Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

Experte: "Hausgenaue Daten sind so nicht möglich"

Befliegung soll Impuls für Dämmung der Dächer geben

Thermographische Daten aus der Befliegung von Ghent. © Stadt Ghent

Thermographieaufnahmen aus der Luft sollen Aufschluss geben über Wärmedämmung. Experten bezweifeln ob das funktioniert.

Unter dem Titel "Klimaschutz aus der Luft" bewirbt RWE die Befliegung der Gemeinde Rheinbach. Thermographische Luftaufnahmen aus 1.000 Meter Höhe sollen dort zeigen, wie gut die Wärmedämmung der Dächer ist. Thermographie-Experten bezweifeln, ob die Aufnahmen aus dem Flugzeug dazu überhaupt zu gebrauchen sind.

In fünf Stunden sind Anfang März 2012 von einem Flugzeug aus 1.000 Metern Höhe mehr als 5.000 hochauflösende Bilder gemacht worden. "Die luftgestützte Thermographie kann dabei helfen, Effizienzpotenziale in Gebäuden zu erkennen und somit gezielt Energie- und CO2-Emissionen einzusparen", so RWE-Projektleiter Bernd Albrecht. Man habe ein bundesweit einmaliges Vorhaben angestoßen, betonen die Projektpartner, die Stadt Rheinbach und die Hauptregion Rhein Ruhr der RWE Deutschland AG.

Eurosense, das Unternehmen, das diesen Service anbietet, macht dies zum ersten Mal in Deutschland. In den belgischen Städten Antwerpen und Ghent gab es solche Aktionen bereits. Datenbanken mit den Bildern sind online. Ziel des Projektes "Thermographiebefliegung Rheinbach" sei es, den Gebäudeeigentümern mittels Wärmeluftbildern individuelle Informationen zu ihrem Gebäude kostenlos zur Verfügung zu stellen, aus denen diese erkennen können, wie gut ihre Dachflächen gedämmt sind, sagen die Initiatoren. Die Eigentümer sollen Tipps zur energetischen Sanierung von Gebäuden und zu entsprechenden Förderprogrammen erhalten. Die gewonnenen Informationen sollen dazu beitragen, Möglichkeiten zur Energieeinsparung auf lokaler Ebene zu erkennen, Firmen und Privatpersonen für energetische Fragestellungen sensibilisieren und Energiesparen fördern.

Zirka 80.000 Euro hat die Aktion gekostet, und sie soll keine Eintagsfliege sein, betont Lambert Brosch, Pressesprecher RWE für die Region Rheinbach. Der Energieriese bezahlt die Aktion. Man wolle sie denjenigen Gemeinden anbieten, in denen die RWE Netzbetreiber sei, sagt Brosch. Rheinbach habe vor kurzem eine neue Konzession zum Netzbetrieb unterschrieben. Die Aktion dort ist ein Pilotprojekt, an dem ausprobiert werden soll wie gut das funktioniert und ob es auf Interesse der Bürgerinnen und Bürger stößt.

In rund drei Monaten sollen die Ergebnisse aufbereitet sein. Ziel ist eine Datenbank, die einen Bezug zwischen Wärmeluftbild und Gebäude herstellt, um auf dieser Basis automatisierte Serienbriefe zu erstellen. "So ist es möglich, jedem Eigentümer ein individuelles Anschreiben mit der thermographischen Darstellung ausschließlich seines Gebäudes zur Verfügung zu stellen", so RWE in der Pressemitteilung zu der Aktion.

Die Idee zum Projekt kam von Robin Denstorff, Chef der Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft der Stadt Rheinbach: "Der Ansatz, allen Eigentümern das jeweils gebäudespezifische Wärmebild zukommen zu lassen, ist völlig neu."

Experten bezweifeln, ob die Methode dafür wirklich taugt. Benjamin Standecker vom Bundesverband für angewandte Thermographie ist skeptisch, ob eine solche thermographische Befliegung zur Identifizierung schlecht gedämmter Dächer Sinn macht: "Theoretisch ist es möglich, aus 1.000 Metern Höhe zu thermographieren, praktisch ist es aber fast nicht zu realisieren." Entweder sei es wolkig, dann störten Wolken und andere Partikel in der Atmosphäre.

Und wenn die Sonne scheine, verfälsche das die Aufnahmen ebenfalls: "An klaren Tagen reflektieren zum Beispiel Metalldächer oder Fotovoltaikanlagen die Sonnenstrahlung", sagt Standecker. Sie reflektieren Umgebungsstrahlung, die dann in den Thermographieaufnahmen abgebildet wird. Diese Wärme kommt aber nicht aus dem Inneren der Häuser.

Die Eigentümer erhalten mit den Bildern einen sogenannten Interpretationsschlüssel. "Dieser ist sehr einfach anzuwenden, so dass es letztendlich für jeden ganz bequem möglich ist, die gebäudespezifischen Informationen zu erlangen", so die Initiatoren.

Es sei nicht möglich, durch die Messungen Aussagen zu treffen, wie gut ein einzelnes Dach gedämmt ist, betont dagegen Standecker. Er rät deshalb zu großer Vorsicht bei der Verwendung der so gewonnenen Daten zur Energieberatung. "Ein Vergleich ist vielleicht für komplette Siedlungen möglich, hausgenaue Aussagen erhält man auf jeden Fall nicht", betont er.

von unserer Redakteurin Pia Grund-Ludwig

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