Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

Norbert Fisch hält Abschied von strenger 15-kW-Grenze für notwendig

Experten diskutieren Aktivhaus versus Passivhaus

Roland Matzig (links): Standard schafft Sicherheit contra Norbert Fisch: 15 kWh kein Dogma. © P. Grund-Ludwig

Roland Matzig und Norbert Fisch liefern sich einen Schlagabtausch zum Thema Passivhaus oder Aktivhaus.

Gebäude liegen in Deutschland beim Energieverbrauch mit an der Spitze, vor allem für das Heizen wird viel Energie eingesetzt. Auf der Fachmesse CEB in Stuttgart haben Fachleute diskutiert, ob bei den energiesparenden Gebäudekonzepten das Aktivhaus das Passivhaus ablösen wird.

Das Prinzip der Passivhäuser ist simpel: Dank der extrem guten Wärmedämmung der Hülle wird meist auf eine klassische Warmwasserheizung verzichtet. Stattdessen werden die Abwärme der Bewohner und technischer Geräte sowie die Wärme des einfallenden Sonnenlichts einfach im Haus behalten. Für frische Luft sorgt eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung, die die Wärme der verbrauchten Luft auf die Frischluft von außen überträgt. Das entscheidende Kriterium ist aber letztendlich der Jahresenergieverbrauch für Wärme. Liegt der bei 15 kWh, ist ein Haus ein Passivhaus.

Mehr als 20 Jahre Erfahrung im Passivhaus-Bau haben bewiesen, dass das Konzept nicht nur in der Theorie funktioniert, sondern auch wirtschaftlich, hygienisch und im Hinblick auf den Wohnkomfort. Das ist für Planer, Ingenieure und Architekten extrem wichtig, da sie Bauherren mittlerweile eine genaue Vorstellung davon vermitteln können, was ein Passivhaus leistet. So stehen nach beendetem Bau keine enttäuschten Erwartungen oder gar eventuelle Klagen im Raum.

Schon im 19. Jahrhundert schrieb Polarforscher Fritjof Nansen in seinem wärmegedämmten und mit dreifach verglasten Fenstern ausgestatteten Forschungsschiff Fram: "Ob das Thermometer 5° oder 30° unter dem Nullpunkt steht, wir haben kein Feuer im Ofen. (...) Ich gehe daher mit dem Gedanken um, den Ofen ganz wegnehmen zu lassen; er ist nur im Wege."

Doch so richtig etabliert hat sich das Passiv-Prinzip weder im Schiffbau noch im Gebäudebestand. Laut Roland Matzig vom Verein ProPassivhaus liegt das in erster Linie daran, dass Passivhäuser als System funktionieren, aber dennoch keine Gelddruckmaschinen seien. Denn wer ein Passivhaus bauen oder einen Altbau aufrüsten will, muss sich genau informieren und berechnen, was welche Baumaßnahme an Energie einspart. Das kostet Zeit und Nerven, die nicht alle Planer bereit sind zu opfern. Und für Bauherren lohnt sich die Investition erst auf lange Sicht.

Norbert Fisch, Professor am Institut für Gebäude- und Solartechnik an der TU Braunschweig, sieht das anders. Für ihn ist der Hauptgrund dafür, dass Passivhäuser in der Nische geblieben sind die dogmatische 15 kWh-Grenze: Für Architekten, Ingenieure und Planer sei sie ein Albtraum.

Er plädiert für mehr Toleranz und einen Korridor zwischen 15-25 kWh, um beispielsweise größere Fensterflächen bauen zu können. Messungen in Passivhaus-Kindergärten in Niedersachsen zeigten, dass der Energieverbrauch in der Praxis meistens höher als bei den angedachten 15 kWh liege, so Fisch. "Das Passivhaus hat gezeigt, was möglich ist, jetzt muss die Entwicklung weitergehen" – mit diesen Worten plädiert Fisch für das Aktivhaus.

Im Aktivhaus oder auch Plusenergiehaus liegt der Jahresenergieverbrauch oftmals höher als im Passivhaus. Der klimafreundliche Clou: Durch PV, Solarthermie und Wärmepumpe wird soviel Energie erzeugt, dass nicht nur der gesamte Jahresverbrauch durch erneuerbare Energie gedeckt ist, es ist sogar möglich, überschüssige Energie ins Stromnetz einzuspeisen. Im Berliner Effizienzhaus Plus, ein Aktivhaus, unterstützt der Strom aus der Solaranlage sogar ein Elektroauto.

Vor allem Bürogebäude könnten von der Idee Aktivhaus profitieren. Deren größtes Problem sei der immense Stromverbrauch. Das mache es für die sinnvoll, auf Fotovoltaik zu setzen, so Norbert Fisch. Er sieht einen generellen Trend zur Stromgesellschaft, auch im Hinblick auf E-Mobilität. Eine Entwicklung, der man mit einer Schwerpunktverschiebung weg von der Dämmung und hin zu mehr erneuerbarer Energieerzeugung begegnen müsse. von Franziska Ludwig

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