Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

Architekten zu Fassadendämmung und Altbausanierung

"Fassadenstreit" – Schönheit entscheidender als Denkmalschutz

Roland Borgwardt von der Architektenkammer Berlin sprach über Baukultur in Zeiten der Energiewende. © A. Morhart

Bei den Berliner Energietagen gab Roland Borgwardt von der Architektenkammer Antworten auf Fragen, die oft zum "Fassadenstreit" führen.

Wann sollte man die Fassade eines Bestandsgebäudes von außen gegen Wärmeverlust dämmen? Und wann empfiehlt es sich, für die Frontseite des Hauses zur Innendämmung zu greifen? Auf solche Fragen, die in Eigentümergemeinschaften – aber auch innerhalb der Baumeisterzunft – manchmal zu einem "Fassadenstreit" führen, versuchte bei den Berliner Energietagen Roland Borgwardt von der Architektenkammer der Hauptstadt Antworten zu geben, auch aus der Erfahrung mit eigenen Projekten. Claudia Euler vom Büro de+ stellte ihren im Netz verfügbaren Sanierungsleitfaden für Altbaufassaden vor.

Mit Beispielen hässlicher, aber denkmalgeschützter Bauten einerseits und ästhetisch ansprechender Jahrhundertwende-Häuser ohne amtlichen Schutz andererseits illustrierte Borgwardt seine These, dass ein Denkmalschutzstatus kein entscheidendes Kriterium für oder wider eine Außendämmung sei. Und es gebe zwar durchaus Fälle, in denen eine Fassade besser unangetastet bleibe. Die Front eines typischen Altbaus könne aber durch ein gutes Gesamtkonzept – Dämmung, verbunden zum Beispiel mit dem Einbau "französischer", also bis zum Fußboden heruntergezogener Fenster oder einer neuen Farbe für den Putz – nach einer Außendämmung besser aussehen als vorher.

Auch könne man die Stuckornamente einer Fassade restaurieren, wenn das gewünscht sei. Erst recht stelle Fassadensanierung "eine Chance für Gebäude dar, die entweder noch nie so sonderlich attraktiv waren, oder aber im Laufe der Zeit sehr gelitten haben". Sogar das sogenannte "Schießscharten"-Problem müsse kein Hindernis sein: Dass die Fensterflächen durch eine dicke Dämmschicht tief in der Fassade verschwinden, müsse je nach vorhandenem Zustand und Baustil zum einen nicht immer als unschön gewertet werden. Zum anderen könne man die Fensterebene nach außen verschieben, so dass nach der Dämmung sowohl die Laibungstiefe als auch die Ansichtsbreite die gleiche sei wie vorher.

Mit technischen und handwerklich-praktischen Argumenten fundiert gab Roland Borgwardt Empfehlungen zur Innendämmung. "Nur wenn außen nichts geht", rät der Architekt zum Dämmen von innen. Dass Nutzfläche verlorengeht und die Bauarbeiten stärker belästigen als solche außen am Haus, liegt auf der Hand. Weitreichend seien jedoch vor allem die bauphysikalischen Folgen. Die Heizwärme werde stärker am Eintritt in die Wand gehindert und damit der Gefrierpunkt in den Querschnitt hineingezogen; die Gefahr von Frostschäden sei deshalb höher. Aus dem gleichen Grund – die Heizwärme geht kaum noch in die Wand – lasse die erwünschte Austrocknungswirkung nach: "Der Schlagregenschutz muss absolut sichergestellt sein." In der Dämmebene könne die Taupunkt-Temperatur erreicht werden, was wiederum ein Verhindern oder Kontrollieren der Dampfdiffusion nötig mache.

Wärmebrücken müssten oft aufwendig behandelt, elektrische Leitungen und Heizungsrohre umverlegt werden. Auch Einbauten in Bad und Küche könnten zum Problem werden. Da die thermische Speichermasse der Wand weitgehend vom Innenraum abgekoppelt werde, sei die sommerliche Überhitzung stärker. Zudem seien Planung und Ausführung der Dämmung fehleranfälliger als bei der Außenvariante.

Wer sich zusätzlich zur den bauphysikalisch begründeten Aussagen Regeln unter ästhetischen und bauhistorischen Aspekten wünschte, kam bei Claudia Euler auf seine Kosten. Sie ist Mitautorin eines "Leitfadens für die energetische Sanierung und Gestaltung von Fassaden", erstellt 2012 anlässlich einer Sanierung in Berlin-Neukölln. Die Broschüre, die laut Einleitung eigentlich eine verständliche Handreichung "für Bauherren und Bewohner" sein will, ist auf 60 sehr klein beschriebenen Seiten zu einem kleinen Lehrbuch für Planer geraten.

Der Leitfaden scheut wie gesagt nicht davor zurück, eindeutige Regeln vorzugeben. Jedoch werden diese fast nie begründet, sondern kommen "ex cathedra" daher – dabei schlägt vermutlich der Herausgeber, das Stadtentwicklungsamt, durch. Wie fragwürdig das sein kann, zeigt die strenge Aussage zur Fassadenfarbe: "Eine Farbwahl, die dazu führt, dass das einzelne Gebäude sich aus dem Gesamtbild des Straßenzuges herauslöst, sollte unterbleiben." Genau das – eine nach der Dämmung in kräftigem Rot zwischen hellbeigen und hellbraunen Nachbarhäusern herausstechende Fassade – hatte kurz zuvor Roland Borgwardt als Positivbeipiel vorgestellt ("mutiger Griff in die Farben").

Stirnrunzeln ruft manchmal auch eine gewisse Tendenz zum Schönreden des Alten hervor. Dass Kastenfenster nicht über einen "guten Schall- und Wärmeschutz" verfügen, wie im Leitfaden behauptet, sollte jeder wissen und also auch zugeben, der schon einmal einen solchen Altbau bewohnt hat. Manche der alten Fenster sind auch nach der Sanierung nicht einmal völlig regendicht, so dass auch die Forderung in der Broschüre, "die Reparatur eines historischen Fensterelements ist dem kompletten Austausch stets vorzuziehen", bei betroffenen Bewohnern keine ungeteilte Zustimmung finden dürfte.

Auch die Hamoniebedürftigkeit der Autoren, die, wie Claudia Euler ausdrücklich bekannte, Negativbeispiele aus dem Leitfaden völlig verbannt hat, ist kritikwürdig. Musterbeispiele zum Nachmachen sind nützlich, aber wer sich nicht traut, auch Gestaltungssünden zu zeigen, verschenkt didaktisch einiges.

Auf etwa zehn Seiten befasst sich das Werk mit der Fassadendämmung im engeren Sinne, also dem Wärmeschutz für die Wände. Der Rest handelt Fenster, Türen, Balkone und so weiter ab (bis hin zu einem Kapitel "Keller und Kellerdecken") sowie die lokalen Voraussetzungen im konkreten Sanierungsgebiet und den Gesetzes- und Förderrahmen. Der Stoff wird anschaulich mit vielen Fotos und Schemazeichnungen, übersichtlichen Maßnahmentabellen und Fallbeispielen dargestellt. Die Abbildungen sind allerdings oft nicht ausreichend erläutert. Leider nur vereinzelt finden sich auch Kostenangaben. Der Leitfaden kann kostenlos heruntergeladen werden (11,6 MB). von Alexander Morhart

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