weiterzuschreiben. Auf dem Symposium im Deutschen Architekturzentrum in Berlin (DAZ) wurde nach zwei Jahren eine erste Zwischenbilanz gezogen und Projekte vorgestellt.

Die energetische Gebäudesanierung ist von zentraler Bedeutung, um die gesetzlichen Vorgaben zur CO2-Reduktion umzusetzen. Allein mit dem Fokus auf technische Kennziffern, so der Präsident des Bundes Deutscher Architekten, Michael Frielinghaus, wäre die Energiewende nicht machbar. Gefragt sei vielmehr ein Qualitätsverständnis, das die Energiefrage als gestalterische Aufgabe mit Respekt vor dem Bestand berücksichtige und effizient die Einsparungsziele umsetze.

Dazu kommen innovative Förderprogramme: Nicht mit einer verschärften EnEV ließen sich diese Ziele erreichen, sondern mit Förderinstrumenten, die eine qualifizierte Planung und Beratung als integralen Bestandteil der Sanierungsaufgabe unterstützen. "Denken statt dämmen" müsse die Devise lauten, forderte Frielinghaus. Dabei solle das häufig in der öffentlichen Diskussion angeprangerte Wärmedämmverbundsystem (WDVS) nicht ausgeschlossen werden. Vielmehr sei eine Weiterentwicklung notwendig, die aber nur in Zusammenarbeit mit der Industrie und dem Handwerk optimiert werden könnte.

Oda Scheibelhuber, Abteilungsleiterin beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung betonte, dass gerade von der Seite der Planer Impulse notwendig seien, um die Förderinstrumente an die reale Situation des Bauens anzupassen. Auch von gesetzlicher Seite sei man daran interessiert, Baukultur und Effizienz zusammenzubringen Die neue EnEV ist in der Vorbereitung. Klar sei schon, dass gerade private Bauherren keinem Sanierungszwang unterworfen werden sollen. Erleichterung wolle man bei der Planung von Solaranlagen und der Wärmedämmung erreichen.

Die Marktfähigkeit für die alte Bausubstanz müsse durch die energetische Sanierung erhalten werden, dabei hätte aber die Erhaltung alter Fassaden Vorrang vor einer energetischen Optimierung. Der neue Förderbaustein wird im Frühjahr vorgestellt, 100 Millionen Euro sind für den sogenannten Klimafonds im nächsten Jahr geplant. Fünf Modellvorhaben pro Bundesland werden ausgeschrieben, so Scheibelhuber. Das Programm soll 2012 starten mit dem Ziel, energetische Konzepte mit erneuerbaren Energien in die Quartierssanierung zu etablieren und nachhaltige Maßnahmen zu fördern.

Brian Cody, Direktor des Instituts für Gebäude und Energie der TU Graz, forscht an Konzepten der Energieoptimierung. Gebäude seien nicht zu schützen vor den natürlichen Kräften wie etwa Sonne, Wasser oder Wind, vielmehr gelte es die angreifenden Kräfte aufzufangen und geschickt als Energiequelle für das Gebäude zu nutzen. Gleichzeitig plädiert er für eine Verdichtung der Städte mit neuen Lebensraum-Konzepten und stellte visionäre Entwürfe wie etwa integrierte Stadtgärten in gestapelten Wohnbauten vor. Mit der Struktur europäisch gewachsener Städte und der damit verbundenen Sanierungsaufgabe hat das eher wenig zu tun.

Bereits realisierte Projekte stellte Günter Pfeifer, Professor für Entwerfen und Wohnungsbau an der TU Darmstadt mit der Siedlung Aubuckel in Mannheim vor. Hier wurden die natürlichen und bereits vorhandenen Energiequellen geschickt genutzt, um das Ziel einer energieautarken Siedlung zu realisieren. Bei der Sanierung der alten Gebäude wurde bewusst auf Wärmedämmung verzichtet, um die alte Struktur und die Fassaden zu erhalten, stattdessen aber eine transluzente Haut aus vorgestellten Polycarbonatplatten als Wärmepuffer geschaffen. Ob das nun "ehrlicher" gegenüber der Bausubstanz sei als eine WDVS und bauphysikalisch die bessere Lösung, wurde von Seiten des Publikums teilweise in Frage gestellt.

Ein Verfechter des WDVS ist dagegen das Büro Hild und K. Architekten aus München. Das ist vor allem der realen Bausituation in München geschuldet - 80 Prozent der Aufträge seien damit verbunden, so Andreas Hild. Es nütze also nichts, Wärmedämmung einfach abzulehnen; vielmehr bemühen sich die Architekten seit Jahren, diese zu optimieren. WDVS sei kein Baustoff sondern vielmehr ein Bausystem, das die Architekten auch bewusst gestalterisch nutzen und als Materialität auf der Fassade sichtbar machen.

Leider sei es schwierig, mit Industrie und Handwerk gemeinsame Lösungen zu erarbeiten, so Hild. In 20 Jahren habe sich da von Seiten der Industrie wenig Interesse gezeigt. Dem widersprach Clemens von Trott zu Stolz von den deutschen Amphibolin-Werken. Man habe sehr wohl Interesse am Thema und sei gesprächsbereit und auch forschungswillig - doch in der Realität werden einfach große Mengen an WDVS verkauft und oft recht gedankenlos eingesetzt, so die Kritik aus den Architektenreihen. Zudem sei es auch bauphysikalisch immer noch nicht ausgereift.

Um Fassaden stilecht zu erhalten, bleibt bei manchen denkmalgeschützten Gebäude nur der Weg der Innendämmung. Damit hat Architekt Klaus Meibohm bei der Sanierung von Klinkerbauten des ehemaligen Urban-Krankenhauses in Berlin nervenaufreibende Erfahrungen gemacht. Gerade auch die Fachleute der Herstellerfirmen seien häufig keine Hilfe gewesen, so die Erfahrung der Architekten. Rudolf Plagge vom Institut für Bauklimatik der TU Dresden plädierte für die Innendämmung, die sich stetig weiterentwickle und mittlerweile völlig schadensfrei und energiegewinnbringend eingebracht werden könnte.

Für eine Innendämmung entschieden sich auch Brambach Architekten bei der energetischen Sanierung der ehemaligen Arbeiterwohnsiedlung "Am Bergmann" in Sangerhausen bei Halle. Hier wurden die alten DDR-Graffitis originalgetrau restauriert.

Dennoch wurden Grundrisse und Fassaden auf der einen Seite der Gebäude großzügig umgestaltet - mit Wintergärten und Balkonen sowie mit neuen Materialien versehen. Der Denkmalschutz begrüße dieses Projekt, so Ulrike Wendland, Landeskonservatorin von Sachsen-Anhalt - um alte Gebäude gerade in schrumpfenden Regionen marktfähig zu halten, wären Moderationsprozesse und Flexibilität von Seiten des Denkmalschutzes notwendig.

Was den Denkmalschutz störe sei nicht so sehr die Veränderung, wie oft vorgeworfen werde, sondern die Nicht-Reversibilität einer alten Struktur. Aus Sicht der Förderpolitik ist im Denkmalbereich Beratung notwendig. So soll das Programm "Effizienzhaus Denkmal" am 1. April 2012 starten, unter anderem mit Beratung durch Energieberater im Denkmal und energetischer Sanierung von Städten und Quartieren.

Aus ökonomischer Sicht führe eine Kombination aus Ordnungsamt und Förderung in eine Regulierungsfalle, meint Claus Michelsen vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle. Wichtig sei es in Hinsicht auf Gestaltung und Technologie eine große Offenheit von Seiten der Behörden zu bewahren und zudem Überinvestitionen zu vermeiden. Augenmerk solle dabei auf der Gesamtbilanz und nicht der Einzelbilanzierung liegen. Frielinghaus richtete zuletzt noch einmal einen Appell an die Bauindustrie und die Politik, mehr Geld in Forschung zu investieren, auch gerade im Bereich von Low-Tech-Entwicklungen sei dies notwendig. Architekten und Planer müssten dabei verstärkt den Weg in die Öffentlichkeit für einen offenen Dialog suchen.

von unserer Redakteurin Nicole Allé

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