Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

Forschungsprojekt untersucht Rebound-Effekte

Einsparungen werden nicht allein mit Sanierung erreicht

Höhere Komfortansprüche nach einer Sanierung machen die Einspareffekte teilweise zunichte. Ein Forschungsprojekt hat sich damit beschäftigt.

Das Phänomen, dass Einsparpotentiale bei der Gebäudesanierung nicht dauerhaft erreicht werden, wird schon seit längerem unter dem Begriff "Reboundeffekt" diskutiert. Grund hierfür ist zumeist eine Steigerung des Energiedienstleistungskonsums seitens der Nutzer.

Eine detaillierte quantitative Analyse des Reboundeffektes ist in bisherigen Untersuchungen auf Grund mangelhafter Datengrundlagen ausgeblieben. Ein Forschungsprojekt nutzt die bereits vorhandene umfangreiche Messtechnik sowie die Simulationsmodelle der Gebäude, um diese Lücke zu schließen. Es wird vom Eon Research Center an der RWTH Aachen und einem Team der Fakultät für Elektro- und Informationstechnik der Universität Karlsruhe durchgeführt. Die Beispielgebäude sind aus dem Bestand der Volkswohnung Karlsruhe.

Die Messwerte werden durch Gespräche mit den Mietern und Fragebogenuntersuchungen ergänzt. Durch die detaillierte Betrachtung der Effizienz der Systeme und der Handlungsweise der Mieter soll der Reboundeffekt in ökonomische, strukturelle und technische Effekte gegliedert werden - wobei strukturelle Effekte durch Änderungen des Heizsystems oder Ausweitung der Wohnnutzflächen entstehen können und technische Effekte durch suboptimale Anpassung des Heizsystems an die veränderten Gebäudeparameter bedingt sind.

Die drei zur Sanierung anstehenden Wohnblöcke in Karlsruhe-Rintheim wurden in den 1950er-Jahren fertiggestellt. Jeder Riegel besteht aus drei Gebäudeteilen mit jeweils 10 Wohneinheiten und separaten Zugängen. Die Außenabmessung eines Wohnblocks beträgt 51,63 m Länge bei einer Breite von 10,34 m, dies führt zu einem A/V-Verhältnis von 0,48.

Der erste Gebäudeblock dient als Vergleichsgebäude, da hier die Standardsanierung der Volkswohnung Karlsruhe umgesetzt wurde. In den zwei weiteren Gebäuderiegeln kommt eine unterschiedliche Kombination aus bauphysikalischen (Variation in den U-Werten der wärmeübertragenden Umfassungsfläche) und anlagentechnischen Komponenten (Heizungs-, Lüftungs- und Trinkwasserinstallation) zur Anwendung.

Zur Überprüfung der prognostizierten Energieeinsparungen wurde in allen Wohnungen ein umfangreiches Messprogramm installiert. Die Projektphasen umfassen die weitergehende Datenerfassung und -Analyse, um zwischen strukturellen und technischen Effekten zu unterscheiden, die technische Befragung sowie Informationsveranstaltungen mit Wissensvermittlung, Analyse der Auswirkungen des Rebound und die Erarbeitung spezifischer Nutzerprofile für dynamische Modelle.

Im Zuge der statischen Berechnungen wurden die Berechnungen für die Heizlast und EnEV durchgeführt. Die Heizlast wurde für die unterschiedlichen Fälle raum- und gebäudeweise ermittelt. Die Ergebnisse wurden mit dem Ingenieurbüro KW2-Ingenieure abgeglichen und für die Ausschreibung und Auslegung der technischen Anlagen verwendet.

Die von der Volkswohnung gewünschte erhöhte Innentemperatur führt zu größeren Heizflächen und größerer Leistung der Wärmeerzeuger. Für die vorliegenden Gebäude wurden sämtliche Wärmebrücken analysiert. Der sich ergebende längen- oder punktbezogene Wärmebrückenverlustkoeffizient wurde für die vorhandenen Wärmebrücken mit dem FEM-Programm "Therm" berechnet und in einem Wärmebrückenkatalog zusammengestellt.

Die Berechnungen und die Gegenüberstellung mit den pauschalen Wärmebrückenfaktoren haben gezeigt, dass sich im Gebäudebestand der Wärmebrückenverlust bei einem detaillierten Nachweis in diesem Fall reduziert. Bei den beiden Sanierungsalternativen wirkt sich eine detaillierte Berechnung des Wärmebrückenverlustkoeffizienten eher negativ auf das Endergebnis aus.

Die EnEV 2007 lässt zwei verschiedene Nachweisverfahren zu. Zum einen das vereinfachte Heizperiodenbilanzverfahren und zum anderen das Monatsbilanzverfahren. Die Energieeinsparverordnung fordert die Unterschreitung eines Maximalwertes für den Jahres-Primärenergiebedarf QP (Hauptforderung) und den Transmissionswärmeverlust HT (Nebenforderung). Das Nachweisverfahren lässt eine Varianz in der Berechnungstiefe der einzelnen Parameter wie Temperaturkorrekturfaktor, Anlagenaufwandszahl zu.

Sämtliche Berechnungen für den Transmissionswärmeverlust und Primärenergiebedarf wurden sowohl mit den normativen als auch detailliert ermittelten Werten durchgeführt. Es hat sich gezeigt, dass die Anforderungen für den Transmissionswärmeverlust und den Primärenergiebedarf für jede Sanierungs- und Berechnungsvariante immer eingehalten oder  deutlich unterschritten werden.

Die dynamische Gebäude- und Anlagensimulation wurde mit Hilfe der frei verfügbaren Programmiersprache Modelica durchgeführt. Die objektorientierte Programmiersprache lässt es zu, die einzelnen Modelle einer Gesamtsimulation so ineinander zu schachteln, dass eine strukturierte Hierarchie entsteht. Ein Gesamtgebäudemodell besteht aus einer großen Anzahl unterschiedlich komplexer Teilmodelle. Im Zuge der Projektbearbeitung wurden die Teilbereiche Wetter, Gebäude, Heizungs- (Erzeugung, Speicherung, Verteilung, Übergabe, Kontrollstrategie) sowie Lüftungstechnik genauer betrachtet.

Um die Gebäude dieses Forschungsvorhabens simulieren zu können, wurden die vorhandenen Bibliotheken mit verschiedenen Modellen ergänzt. Im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung sind Modelle für ein dezentrales Lüftungsgerät mit Wärmerückgewinnung, eine Abluft-Wärmepumpe, eine Solaranlage, ein Wandmodell mit PCM, sowie verschiedene Modelle einer Fußbodenheizung entwickelt und wo möglich mit Hilfe der vorhandenen Messdaten validiert worden.

Die Effekte, die durch die messtechnische Analyse festgestellt wurden, konnten auch durch die Simulationen nachgewiesen werden, so zum Beispiel dass die Anhebung der Innenraumtemperatur um 2 Kelvin in einer Wohnung zu einer Erhöhung des entsprechenden Energiebedarfs von 200 Prozent führt.

In den Gebäuden wurde eine umfangreiche Messtechnik installiert, um die Effizienz der Anlagentechnik und das Nutzerverhalten analysieren zu können. Die Anzahl der Messpunkte richtet sich in den Hauseingängen nach der Besonderheit der energetischen Sanierung.

Eine Auswertung der Messdaten zeigt, dass die theoretischen Einsparpotenziale nach der Sanierung nicht vollständig erschlossen werden können. Es entsteht der so genannte "Rebound-Effekt". Dieser besagt, dass jede Wirkung Nach-Wirkungen mit sich bringt, die den ursprünglich positiven Effekt mindern oder gar in sein Gegenteil verkehren kann.

Durch die Analyse der vorliegenden Verbräuche der jeweiligen Wohnungen mit den darin gemessenen Innenraumtemperaturen erschließt sich teilweise der hohe Verbrauch, denn die Innenraumtemperaturen belaufen sich in manchen Räumen auf bis zu 24°C. Dieser Umstand ist beispielsweise ein Grund für die Diskrepanz zwischen dem berechneten Bedarf und tatsächlichem Energieverbrauch.

Eine Steigerung der Energieeffizienz im Gebäudesektor führt nicht notwendigerweise zur Minderung des Gesamt-Energieverbrauchs und ist damit nur bedingt als Instrument der Energie- und Umweltpolitik geeignet. Ergänzende Maßnahmen sind notwendig.

Eine Reduzierung der theoretisch zu erwartenden Energieeinsparung durch die Performanz-Lücke und den Rebound-Effekt muss in Zukunft bei der Planung der baukonstruktiven und anlagentechnischen Komponenten Berücksichtigung finden. Die Auswirkungen auf energiepolitische Ziele müssen hinterfragt und Szenarien für die Umsetzung geschaffen werden. Quelle: Eneff-Stadt / pgl

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